Champions League
FC Bayern: Schiri-Fehler ist bitter, aber der Fokus sollte woanders liegen – ein Kommentar
- Aktualisiert: 09.05.2024
- 20:32 Uhr
- Justin Kraft
Der FC Bayern München fühlt sich zu Recht vom Schiedsrichter benachteiligt. Doch zu sehr an dieser Szene sollte man sich nach dem verdienten Aus in der Champions League nicht aufhängen. Ein Kommentar.
Letztendlich war dieses Rückspiel im Santiago Bernabeu ein Spiegelbild der gesamten Saison des FC Bayern: Ein wackliger Beginn mit etwas Spielglück, eine gute Mittelphase und schließlich die ganz große Hoffnung, das Jahr doch noch retten zu können.
Das gelang ihnen nicht. Auch deshalb, weil ihnen die Verlängerung verwehrt wurde. Schiedsrichter Szymon Marciniak pfiff bei einer vermeintlichen Abseitssituation zu früh und nahm dem VAR die Chance, zu überprüfen, ob Noussair Mazraoui tatsächlich einen Tick zu früh gestartet war.
Tendenz: Eher kein Abseits. Die Wut des deutschen Rekordmeisters ist nachvollziehbar. "Davon können wir uns einen Scheißdreck kaufen", wütete Max Eberl hinterher mit Bezug auf die Entschuldigung des Schiedsrichters.
So kurz nach dem Spiel ist kein Platz für sachliche Analyse. So kurz nach dem Spiel ist es auch egal, ob Real Madrid insgesamt der verdiente Sieger ist. Die Szene hätte zumindest theoretisch alles ändern können. Doch die Chance wurde den Bayern genommen.
Das Wichtigste in Kürze
Gleichzeitig muss man in München schnellstmöglich Abstand zu den Emotionen gewinnen und dann doch in die sachliche Analyse übergehen. Denn so entscheidend die Szene war, so wenig sinnvoll ist es, sich zu sehr daran aufzuhängen.
FC Bayern: Duell mit Madrid war Spiegelbild der Saison
Allein in diesem Rückspiel zeigten sich zahlreiche Probleme, die die gesamte Saison der Bayern geprägt haben. Da wäre beispielsweise die frappierende Ungenauigkeit in der Umsetzung des Matchplans.
Die Münchner spielten "sehr passiv", stellte auch Toni Kroos bei "DAZN" fest. Man ließ Madrid bis in die eigene Hälfte kommen, um dann auf Konter zu spielen. Eigentlich funktionierte dieser Plan. Nach einer wackligen Anfangsphase stabilisierte man sich defensiv und kam zu richtig guten Umschaltgelegenheiten.
Allerdings wurden diese mitunter grotesk schlecht ausgespielt. Immer wieder verstolperten Offensivspieler den Ball, oder die Hoffnung auf ein Tor endete in einem schwachen Fehlpass. Eine Erinnerung an die schwachen Phasen in der Bundesliga, als sich Thomas Tuchel immer wieder ratlos präsentierte und keine Ansätze dafür fand, warum seine Spieler seine Ideen nicht umsetzen.
Es war gewiss kein schlechtes Spiel der Bayern in Madrid. Aber wer so viele Ungenauigkeiten in den entscheidenden Aktionen zeigt, fliegt auf diesem Niveau verdient raus.
Hinzu kommt der Fitnesszustand der Spieler in der Schlussphase und wie Tuchel darauf reagiert hat und reagieren konnte. Verletzungen begleiten den FCB durch die gesamte Saison. Selten hatte der Trainer Phasen, in denen seine Mannschaft einen Rhythmus finden konnte.
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Serge Gnabry, Kingsley Coman, Leroy Sane – allein diese drei Offensivspieler kamen nie so richtig in einen Lauf. Das braucht es aber, um die Champions League gewinnen zu können. In Madrid musste selbst Top-Torjäger Harry Kane mit Rückenproblemen vom Platz.
FC Bayern: Thomas Tuchel kämpft mit dem Kader
Und Tuchel? Der konnte kaum adäquat reagieren. Ständig musste er in dieser Saison Spieler positionsfremd einsetzen. In Madrid spielte Mazraoui als Rechtsverteidiger auf der linken Seite, Joshua Kimmich verteidigte rechts.
Kimmichs optimale Position wird zwar immer wieder heiß diskutiert, doch gegen einen Spieler wie Vinicius Junior zeigt sich, dass er defensiv auf dieser Position an Grenzen kommt. Er ist eben gelernter Mittelfeldspieler.
Fitness- und Kaderbalanceprobleme, die gegen einen Gegner wie Real Madrid den Unterschied machen. Auf der anderen Seite wechselte Carlo Ancelotti frisches Personal ein, brachte unter anderem Spieler wie Eduardo Camavinga oder Luka Modric. Entschieden wurde die Partie fast schon überraschend von Joselu.
Diese Breite, diese Dynamik konnte Tuchel nie von der Bank bringen. Das spricht ihn nicht frei von Schuld, erklärt aber, warum es Trainer in München derzeit so schwer haben.
Es wäre ein riesiger Fehler, den großen Erfolg in der Champions League und das bittere Ende durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters in den Vordergrund zu rücken. Denn da muss die Aufarbeitung der Saison stehen.
Bayern hat sich selbst in den Duellen mit Arsenal und Madrid bewiesen, dass der Weg nach ganz oben nicht so weit ist, wie es gern mal in dramatischen Verrissen dargestellt wird. Doch man ist auch längst nicht so nah dran, wie man es nach dem Abpfiff im Bernabeu hätte annehmen können.