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NBA - Playoff-Aus von OKC: Von Dallas lernen, heißt Siegen lernen
- Aktualisiert: 22.05.2024
- 17:00 Uhr
- Ole Frerks
Die Oklahoma City Thunder sind nach einer überragenden Regular Season in Runde zwei der Playoffs an den Dallas Mavericks gescheitert. Die Serie zeigte, dass OKC nicht nur jung ist, sondern auch sportlich ein paar Defizite hat - und ausgerechnet von den Mavs einiges lernen kann.
von Ole Frerks
Das Kollektiv kann aufatmen - manche Regeln ziehen doch noch. "Junge Teams gewinnen in den Playoffs nicht", etwa dieses Gesetz wurde in Runde zwei zumindest beim jüngsten Team bestätigt. OKC war SEHR jung - das jüngste Team, das je den 1-Seed holte, das jüngste Team, das überhaupt mal eine Playoff-Serie gewann. Mehr als eine wäre dann doch exzessiv gewesen.
Und ja, auch Indiana zum Beispiel ist eher jung, aber die Thunder 2024 waren ein Extremfall unter Extremfällen: Der einzige Spieler, der über 25 Jahre alt ist und in den Playoffs Punkte für sie erzielte, war der 29-jährige Kenrich Williams – und dieser erzielte ganze 4 Punkte. Kein Wunder, dass ein so junges Team gegen die erfahreneren Mavs in einer knappen Serie den Kürzeren zog.
Wobei sich darüber streiten lässt, ob die fehlende Erfahrung wirklich das primäre Problem in dieser Serie war. Aus Thunder-Sicht wäre das ja nett - dieses Problem würde sich schließlich von allein lösen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sportliche Defizite waren, die OKC einholten, weil die Mavericks sie systematisch entblößten. Diese lösen sich tendenziell nicht von allein.
Das bedeutet: Für die Thunder steht nach einer starken, vielversprechenden Saison kein Sommer der Ruhe an, sondern eine Offseason mit viel Arbeit, insbesondere für Chef-Executive Sam Presti. Es gibt eine Liste von Baustellen, die er adressieren muss – was insofern ärgerlich ist, weil sich einige davon schon seit einer Weile angekündigt hatten.
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Das Giddey-Problem meldet sich
Die Personalie Josh Giddey ist hier an erster Stelle zu nennen. Seit Monaten (eigentlich seit zwei Jahren) stellten Beobachter immer wieder fest, dass der Australier ein eher komischer Fit neben vor allem Shai Gilgeous-Alexander ist und Lineups, die ohne ihn dominieren, zum Teil massiv herunterzieht - die Mavs legten nun über sechs Spiele den Finger in diese offene Wunde.
Giddey gab Dallas stets einen Spieler, den sie von ihrem Center "verteidigen" lassen konnten, der in Wirklichkeit anderes tat: der aushalf und Driving Lanes für SGA und Jalen Williams zumachte. Giddey wurde und wird als Shooter nicht respektiert und konnte Dallas nicht anderweitig dafür bestrafen.
Immer wieder verloren die Thunder die Minuten mit ihm auf dem Court, teilweise deutlich, trotzdem ließ Mark Daigneault ihn über die ersten vier Spiele noch starten, ehe er vor Game 5 den Stecker zog und Isaiah Joe in die Starting Five beorderte. Das half dem Spacing ein wenig, machte OKC allerdings noch kleiner, was ein anderes Problem noch verstärkte.
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Rebounds sind wichtig
Die Thunder waren über die gesamte Saison ein kleines, schwaches Rebounding-Team. Das war zum Teil Kalkül: Daigneault priorisierte Schnelligkeit und Variabilität, kein Team forcierte als Folge so viele Ballverluste wie die am Ball sehr aggressiven Thunder. Sie kompensierten das Rebounding-Defizit in der Regel anderweitig - ein Defizit blieb es dennoch.
Dallas machte sich dies immer wieder zunutze, sammelte fast 33 Prozent der eigenen Fehlwürfe wieder ein, ein fast Knicks-esker Wert. Gerade in Spiel 6 war es offenkundig, wie der hyperaktive Dereck Lively II den Ball immer wieder für sein Team im Spiel hielt und Dallas zweite oder gar dritte Chancen ermöglichte.
