CTE in der NFL: Die unentdeckte Krankheit
CTE in der NFL: Die unentdeckte Krankheit
Demaryius Thomas litt zum Zeitpunkt seines Todes im Dezember 2021 an den Spätfolgen einer CTE-Erkrankung. Der ehemalige Wide Receiver der Denver Broncos ist nicht der erste Fall. ran mit einem Überblick.
Typische Symptome
Eine Untersuchung der Boston University bestätigte CTE bei Thomas. Laut Aussagen von Familienmitgliedern zeigten sich bei Thomas die typischen Symptome einer CTE-Erkrankung. Dazu gehören Gedächtnisverlust, Paranoia und anderes unberechenbares Verhalten. Neben den üblichen Erscheinungen litt er zudem an Krampfanfällen, die er seit einem Autounfall im Jahr 2019 bekam. Die Familie ist bis heute der Meinung, dass ein solcher Anfall zum Tod von Demaryius Thomas geführt habe. Thomas ist der letzte Spieler, bei dem CTE diagnostiziert wurde. Den ersten öffentlichkeitswirksamen Fall gab es bereits vor 20 Jahren.
Der unbekannte Superstar
Dr. Bennet Omalu hatte keine Ahnung, wen er da 2002 auf seinem Untersuchungstisch hatte. Der Gerichtsmediziner interessierte sich nicht für die NFL und hatte daher keinen Schimmer, dass er Mike Webster, eine echte Steelers-Legende, untersuchte. Es sollte der erste prominente Fall von chronisch traumatischer Enzephalopathie (CTE) sein.
Verfilmt für Hollywood
Webster war Center der Pittsburgh Steelers. Quarterback-Bodyguard, eisenhart, nicht umsonst lautete sein Spitzname "Iron Mike". 17 Jahre lang spielte er in der NFL, ehe er 1990 aufhörte und bei seinem Tod 2002 im Alter von 50 Jahren an Demenz, Depressionen und Gedächtnisschwund litt. Der Fall um Omalu und Webster ist vor ein paar Jahren mit Will Smith in der Hauptrolle verfilmt worden ("Concussion").
Der berühmteste Fall
Der wohl berühmteste Fall war Aaron Hernandez, der Tight End der New England Patriots, der 2013 wegen Mordes verhaftet, 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und sich 2017 im Gefängnis selbst tötete. Anschließend wurde bei ihm CTE der zweithöchsten Stufe festgestellt. "Individuen mit ähnlichen Autopsiebefunden waren zum Todeszeitpunkt mindestens 46 Jahre alt", sagte Dr. Ann McKee, Direktorin des CTE-Centers der Boston University, die das Gehirn des NFL-Stars untersuchte. Zum Zeitpunkt seines Todes war Hernandez erst 27.
Klage gegen die NFL
Bereits 2012 hatte der frühere Linebacker Junior Seau Selbstmord begangen, auch er litt an der degenerativen Hirnkrankheit. 2018 kam es in der Klage von Witwe Gina Seau gegen die NFL zu einem Vergleich. Die Familie warf der Liga vor, nicht ausreichend auf das Risiko wiederholter Kopfverletzungen hingewiesen zu haben.
Adams wird zum Amokläufer
Ein weiterer tragischer Fall: Der ehemalige NFL-Spieler Phillip Adams erschoss im April 2021 sechs Menschen und richtete sich danach selbst. Nach dem Amoklauf sagte sein Vater im Gespräch mit einem lokalen Fernsehsender, dass Football seinen Sohn "verkorkst" habe. Adams' Karriere war von vielen Verletzungen geprägt, darunter Gehirnerschütterungen. CTE kann nach wiederholten Kopftraumata entstehen, die Symptome reichen von Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zu Verhaltensänderungen und Aggressionen.
Schnell und heftig verändert
Wie bei Adams, der laut seiner Familie Gedächtnisprobleme gehabt habe, paranoid geworden sei, unter starken Schmerzen und Schlaflosigkeit gelitten habe. "Seine geistige Gesundheit hat sich in den letzten Jahren wahnsinnig schnell und heftig verschlechtert", sagte Schwester Lauren Adams.
Diagnose gibt es erst posthum
Das Problem: CTE kann erst posthum diagnostiziert werden. Bei einer Studie aus dem Jahr 2017, die im "Journal of the American Medical Association" veröffentlicht wurde, wurde CTE in 99 Prozent der Gehirne von 111 ehemaligen NFL-Spielern nachgewiesen. Inzwischen sind es über 300 Spieler.
Viele aktuelle Spieler mit CTE?
Der ehemalige Wide Receiver Dez Bryant glaubt daher, dass "viele" aktuelle und ehemalige NFL-Spieler "mit CTE leben". Dez Bryant schreibt zum Tod von Demaryius Thomas auf Instagram: "DT88, mein Herz ist schwach, Bro. Es sind viele von uns, die mit CTE leben und die NFL weiß es. Und noch wichtiger ist, dass die Athleten, die diese Symptome haben, Angst haben, darüber zu sprechen. Für mich ist eine Sache klar: Ich werde kein falsches Leben leben. Meine Liebe und Unterstützung für Athleten sind auf einer viel tieferen Ebene als alles andere."
Immer mehr Maßnahmen
Die NFL trifft seit Jahren immer mehr Maßnahmen, um die Köpfe der Spieler zu schützen. So gibt es das Concussion Protocol. Spieler, die dieses durchlaufen, kehren im Normalfall nicht mehr so schnell auf das Spielfeld zurück. Daneben sind Helm-auf-Helm-Tackles verboten. Im Stadion achtet medizinisches Personal auf mögliche Kopfverletzungen. Für die Liga geht es dabei nicht nur um die Gesundheit der Spieler, sondern auch um Geld. Rund 800 Millionen Dollar hatte die NFL 2017 an CTE-Leidtragende gezahlt.