Champions League
Aston Villa vs. FC Bayern: "Harry Kane ist keine richtige Nummer neun" - Stürmer-Legende Yorke exklusiv
- Aktualisiert: 02.10.2024
- 16:33 Uhr
- Philipp Kessler
In der Champions League gastiert der FC Bayern bei Aston Villa. Dwight Yorke, ehemaliger Weltklasse-Stürmer, spricht im ran-Interview über seinen Ex-Klub, das Duell gegen die Bayern und das Endspiel mit ManUnited 1999.
Von Philipp Kessler
Mit Andy Cole bildete Dwight Yorke einst eines der gefürchtetsten Sturm-Duos in der Geschichte von Manchester United. Was wohl nur noch wenige Fans auf dem Schirm haben: Der frühere Weltklasse-Angreifer aus Trinidad & Tobago spielte davor neun Jahre lang für Aston Villa.
Das Spiel seines Ex-Clubs im neuen Liga-Format der Champions League am Mittwoch (ab 21 Uhr im Liveticker) gegen den FC Bayern wird der 52-Jährige vor dem Fernseher in Dubai verfolgen, wie er im ausführlichen Gespräch mit ran verrät.
Im exklusiven Interview spricht Yorke über Villas Stärken, Stürmer-Star Harry Kane, Trainer Vincent Kompany, das historische Champions-League-Finale 1999 mit United gegen den deutschen Rekordmeister und seine Ambitionen als Coach.
ran: Herr Yorke, wo waren Sie am 26. Mai 1982?
Dwight Yorke: Ich war in der High School in Trinidad & Tobago. (lacht) Ich war damals Fan von Tottenham. Aber natürlich ist mir die Geschichte von Aston Villa bekannt. Damals hat der Verein den FC Bayern im Finale des Europapokals der Landesmeister mit 1:0 besiegt.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Rund 42 Jahre später treffen sich Aston Villa und der FC Bayern nun in der Champions League wieder.
Yorke: Aston Villa hat sich in den vergangenen Jahren enorm verbessert. Die neuen Eigentümer, Nassef Sawiris und Wes Edens, haben viel Geld investiert und haben Villa wieder zu einem der besten Teams in Europa gemacht. Zudem hat der Verein aus meiner Sicht einen der besten Trainer der Welt: Unai Emery. Er macht einen sehr guten Job und hat Villa zum ersten Mal seit dem Start der Premier League im Jahr 1992 wieder in die Champions League geführt. Er hat einen großen Anteil am Aufstieg von Villa. Die Spieler haben sich unter ihm stark verbessert und sind in der letzten Saison in die Big Four der Liga vorgestoßen.
ran: Auf welche Stars muss der FC Bayern besonders aufpassen?
Yorke: Stürmer Ollie Watkins spielt sehr konstant. Jhon Duran ist auch eine Waffe, er ist der Newcomer. Ein treffsicherer Linksfuß mit einer guten Präsenz, wenn er zum Einsatz kommt. Auch der Torhüter Emiliano Martinez ist wichtig. Aber die Champions League ist noch mal ein anderes Level. Das Spiel gegen den FC Bayern wird interessant.
ran: Was denken Sie über Mittelfeld-Neuzugang Amadou Onana? Auch der FC Bayern hatte ihn im Sommer auf dem Zettel.
Yorke: Um ehrlich zu sein, war ich kein großer Fan von ihm bei Everton. Mir hat seine Spielweise nicht besonders gefallen. Aber ist auch bei einem Team aufgelaufen, das Probleme hatte. In solchen Situationen kann man nicht immer sein volles Potenzial ausschöpfen. Er hat eine ordentliche EM mit Belgien gespielt. Douglas Luis ist im Sommer von Aston Villa zu Juventus Turin gewechselt. Ich denke, Onana passt gut ins System von Emery und er hat auch schon ein paar Tore erzielt.
ran: Wie schätzen Sie die Bayern ein?
Yorke: Seit Jahren sind sie das dominierende Team in der Bundesliga. Leverkusen ist unter Trainer Xabi Alonso zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz geworden. Dass sie das Double in der vergangenen Saison gewonnen haben, hat den Münchnern natürlich nicht gefallen. Nun haben sie einen guten Start in die neue Spielzeit hingelegt und viele Tore geschossen. Sie spielen tadellos unter Vincent Kompany. Aber nun wartet eine andere Herausforderung auf Bayern im Villa Park. Die Fans können sich sehr darauf freuen. Bayern hat einen tollen Kader, aber Villa wird auch bereit sein.
