Freie Auswahl für den Bundestrainer
FC Bayern oder der DFB? Julian Nagelsmann ist im Trainerkarussell schon jetzt der große Gewinner
- Aktualisiert: 07.04.2024
- 11:18 Uhr
- Chris Lugert
Julian Nagelsmann kann sich vor Verehrern derzeit kaum retten. Die Bayern baggern am aktuellen Bundestrainer, der DFB will seinen leitenden Angestellten unbedingt behalten. Für ihn ist das eine Luxussituation. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Wer verspürt nicht gerne das Gefühl, interessant zu sein? Zu wissen, dass man Begehrlichkeiten bei anderen weckt und dabei auch noch die Wahl zwischen verschiedenen Verehrern hat, ist ein angenehmer Luxus.
Julian Nagelsmann befindet sich zumindest beruflich in genau dieser Situation. Der Bundestrainer kann sich frei entscheiden, ob er der neuen Liebe langfristig das Vertrauen schenkt oder doch zurück zur Ex geht.
Der DFB will unbedingt mit Nagelsmann über die anstehende EM hinaus verlängern, der 36-Jährige soll das Team bis zur WM 2026 betreuen. "Das wäre unser großer Wunsch", sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler am Mittwoch bei "Sky".
Die beiden gewonnenen Länderspiele jüngst in Frankreich und gegen die Niederlande haben die gegenseitige Überzeugung noch einmal verstärkt, wenngleich Völler betonte, man habe schon zuvor gewusst, dass man an Nagelsmann festhalten wolle.
Und der 63-Jährige weiß genau, mit welchen Vorzügen er locken kann. "Es ist die wichtigste Mannschaft in Deutschland, das hat man bei den beiden Länderspielen gemerkt, als diese Euphorie entstanden ist. Ich glaube, das gefällt ihm", sagte Völler mit Blick auf das Produkt Nationalmannschaft.
Das Wichtigste in Kürze
Doch Nagelsmann weiß um seinen Wert. Nicht zuletzt deshalb, weil auch der FC Bayern plötzlich wieder ganz genau auf die Situation um den Bundestrainer schaut. Die Absage von Xabi Alonso traf den Klub, das betonte Sportvorstand Max Eberl zuletzt deutlich, nicht unvorbereitet. Man habe sogar damit gerechnet und schon länger in andere Richtungen geschaut.
Bayern und Nagelsmann: Trennungsschmerz verflogen?
Nagelsmann dürfte auf dem Trainerzettel von Eberl und Sportdirektor Christoph Freund weit oben stehen, es soll sogar schon Gespräche gegeben haben. Kein Wunder: Er spricht Deutsch, er ist ein Top-Trainer und er kennt den Klub sowie die meisten Spieler. Das Ende der Beziehung im Vorjahr kam plötzlich.
Die Frage ist: Wie groß ist der Trennungsschmerz bei Nagelsmann noch? Inzwischen hat die Ex mit dem Nachfolger Schluss gemacht und auch ihren Freundeskreis, der die Trennung maßgeblich zu verantworten hatte, in den Wind geschossen. Jetzt könnte sie reumütig wieder anklopfen. Aber will Nagelsmann das überhaupt?
So oder so befindet er sich in einer ausgezeichneten Situation, und zwar nicht nur bei der Frage nach dem Gehalt und der Möglichkeit, den Preis hochtreiben zu können. Sowohl der DFB als auch die Bayern werden Nagelsmann noch andere Argumente liefern müssen. Das bedeutet auch: absolute Gestaltungsfreiheit und eine gewisse Macht.
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Nagelsmann will sich nicht hineinreden lassen und verfolgt eine Idee, die er für richtig hält, durchaus auch mit besonderem Nachdruck. Das bewies er auch zuletzt vor den Länderspielen.
Nagelsmann in guter Position
Der Kader wurde radikal umgekrempelt, eine neue Hierarchie wurde geschaffen. Gestandene Spieler bekamen von Nagelsmann ihren Nimbus der Unantastbarkeit entzogen. Der Erfolg gab ihm recht, eine neue EM-Euphorie wurde geweckt.
Als Bundestrainer kann er derartige Entscheidungen noch konsequenter treffen als im Verein. Bei den Bayern sind Kaderplanung und Transfers eine Frage der sportlichen Leitung, viel Mitspracherecht hätte er nicht zu erwarten - Stand jetzt. Doch dieses könnte er sich in Verhandlungen sichern, sollten den Bayern die Alternativen ausgehen.
Auch der DFB dürfte bereit sein, Nagelsmann weit entgegenzukommen. Aktuell bietet sich kein Nachfolger an, sollte er nach der EM aufhören. Es wäre für den Verband eine herbe Enttäuschung, den gerade begonnen Neuaufbau sofort wieder unterbrechen und auf andere Gleise stellen zu müssen.
Während der DFB und die Bayern um die Gunst ihres Auserwählten buhlen, kann sich Nagelsmann entspannt zurücklehnen und schauen, welche Beziehung für ihn die vielversprechendste für die Zukunft ist. Wer hätte nicht gerne dieses Gefühl?
Ganz klar: Nagelsmann ist auf dem sich wild drehenden Trainerkarussell schon jetzt der große Gewinner.
Er muss sich eigentlich nur noch richtig entscheiden.