Leverkusen vs. Bayern
Bayer Leverkusen - Bayern München: Warum diesmal Kompany und nicht Alonso lacht - Erkenntnisse des Topspiels
- Aktualisiert: 16.02.2025
- 22:56 Uhr
- Martin Volkmar
Beim FC Bayern München kann sich in Leverkusen nur ein Mannschaftsteil behaupten, aber die Probleme überwiegen. Doch auch Bayer macht nicht alles richtig. Die Erkenntnisse.
Aus Leverkusen berichtet Martin Volkmar
Als Florian Wirtz das Spielfeld verließ, zeigte sein Blick immer noch absolute Fassungslosigkeit.
Über die von ihm sträflich vergebene letzte Riesenchance zum Siegtreffer in der Nachspielzeit.
Und über die Tatsache, dass die Leverkusener auch in den 90 Minuten zuvor trotz drückender Überlegenheit gegen den FC Bayern München kein Tor erzielt hatten.
- Bayern oder Barca? Tah spricht nach Topspiel über seine Zukunft
- Kommentar: Münchner Mauer-Meister verpassen Statement
- Die Noten zum Top-Spiel zwischen Leverkusen und München
Auf der anderen Seite führte der Eindruck der klaren Unterlegenheit offenbar dazu, dass die Münchner trotz acht Punkten Vorsprung noch keine Gratulationen zur Meisterschaft annehmen wollten.
"Nein, solange es rechnerisch möglich ist, dass es noch andersrum sein könnte", erklärte Sportvorstand Max Eberl nach dem 0:0.
So sah es auch Christoph Freund. Man dürfe noch nicht gratulieren, sagte der Sportdirektor am ran-Mikro: "Aber es ist eine sehr, sehr gute Ausgangsposition und die wollen wir uns jetzt natürlich nicht mehr nehmen lassen."
Das Wichtigste zur Bundesliga in Kürze
FC Bayern: Statistisch Meister, aber Fragezeichen bleiben
Statistisch gesehen ist dem Rekordmeister der Titel jedenfalls nicht mehr zu nehmen, da noch nie ein Bundesligist ein solches Polster nach 22 Spieltagen noch verspielte.
Aber der Auftritt hinterließ dennoch einige Fragezeichen über die Qualität des Teams von Vincent Kompany.
ran fasst die Erkenntnisse des Spitzenspiels zusammen.
Externer Inhalt
Dank Upamecano: Bayerns Abwehrzentrum stabilisiert sich
Die gute Nachricht für die Bayern war sicher die meist konzentrierte und kompromisslose Leistung des schon häufig kritisierten Innenverteidiger-Duos Dayot Upamecano und Minjae Kim.
Auch wenn der französische Abwehrchef nicht ganz so stark spielte wie zuletzt in Glasgow und sich auch unnötige Fehlpässe erlaubte, war er der Turm in der bayerischen Defensivschlacht.
"Wir haben in dieser Woche viel das Verteidigen im Strafraum trainiert und wie wir gegen eine Mannschaft, die gut Fußball spielt, etwas tiefer stehen können. Das ist uns gut gelungen", sagte Manuel Neuer, der ebenfalls eine überzeugende Partie zeigte und mehrfach einen Rückstand verhinderte (ran-Note 2 für alle drei).
"Man sieht aktuell, dass unsere Verteidigung es richtig gut macht und sich gefestigt hat. Wir kriegen wenig Gegentore, von dem her sind wir aktuell sehr, sehr happy", meinte auch Freund.
Daher soll nun zeitnah mit Upamecano verlängert werden, ein Einkauf von Leverkusens Jonathan Tah ist laut Freund "kein Thema mehr".
FC Bayern: Boss hakt Transfer von Verteidiger ab
Die Außenverteidiger bleiben die große Problemzone
Gegenüber dem Abwehrzentrum fielen alle anderen Mannschaftsteile dagegen deutlich ab.
Zudem wurde einmal mehr deutlich, dass die größte Problemzone des FCB auf den Außenbahnen liegt.
Selbst der aktuell verletzte und gerade erst verlängerte Stamm-Linksverteidiger Alphonso Davies hat defensiv seine Schwächen, die er aber oft mit seiner Schnelligkeit wettmachen kann.
Dahinter allerdings zeigten sich weder Raphael Guerreiro in Glasgow noch der lange verletzte, nominelle Innenverteidiger Hiroki Ito in Leverkusen in der Lage, die gegnerischen Angriffe über die Flügel einzudämmen.
Und auf rechts konnte bislang Sacha Boey die vor einem Jahr gezahlte Ablöse von 30 Millionen Euro nicht rechtfertigen, so dass meist Dauerläufer Konrad Laimer den Vorzug erhält.
Doch der Österreicher ist eigentlich im Mittelfeld zu Hause, was offensiv von Vorteil ist, gegen den Ball aber wird der etwas langsamere Laimer immer wieder überlaufen.
Eigentlich spricht daher rechts hinten alles für eine Chance für Rückkehrer und Eigengewächs Josip Stanisic, doch selbst an seiner alten Wirkungsstätte und trotz des Leverkusener Dauerdrucks brachte ihn Kompany erst nach 68 Minuten.
Die Offensive lahmt
Die Schwierigkeiten der Münchner Hintermannschaft, die fünf Großchancen zuließ, war auch auf die fehlende Entlastung durch die Offensive zurückzuführen.