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ran: Sind Sie erstaunt, dass Kompany so schnell beim FC Bayern eingeschlagen hat? Im Sommer ist er von Premier-League-Absteiger Burnley nach München gewechselt.
Yorke: Es braucht nicht immer einen namhaften Top-Coach. Als Verein muss man auch mal jungen Trainern eine Chance geben. Nicht viele haben Kompany zugetraut, gleich so einen guten Job zu machen. Aber die Vorhersage der Experten war falsch. Kompany ist zu Bayern gewechselt, hat harte Entscheidungen getroffen, gewusst, was zu tun ist und seine Linie durchgezogen. Ich erwarte nicht, dass Bayern eine weitere Saison titellos bleibt.
ran: Haben Sie seine Zeit bei Burnley verfolgt?
Yorke: Natürlich, ich habe Fußball in meiner DNA. Als aufstrebender Trainer muss ich mir alles anschauen und davon lernen. Ich kenne seine Geschichte bei Burnley: Er ist souverän aufgestiegen, aber die Mannschaft konnte die Erwartungen in der Premier League nicht erfüllen. Natürlich stellt man sich dann die Frage, warum er ein Angebot von einem Top-Club wie den FC Bayern bekommen hat. Aber so war es bei anderen Trainern auch: Luis Enrique, Xabi Alonso, Hansi Flick oder niederländische Trainer. Es geht darum, die Chance zu bekommen und sie dann zu nutzen. Ich bin froh, dass Kompany einen guten Job macht bislang.
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Kane ist "keine richtige Nummer neun"
ran: Wie schätzen Sie die Mannschaft der Bayern ein?
Yorke: Es ist ein sehr gutes Team. Schauen Sie sich die Jungs mal an: die beste Mannschaft, die man haben kann. Zudem stoßen regelmäßig gute, junge Spieler dazu. Jamal Musiala ist in der Offensive ein aufregender Spieler. Er ist einer der aufstrebenden Stars. Dann gibt es auch noch Thomas Müller. Man hat das Gefühl, dass er schon seit 40 Jahren dabei ist. (lacht) Eines der besten Teams kommt nun zu Aston Villa. Lange Zeit war der Verein nicht in der Position, ein solch großes Team in Europa zu empfangen. Englische Clubs wie Chelsea oder mein Ex-Club Manchester United sind dieses Jahr nicht dabei. Es ist schön, dass Teams wie Aston Villa der Champions League nun einen neuen Look verpassen. Das Spiel wird elektrisierend.
ran: Als ehemaliger Weltklasse-Stürmer: Wie denken Sie über Harry Kane? Hat Sie sein Transfer im Vorjahr von Tottenham zum FC Bayern überrascht?
Yorke: Ein wenig schon. Manchester United war auch an ihm dran, aber es hieß, dass Tottenham ihn nicht dorthin verkaufen wollte. Harry Kane ist Harry Kane. Er ist ein toller Torjäger. Er ist aber keine richtige Nummer neun und lässt sich häufig fallen. Er hat mit 31 Jahren nicht mehr das Tempo, um die gegnerische Abwehr zu überlaufen. Er musste sein Spiel anpassen. Wichtig ist, dass die Mannschaft auch für ihn spielt. Er spielt mit einem super Team, das sehr viel Ballbesitz hat. In einer anderen Mannschaft, die seltener den Ball hat, würde er sich schwerer tun.
ran: Einige Experten meinen, Kane würde nicht zum pressingintensiven Spielstil von Kompany passen.
Yorke: Ist er eine Pressingmaschine oder ein Torjäger? Experten tendieren dazu, Dinge zu überanalysieren. Er hat letzte Saison Rekorde gebrochen und war der beste Torjäger Europas. Er muss nicht pressen, er muss nur weitermachen, Tore zu schießen. Und das tut er bislang auch in dieser Saison.
ran: Von 1989 bis 1998 haben Sie für Aston Villa Tore geschossen. Wie wurden Sie damals in Trinidad & Tobago entdeckt?
