Nachruf auf Franz Beckenbauer
Tod von Franz Beckenbauer: Eine Lichtgestalt geht, die Legende lebt ewig – ein Nachruf
- Aktualisiert: 14.01.2024
- 13:11 Uhr
- Martin Volkmar
Franz Beckenbauer geht als bester deutscher Fußballspieler und eine der prägendsten Figuren der Bundesrepublik in die Geschichte ein. Ein Nachruf auf den "Kaiser".
Das letzte Mal, dass ich Franz Beckenbauer persönlich getroffen habe, liegt fünfeinhalb Jahre zurück.
Im Mai 2018 erschien er damals erstmals nach zahlreichen gesundheitlichen Rückschlägen wieder in der Öffentlichkeit, stand mit anderen Bayern-Legenden bei der Übergabe der Meisterschale an den Rekordmeister Spalier.
Ich konnte Beckenbauer in den Katakomben der Allianz Arena nur kurz sprechen, sein einstiger Spieler Dieter Hoeneß eskortierte ihn als Bodyguard schnell in die VIP-Räume. Auf die naheliegende Frage, wie es ihm gehe, antwortete der seinerzeit 73-Jährige: "Es geht schon."
Doch dem "Kaiser" war deutlich anzusehen, wie sehr ihn mehrere Eingriffe am Herzen, an der Hüfte und an den Augen mitgenommen hatten. Und danach wurde es nicht besser, im Gegenteil. Der gebürtige Münchner zog sich fast vollständig zurück in seine Wahlheimat Salzburg und gewährte nur noch wenigen Menschen Audienz.
Am Sonntag ist Beckenbauer nun nach langer schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie verstorben. Mit ihm geht der größte Fußballer der deutschen Geschichte und es würde den Rahmen komplett sprengen, wenn man seine Erfolge, Verdienste und Titel einzeln aufzählen wollte.
Franz Beckenbauer: Erfolgreich als Spieler, Trainer und Funktionär
Beckenbauer war eine Jahrhunderterscheinung – als erfolgreicher Sportler, später Trainer und Funktionär auf dem Platz, vor allem aber im persönlichen Umgang. Nicht nur mich hat die Höflichkeit, Geduld und Freundlichkeit des Weltstars im direkten Umgang mit Fans und selbst mit aufdringlichen Jung-Journalisten schwer beeindruckt. Auch in späteren Interviews war er stets höchst professionell, kompetent, charmant und immer für einen Spruch gut.
Beckenbauer blieb nahbar und über Jahrzehnte auch immer greifbar. Nicht nur dem Boulevard lieferte er auf und neben dem Spielfeld regelmäßig gute Geschichten – und über Jahrzehnte meist nur positive. Selbst heftige Kritik konnte er mit seiner nonchalanten Art lange Zeit weglächeln und wurde sogar in der Öffentlichkeit meist noch populärer.
Als im Jahr 2000 bekannt wurde, dass er nach einem Seitensprung mit seiner späteren, dritten Ehefrau Heidrun das vierte Kind bekam, nahm der insgesamt fünffache Vater allen Moralaposteln mit einem lässigen Kommentar den Wind komplett aus den Segeln: "Der liebe Gott freut sich über jedes Kind."
Das Wichtigste in Kürze
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Franz Beckenbauer: Über Jahre der populärste Deutsche
Über Jahre war Beckenbauer der mit Abstand beliebteste und bekannteste Deutsche. Eine Zeit lang hätte der Mehrfach-Weltmeister alle Jobs haben können, bei einer Direktwahl wäre er mit großem Abstand wahrscheinlich auch zum Bundespräsidenten gewählt worden.
Umso tragischer waren die letzten Jahre der einstigen Lichtgestalt, die weitgehend im Schatten abliefen. Es waren nicht nur die massiven gesundheitlichen Probleme, sondern vor allem zwei andere heftige Niederschläge, die vermutlich auch einen großen Anteil am für ihn wenig erfreulichen Lebensende hatten.
Zum einen der Tod seines Sohnes Stephan mit nur 46 Jahren, der 2015 einem Hirntumor erlag. Und zum anderen nahezu zeitgleich natürlich die schweren Vorwürfe der Korruption und Bestechlichkeit bei der Vergabe der Heim-WM 2006. Vermutlich hat Beckenbauer das Geheimnis mit ins Grab genommen, ob an ihn und andere damals Geld geflossen ist, wie viel, von wem und für was.