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Rookie-Big Chet Holmgren ist mit seiner schmalen Statur gewissermaßen das Posterchild für diese Probleme beim Rebound – das ist aber nur bedingt fair. Über die gesamte Saison und auch in den Playoffs trug der Youngster sehr positiv zur Team-Rebounding-Rate bei, problematisch war eher, dass er in dieser Hinsicht bisweilen neben vier Wings auf sich allein gestellt war, gerade in den Lineups ohne Giddey, der zu den wenigen guten Reboundern des Teams gehörte.
Presti entschied sich im Lauf der Saison dagegen, dieses Problem mit einer großen Lösung anzugehen oder zumindest einen weiteren Backup zu verpflichten, der mal mit und mal statt Holmgren auf dem Court hätte stehen können. Diese Rolle hatte stattdessen Jaylin Williams inne, der mit seinen 2,06 m kein physisches Match für Lively oder Daniel Gafford darstellte.
Shooter sind nicht gleich Shooter
In der Theorie sollte Williams, genau wie Holmgren, als werfender Big die Identität der Thunder als Team mit Shootern auf jeder Position bestätigen. Es ist schwer, diese Ausrichtung zu kritisieren: OKC fuhr überragend damit, hatte im Lauf der Saison nahezu perfekte Balance mit Top-5-Werten bei Offense und Defense. Die Thunder hatten zudem die beste Dreierquote der Liga.
Die Mavericks zeigten jedoch, dass es Unterschiede gibt zwischen 40-Prozent-Schützen in der Regular Season und Spielern, die in den Playoffs wirklich werfen sollten. Es war nicht nur Giddey, von dem ausgeholfen wurde - es waren auch Lu Dort, Cason Wallace, Aaron Wiggins, zum Teil sogar Holmgren oder beide Williamse. Teilweise, weil der Wurf nicht respektiert wurde (Dort), teilweise aufgrund des langsamen Releases (Holmgren), teilweise aufgrund der zögerlichen Tendenzen bei semi-offenen Dreiern (Jalen Williams).
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Dallas konnte die Zone über sechs Spiele fast komplett abriegeln, weil sie gezielt halfen und darauf vertrauten, mit ihrer kollektiven Länge und Athletik schnell genug wieder beim offenen Schützen zu sein. Sie nahmen den Thunder damit ihr über die Saison so dominantes Drive-and-Kick-Game.
Was auch deshalb funktionierte, weil sich viele Rollenspieler schwer damit taten, die durch SGA oder J-Dub kreierten Vorteile am Laufen zu halten, schnelle Entscheidungen zu treffen und die Defense gezielt zu attackieren. Was wiederum dazu führte, dass Daigneault die ganze Serie über nach funktionierenden Lineups suchte, teilweise vergeblich. Das Fehlen einer weiteren Offensiv-Säule, eines weiteren legitimen Two-Way-Wings wurde überraschend deutlich gemacht.
Dallas löste seine Probleme … dank OKC
Eine bittere Ironie dieser Geschichte ist, dass die Mavericks mit ähnlichen Baustellen vor und in der Saison unterwegs waren und sie adressierten, mit Hilfe der Thunder. OKC ermöglichte den Mavericks den Lively-Pick und den Trade für Gafford; bei P.J. Washington waren sie nicht direkt involviert, hätten die Mavs aber problemlos überbieten können, wenn sie es versucht hätten.
Washington hätte mehrere der hier genannten Probleme abdecken können. Er ist ein natürlicher Vierer, athletisch und schnell genug für den Thunder-Stil, ein willigerer Shooter und besserer Two-Way-Player als Giddey. Er trug stattdessen dazu bei, OKC aus den Playoffs zu werfen, während die große Deadline-Verpflichtung der Thunder, Gordon Hayward, insgesamt nur 46 Playoff-Minuten sah und keinen Punkt erzielte.