Yorke: Ich war zu dieser Zeit 16 Jahre alt und noch in der High School. Als kleines Land waren wir drauf und dran, uns für die WM 1990 in Italien zu qualifizieren. Wir haben gegen die USA gespielt und hätten nur ein Unentschieden gebraucht. Aber wir haben verloren. Dann kam Aston Villa und hat mich zum Profi gemacht.
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ran: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren Start in England?
Yorke: Es war hart. Ich war ja noch ein Junge. Ich musste mein Zuhause aufgeben und bin alleine nach England gegangen. Aus der Karibik war ich Sonnenschein und warme Temperaturen gewohnt. Als ich nach England kam, habe ich im Schnee trainiert. Ich habe bei einer Gastfamilie gelebt, das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder. Es war nicht so wie heutzutage, wo man als Neuzugang erst mal in teuren Hotels schläft. Es war eine Art Hostel. Aber ich habe diese Zeit geliebt. Zudem musste ich mich um eine Arbeitserlaubnis kümmern. Und damals waren im Spiel nur zwei Ausländer pro Team erlaubt. Man musste sich wirklich alles erarbeiten.
ran: Am 24. März 1990 haben Sie bei der 0:1-Niederlage auswärts gegen Crystal Palace Ihr Debüt für Villa gegeben.
Yorke: Eine völlig neue Erfahrung. Ich bin nach England gekommen, und nur knapp sechs Monate später hatte ich es in die erste Mannschaft geschafft. Das war ein ziemlicher Wandel. Ich bin alleine auf die Insel gegangen. Meine Familie konnte es sich nicht leisten, mich zu besuchen. Die Reise hätte 1200 Pfund gekostet. Ich habe gerade mal 250 Pfund pro Woche verdient. Es wäre also keine gute Idee gewesen, gleich mein ganzes Geld dafür auszugeben. Ich musste mir alles verdienen.
Warum Yorke zu United wechselte
ran: In den kommenden Jahren waren Sie der Shootingstar der Liga. Zweimal konnten Sie mit Aston Villa den Ligapokal gewinnen, zweimal spielten Sie im UEFA Cup. In 264 Spielen haben Sie 88 Treffer erzielt und 33 Tore vorbereitet.
Yorke: Es war eine unglaubliche Zeit. Ich war jung, habe dazugelernt und wurde professioneller. Mit der Zeit wurde ich besser und stärker. Ich sage immer: Diese Zeit war meine Fußballausbildung. Wir haben uns zwar nicht für die Champions League qualifiziert, damals waren nur die ersten beiden Teams dabei. Aber meist sind wir im oberen Tabellendrittel gelandet.
ran: 1998 sind Sie zu Manchester United gewechselt. Warum?
Yorke: Hinter Alan Shearer war ich der nächste Top-Stürmer in der Reihe. Ich wollte in der Champions League spielen. Ich war damals 26 Jahre alt, ich war schon vor und ab dem Beginn der Premier League im Jahr 1992 dabei. Ich war dabei, ein Mann zu werden. Ich hatte Angebote von Inter Mailand oder auch vom FC Barcelona. Aber ich war an England gewohnt. Es war ein guter Zeitpunkt, um zu Manchester United zu wechseln und mich neu selbst herauszufordern.
ran: Mit Andy Cole bildeten Sie ein legendäres Sturm-Duo. Ihr Spitzname war „The Smiling Assassin”, der lachende Killer. Einverstanden damit?
Yorke: Das zeigt, wie sehr ich den Fußball genieße. Wir sind sehr privilegiert, dass wir mit dem, was wir lieben, so viel Geld verdienen können. Damals waren es Tausende von Pfund, mittlerweile sprechen wir von Millionen.
ran: In Ihrem ersten Jahr holten Sie das Triple mit United. Unvergessen ist das dramatische Champions-League-Finale 1999 gegen den FC Bayern, das Ihre Mannschaft in den letzten Minuten noch mit 2:1 gedreht hat.