Die ist zwar nominell hochkarätig besetzt und auch selbst im internationalen Vergleich herausragend bezahlt, sorgte aber gegen Leverkusen tatsächlich für null Gefahr.
Zwei Torschüsse gab das Starensemble ab, ein neuer Bundesliga-Minusrekord für den FCB seit der Daten-Erfassung 1992 – und aufs Tor ging davon keiner.
"So harmlos habe ich die Bayern noch nie gesehen", lautete das vernichtende Urteil von Lothar Matthäus bei "Sky" über die lahme Offensive, in der 100-Millionen-Mann Harry Kane nicht zum ersten Mal gegen gute Abwehrreihen kein Faktor war.
Bundesliga-Rekorde der Saison 2024/25: FC Bayern stellt im Topspiel eigenen Negativrekord auf
Auch Jamal Musiala, eben erst durch seine Vertragsverlängerung zum Spitzenverdiener neben Kane aufgestiegen, konnte wie seine Nebenleute kaum einmal das Spiel beruhigen, geschweige denn für Gefahr sorgen.
"Wir haben keinen Druck gemacht und hatten nicht viel Ballbesitz", gab der Nationalspieler zu: "Wir werden in den nächsten Tagen auf das Spiel zurückblicken und schauen, was wir besser machen können."
Kompany kann auch pragmatisch
Vincent Kompany nahm die Kritik an, wollte sie aber nicht überbewerten. Schließlich war es bei den meisten Niederlagen oder unnötigen Unentschieden in dieser Saison genau umgekehrt gewesen.
Meist waren die Bayern überlegen, trafen aber vorne nicht und ließen sich dann hinten zu einfach auskontern.
In Leverkusen aber stand die Defensive, wenngleich natürlich auch dank des fehlenden Killerinstinkts der Gastgeber.
Bayer habe "den Ball sehr gut laufen lassen und sehr gut gepresst - also mussten wir verteidigen", erklärte Kompany hinterher: "Insofern kann ich meiner Mannschaft für die Mentalität und das Verteidigen trotzdem ein großes Kompliment machen."
Und weiter: "Leverkusen hat uns unter Druck gesetzt - aber wenn wir nach dem harten Kampf in Glasgow vor drei Tagen nicht die Mentalität zeigen, Schüsse und Flanken zu blocken und als Team mit Harry und Jamal zu verteidigen, dann hätten wir diesen Ort noch enttäuschter verlassen. Wir werden definitiv aus diesem Spiel lernen, aber wir nehmen das Ergebnis und machen weiter."
Alonso macht nicht immer alles richtig
Zuletzt hatte Xabi Alonso die Bayern immer wieder mit überraschenden taktischen Maßnahmen aufs Glatteis geführt, ob mit Konterfußball wie im Pokal oder Beton-Defensive wie im Hinspiel.
Diesmal setzte er von Beginn an auf Offensiv-Fußball mit Nathan Tella als einziger Spitze vor Florian Wirtz. Das Duo glänzte und hatte beste Chancen, zweimal traf Tella in der erste Halbzeit nur die Latte.
Und dennoch musste sich Alonso hinterher den Vorwurf gefallen lassen, nicht mutig genug gewesen zu sein. Trotz der drückenden Überlegenheit wechselte der Trainer erst in der 85. Minute erstmals.
Leverkusen: "Möchte nicht frech sein!" Diese Frage nervt Xhaka
Den zuletzt so treffsicheren Mittelstürmer Patrik Schick, der eine der vielen Flanken hätte verwerten können, brachte er erst in der Nachspielzeit. Und Victor Boniface blieb komplett draußen.
Die Frage, ob ein echter Neuner eine der vielen Chancen verwertet hätte, wiegelte Alonso aber ab. "Ja, vielleicht, das werden wir nie wissen", sagte er nur.
Es sind letztlich aber solche vermeintlichen Fehlgriffe, die die Leverkusener wertvolle Punkte kosten – so wie zuletzt Alonsos Verzicht auf Wirtz, Schick und Co. in der Startelf beim 0:0 in Wolfsburg.
Leverkusen fehlt der Dusel aus dem Titeljahr
Erst hatten sie kein Glück und dann kam noch das Pech hinzu. Frei nach dieser Fußball-Phrase könnte man den Leverkusener Chancen-Wucher zusammenfassen.
Auch die Statistik bestätigt den Eindruck, dass vieles, was im Vorjahr in letzter Minute klappte, jetzt nicht mehr gelingt.
In der Meister-Saison erzielte Bayer 34 (!) Pflichtspieltore nach der 81. Minute, 25 sogar nach der 86. Minute – und achtmal traf die Werkself erst in der Nachspielzeit, sechs dieser Tore waren spielentscheidend.
In dieser Spielzeit hingegen fehlt der Meister-Dusel, Wirtz‘ Riesenchance kurz vor Abpfiff, als er freistehend am Tor vorbeizielte, stand dafür exemplarisch.
Als Beweis dafür dient auch hier die Statistik: 14 Pfosten- und Lattentreffer, zwei davon am Samstag gegen Bayern, sind Liga-Spitze.
Das reicht dann am Ende für die bisher zweitbeste Bundesliga-Saison in der Geschichte der Rheinländer – aber eben nicht zur Titelverteidigung.