Soweit zur schlechten Nachricht. Die gute folgt allerdings: OKC ist prächtig dafür aufgestellt, in der Offseason seine eigenen Lösungen zu finden. Frei nach Mat Ishbia ließe sich behaupten, dass 29 Teams ihre Situationen gerne mit den Thunder tauschen würden. Der Unterschied ist, dass das bei OKC anders als bei den Suns mehrheitlich wirklich stimmen würde.
Kommt ein Giddey-Trade?
Die Thunder haben ihr "Frühstück" nun beendet, wie es Presti vor der Saison ausgedrückt hatte. Sie haben Erkenntnisse gesammelt, wie der Kern funktioniert und was gebraucht wird. Nun geht es darum, Teile zu finden bzw. auszusortieren: Bei Giddey ist ein Trade wahrscheinlich, wenngleich der Gegenwert nach dieser Saison geringer sein dürfte als noch im Sommer 2023.
Geschenkt - OKC ist auf dieses Asset nicht angewiesen. Die Thunder haben über die nächsten Jahre eine ganze Wagenladung an Picks, teilweise sehr wertvolle. Sie können diese nicht alle selbst tätigen, stattdessen problemlos manche in Paketen rausschicken und andere behalten, um sich über die kommenden Jahre kostengünstig weiter gezielt zu verstärken.
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Die Frage, wie viel Geld die Franchise langfristig ausgeben will, könnte über den Kurs in der Offseason mitentscheiden. Noch spielen Holmgren und J-Dub auf Rookie-Verträgen, ab 2026 werden beide vermutlich Max-Verträge haben. Bis dahin könnte OKC einen weiteren teuren Spieler integrieren und die Luxussteuer vermeiden, ab 2026 wäre das nicht mehr realistisch.
Geduld vs. Aggression
In der Theorie hätten die Thunder den Cap Space, um hochpreisige Free Agents zu verpflichten - O.G. Anunoby oder Kentavious Caldwell-Pope etwa würden spielerisch sehr gut ins Team passen. In der Regel ist das aber nicht der Kurs, mit dem die Thunder operieren. Sie bauen gerne über den Draft und kleinere Trades, haben auch im kommenden Draft einen Lottery-Pick (#12).
Sie haben schon jetzt eine eigene Pipeline an jungen Spielern, die vielleicht bereit für den nächsten Schritt sind: Wallace spielte eine starke Rookie-Saison und könnte schon bald Dort verdrängen, wenn er etwas bereitwilliger von draußen abdrückt. Bei Wiggins und Joe bestehen (sehr) günstige Team-Optionen, die auch in neue Verträge umgemünzt werden könnten. Ousmane Dieng sah über zwei Jahre bisher kaum Minuten, ist aber noch immer erst 21 und hat zumindest den Körper eines Power Forwards.
OKC kann sich aber durchaus auch eine gewisse Aggression leisten. Sie hätten die Assets und Verträge, um beispielsweise für Lauri Markkanen oder Mikal Bridges zu traden. Sie könnten auch versuchen, Deni Avdija aus Washington loszueisen, der bis 2028 günstig unter Vertrag ist und einige ihrer Lücken abdecken würde.
Eine Position der Stärke
OKC operiert dabei aus einer Position der Stärke. Das ist der Unterschied zu allen anderen West-Contendern, insbesondere auch Dallas, das den Großteil seiner Assets mittlerweile investiert hat - die Thunder haben noch alle Optionen, sind bestens dafür aufgestellt, nicht nur für ein Jahr oben mitzuspielen, sondern für eine ganze Weile.
Das Gerüst steht. SGA ist ein MVP-Kandidat, der auch in den Playoffs der gleiche Superstar wie in der Regular Season war. Holmgren war offensiv etwas wechselhaft, spielte dafür defensiv überragende Playoffs. Er ist ein Rookie.
J-Dub ließ in den Playoffs zum Teil die letzte Aggression vermissen, legte trotzdem 19, 7 und 5 bei guten Quoten auf. Er ist 23.
Mit dieser Big 3 lässt sich etwas Großartiges aufbauen. Diese Playoffs haben gezeigt, was den Thunder für den ganz großen noch Wurf fehlt, aber … viel war es ja nicht. Die Probleme wirken lösbar.
Der Regel, dass junge Teams in den Playoffs nichts gewinnen, winkt in der nächsten Saison ein weiterer Test.