Bundesliga
VAR-Revolution in der Bundesliga: "Kann noch nicht der letzte Schritt sein" - Urs Meier zu Schiedsrichter-Durchsagen
- Aktualisiert: 28.01.2025
- 10:07 Uhr
- Andreas Reiners
Durchsagen der Schiedsrichter sollen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen erhöhen. Wir haben mit Urs Meier über das Pilotprojekt gesprochen.
Urs Meier muss lachen. Der frühere Weltklasse-Schiedsrichter kann sich die Szene nur zu gut vorstellen.
Und sie sorgt tatsächlich für eine Mischung aus Belustigung und Kopfzerbrechen.
Denn wie wird es wohl sein, wenn ein Schiedsrichter in einem brodelnden Westfalenstadion vor einer emotionalen Südtribüne kurz vor Schluss per Durchsage erklären muss, warum der VAR entschieden hat, dem BVB den Elfmeter doch nicht zuzusprechen? Es dürfte hoch hergehen.
Das Gute: Da die Technik im Rahmen eines Pilotprojekts ab dem 20. Spieltag in der Bundesliga und 2. Bundesliga testweise eingeführt wird, kann diese Szene bald Realität werden.
Die Pilotphase ist zunächst auf neun Stadien in München, Dortmund, Frankfurt, Freiburg, Leipzig, St. Pauli, Hamburg, Düsseldorf und Magdeburg beschränkt. Am 20. Spieltag kommt die Neuerung bei fünf Partien zum Einsatz.
Das Wichtigste in Kürze
Gedacht ist die Einführung, um vor allem unter den Zuschauern im Stadion für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu sorgen.
"Es ist ein logischer Schritt, der kommen musste. Ich finde es wichtig, dass man ihn macht, dass man mehr Transparenz will, dass man die Zuschauer im Stadion mitnehmen will. Ich hoffe natürlich, dass das zu mehr Verständnis und Klarheit führen wird. Und diese Klarheit wäre sehr gut", sagte Meier im ran-Gespräch.
Bundesliga: Neue Herausforderung für die Schiedsrichter
Deshalb sind unangenehme Situationen wie die noch fiktive vor der Süd eine neue Herausforderung für die Referees. Allerdings bekommen sie ein Werkzeug an die Hand, das alternativlos scheint, aber eben auch nicht ohne Brisanz ist.
"Das Problem ist: Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem es tatsächlich schwierig wird. Denn im Fußball müssen auch Grau-Entscheidungen erklärt werden", sagte Meier, der auf andere Sportarten wie Rugby oder American Football verweist, wo solche Erläuterungen schon lange an der Tagesordnung sind.
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"Ich glaube, dass man sich das vorher als schwierig vorstellt, aber dass sich das Ganze in der Praxis als absolut machbar herausstellt", so Meier weiter: "Denn es ist besser, als wenn man wie bislang gar nichts sagt. Das 'Warum' ist immer entscheidend. Und wenn das geklärt ist, sollte das für überfällige Transparenz sorgen."
Vor den Spielen soll ein 60-sekündiger Erklär-Clip zur Neuerung laufen. Der Referee wird sich in zwei Fällen über die Lautsprecher zu Wort melden: Wenn er am Monitor war oder wenn er eine Entscheidung nach VAR-Eingriff ändert. Das Headset kann per Knopfdruck dafür freigegeben werden.
Bundesliga: Skepsis unter den Schiedsrichtern
Bislang war eine Einblendung, dass etwas überprüft wird inklusive des Ergebnisses der Überprüfung das höchste der Gefühle für die Fans im Stadion. Das sah man als Zuschauer allerdings alles auch selbst.
Ein Selbstläufer wird die Einführung aber möglicherweise nicht. Unter den Schiedsrichtern herrscht laut "kicker" teilweise Skepsis. Zum einen aufgrund der überschaubaren Vorbereitungszeit, aber auch wegen der Sorge vor Versprechern oder Pannen. Die Referees wurden durch verschiedene Trainingsmaßnahmen seit dem vergangenen Juli vorbereitet. Wie die Zuschauer reagieren, ist ebenfalls noch nicht absehbar.
Meier kann die Bedenken nachvollziehen, bei Neuerungen gebe es immer wieder Unsicherheiten oder kritische Stimmen, so der Schweizer: "Aber wichtig ist, dass man jetzt mal damit anfängt. Wenn es nicht zum Ziel führt, kann man es auch wieder stoppen."
Urs Meier: "Man muss gut kommunizieren können"
Viel wird davon abhängen, wie sich die Referees bei ihrer Kommunikation anstellen. Meier kann sich an eine Schiedsrichterin bei der Frauen-WM erinnern - als diese Technik auf internationaler Ebene getestet wurde - die mit ihren Aussagen "mehr Verwirrung gestiftet als Aufklärung betrieben hat. Das macht es dann kompliziert".
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Deshalb sei die zusätzliche Aufgabe, "klar, prägnant und einfach" zu kommunizieren, "eine Herausforderung. Aber wenn ich im Rugby oder im American Football sehe, wie professionell die Schiedsrichter da oft stehen und kommunizieren, muss ich sagen, dass sie automatisch an Akzeptanz und Persönlichkeit gewinnen. Das wird im Fußball auch so sein".
Letzte Chance für den VAR?
Bislang wird die Existenz des Video-Schiedsrichters Woche für Woche hinterfragt, die Entscheidungen werden teilweise harsch kritisiert. Ist diese Einführung die letzte Chance, den VAR noch zu retten? Mit mehr Erklärungen, mit mehr Transparenz?
"Ob er damit gerettet wird, weiß ich nicht", sagt Meier. "Die Akzeptanz für den VAR wird aber steigen, allerdings auch die für den Schiedsrichter."
Klar ist aber für den 66-Jährigen, dass das nicht alles sein kann, "dass dann automatisch der Ruf nach Bildern kommen wird. Man will es im Stadion dann auch noch sehen. Wir können uns jetzt schon darauf einstellen, dass es noch nicht der letzte Schritt ist in diesem Bereich sein kann. Bewegtbilder wären der noch logischere Schritt, der dem VAR noch mehr helfen würde".
Vor allem vor der Süd.