Yorke: Wir hatten in dieser Saison eine extrem starke Gruppenphase mit dem FC Barcelona, Bröndby und eben auch dem FC Bayern. Ich habe gegen sie beim 2:2 in München übrigens mein erstes Champions-League-Tor geschossen, ich habe eine Flanke von David Beckham mit dem Kopf verwertet. Das Rückspiel in der Gruppe ging 1:1 aus. Und im Finale haben wir uns dann wiedergesehen. Roy Keane und Paul Scholes haben bei uns gefehlt. Aber wir wussten ohnehin, dass es ein schwieriges Spiel werden würde. Der FC Bayern hatte viele deutsche Ikonen auf dem Feld. Es waren immer enge Partien gegen sie. Sie gingen früh mit 1:0 in Führung. Aber sie hatten es versäumt, das zweite Tore zu erzielen. Das war unsere Chance. Wir haben in dieser Saison viele Last-Minute-Tore geschossen. Und so war es auch dieses Mal. Wir haben noch mit 2:1 gewonnen. Das Ende war verrückt, es war ein historischer Moment. Wir haben in diesem Jahr auch das Triple gewonnen. Das war eine ziemlich große Sache.
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ran: Wie war Sir Alex Ferguson als Trainer?
Yorke: Er ist der beste britische Trainer in der Geschichte des Fußballs. Er ist ein Gewinner, er ist sehr besonders.
ran: In der Saison 2005/2006 spielten Sie für Sydney FC in Australien und wurden Meister. Damals war der Deutsche Pierre Littbarski Ihr Coach.
Yorke: Was für ein Mann! Weltmeister von 1990! Er war super für mich. Ich habe sehr viel Respekt für ihn. Er hat mich immer unterstützt und mir viel beigebracht. Er ist ein sehr netter Mann, der mich gut behandelt hat. Vor rund drei Jahren hatten wir zuletzt Kontakt. Ich denke, ich muss ihn mal wieder anrufen und mit ihm sprechen.
ran: 2006 haben Sie Trinidad & Tobago als Kapitän bei der Weltmeisterschaft in Deutschland vertreten.
Yorke: Es war unglaublich. Das war das erste Mal für mein kleines Land, dass wir uns für eine WM qualifizieren konnten. Und dann noch als Kapitän dabei zu sein – das war ein historischer Moment, auch für mich. Ich war mit knapp 35 Jahren im Herbst meiner Karriere. Noch dazu wird das Turnier als eine der besten Weltmeisterschaften überhaupt angesehen. Leider haben wir kein Spiel gewonnen, aber die Erinnerungen daran sind unfassbar. Es war ein ikonischer Moment für Trinidad & Tobago.
Mischung aus Guardiola und Ferguson als Optimum
ran: Mittlerweile sind Sie Trainer. Welcher Coach inspiriert Sie?
Yorke: Ich möchte von der Spielweise ein Mix aus Pep Guardiola und Sir Alex sein. Das wäre gut. In meinem ersten Jahr bei Macarthur FC wurden wir in Australien 2022 sofort Pokalsieger. Es war ein guter Start.
ran: Ihre Mannschaft hat guten Fußball gespielt, Macarthur war auf Platz vier in der Liga. Trotzdem wurden Sie nach nur 13 Spielen ohne triftigen Grund entlassen. Vor wenigen Wochen bestätigte das Schiedsgericht CAS eine Entscheidung, wonach der Verein Ihnen deshalb inklusive Zinsen 290 000 Dollar zahlen müsse.
Yorke: Ich bin froh über das Urteil. Jetzt geht es darum, mich wieder auf neue Aufgaben als Trainer zu fokussieren. Ich hoffe, dass ich bald wieder auf der Trainerbank bin.
ran: Welche Ziele haben Sie als Coach?
Yorke: Ich möchte in der besten Liga der Welt arbeiten, den gleichen erfolgreichen Weg wie als Spieler einschlagen und mich mit den besten Trainern messen. Die beste Liga ist aus meiner Sicht die Premiere League. Ich weiß, dass ich mehr arbeiten muss. Wenn ich einen guten Job bekäme, bei dem ich mich beweisen darf, wäre das toll. Man braucht einen guten Start und man muss etwas bewirken können. Mein erstes Jahr als Trainer war schon gut. Es gibt zu viele Coaches, die nur gut sind. Man muss besser als nur gut sein.
ran: Was ist Ihr Ausgleich?
Yorke: Ich bin ein Fitness-Typ. Ich halte mich sehr fit. Ich spiele Padel-Tennis und habe auch ein Einser-Handicap im Golf. Ich reise auch gerne, bin als Ambassador für Manchester United unterwegs. Zudem bin ich Analyst in der Saudi Pro League. Die Liga braucht Expertise und ich helfe dabei. Aber generell schaue ich sehr viel Fußball, egal ob Premier League oder Bundesliga.