"Nicht fair wie man mit ihm damals umgegangen ist"
Gleichwohl war sein Ruf in der Öffentlichkeit danach weitgehend ruiniert, wobei viele Attacken auch deutlich übers Ziel hinausschossen. "Das war nicht fair, wie man mit ihm umgegangen ist", hat Ex-Innenminister Otto Schily darüber in der gerade erschienen ARD-Dokumentation über Beckenbauer gesagt: "Es ist sehr nahe an ihn herangegangen."
Und der damalige Außenminister Joschka Fischer meinte zur öffentlichen Demontage des lange gefeierten WM-Organisators: "Die Deutschen wollten die WM, inklusive mir selbst, und wir waren froh, dass wir einen Franz Beckenbauer hatten. Insofern ist es ein Stück weit auch Heuchelei."
Nach dem Sommermärchen, bei dem sich das Land nicht nur sportlich wieder Weltklasse präsentierte, sondern vor allem als offener, toleranter und fröhlicher Gastgeber, war Beckenbauers Popularität auf dem Höhepunkt – und blieb es noch ein knappes Jahrzehnt.
Franz Beckenbauer ist tot: Bilder aus dem Leben des Kaisers
Beckenbauer sorgte als Spieler früh für Aufsehen
Doch schon zu Beginn seiner Karriere als Spieler, die ihn dank einer Ohrfeige eines Gegenspielers von 1860 München nicht wie geplant zu den "Löwen", sondern zu den Bayern gebracht hatte, sorgte Beckenbauer früh für Aufsehen.
Der am 11. September 1945 als Sohn eines Postangestellten im Stadtteil Giesing zur Welt Gekommene war der Dreh- und Angelpunkt für den Aufstieg des FCB von der unterklassigen Nummer zwei der Stadt zum Weltverein, unterstützt natürlich von einer goldenen Generation um Sepp Maier, Gerd Müller, Paul Breitner oder Uli Hoeneß.
Viermal gewann der vermutlich beste Spieler seiner Generation als Mittelfeldspieler und später als Libero den Europapokal, fünfmal die Meisterschaft und viermal den DFB-Pokal. Und die Nationalmannschaft führte der 103-malige Auswahlspieler als Kapitän 1972 zur Europa- und 1974 im eigenen Land zur Weltmeisterschaft, doch schon bei den beiden Kontinentalturnieren zuvor hatte er seine Weltklasse eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Beckenbauer auch als Teamchef Weltklasse
Unmittelbar nach seiner aktiven Laufbahn übernahm Beckenbauer dann das nach dem EM-Vorrundenaus 1984 total am Boden liegende DFB-Team selbst und führte es zurück in die Weltspitze.
Unvergessen bleiben nicht nur der dritte deutsche WM-Triumph 1990 in Italien, sondern auch Beckenbauers gedankenverlorenes Wandeln über den Rasen des Römer Olympiastadions nach dem Abpfiff des Endspiels ebenso wie sein legendärer Spruch danach, dass Deutschland nun dank der Wiedervereinigung "auf Jahre hinaus unschlagbar" sei.
Eine schwere Hypothek für Nachfolger Berti Vogts, aber nur eines der unzähligen Bonmots des "Kaisers", die oft in den allgemeinen Sprachgebrauch übergingen ("Ja ist denn heut' schon Weihnachten?"). Beckenbauer war phasenweise Kult, er konnte zwar nicht auf Wasser gehen, aber zumindest aus einem Weißbierglas die ZDF-Torwand treffen und auch sonst wurde fast alles, was er anpackte, ein Erfolg.
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Beckenbauer trieb Bayern mit Taten und Sprüchen voran
So holte er als Interimscoach die Meisterschaft 1994 und den UEFA-Cup 1996 mit seinem FC Bayern, den er zudem als Präsident und Aufsichtsratsboss zusammen mit seinen Führungskollegen Uli Hoeneß und Karlheinz Rummenigge in den 90ern und Anfang des neuen Jahrtausends sportlich und vor allem wirtschaftlich zu einem der größten und wichtigsten Klubs der Welt machte.
Und wenn es sein musste, trieb er seine Nachfahren auf dem Platz wie Oliver Kahn mit gehässigen Kommentaren wie 2001 von der "Uwe-Seeler-Gedächtnis-Mannschaft" erst zur Weißglut und dann zum Champions-League-Triumph.
Über Jahrzehnte ging es für Beckenbauer nur bergauf und in dieser Zeit prägte er die Bundesrepublik mehr als fast alle anderen Zeitgenossen. Seine übergroßen Verdienste auf und neben dem Platz werden durch die negativen Vorkommnisse in den letzten Jahren sicher geschmälert, seine Lebensleistung bleibt aber einzigartig.
Eine Lichtgestalt ist gegangen, doch eine Legende stirbt nie.