Pittsburgh Steelers
Chase Claypool: Angetrieben vom Selbstmord der Schwester
- Aktualisiert: 12.10.2020
- 18:00 Uhr
- ran.de / Oliver Jensen
Rookie Chase Claypool von den Pittsburgh Steelers hat mit vier Touchdowns in einem Spiel Historisches geleistet. Dass der Kanadier es überhaupt in die NFL geschafft hat, hängt zum Teil mit einem familiären Schicksalsschlag zusammen.
München/Pittsburgh - Mike Tomlin rieb sich etwas verwundert die Augen. "Claypool hatte offenbar ein großes Spiel", sagte der Head Coach der Pittsburgh Steelers nach dem 38:29 gegen die Philadelphia Eagles.
Die Wahrheit ist: Der 22-Jährige hat in seinem vierten NFL-Spiel bereits Geschichte geschrieben. Mit vier Touchdowns und 24 Punkten in einem Spiel stellte der Wide Receiver gleich zwei Franchise-Rekorde auf.
Damit nicht genug: Chase Claypool ist erst der vierte Rookie seit dem NFL-Zusammenschluss im Jahre 1970, der in einem Spiel auf mindestens zwei Receiving-Touchdowns und zudem einen Rushing-Touchdown kam.
Lob von Roethlisberger
Quarterback Ben Roethlisberger war hin und weg: "Er hat einige von Gott gegebene Fähigkeiten, die nicht viele Menschen auf dieser Welt haben. Er ist groß, schnell, stark und sehr, sehr klug."
Der 1,93 Meter große Passempfänger schien von seiner Ausbeute selbst überwältigt zu sein. "So etwas lässt sich nicht vorhersagen. Es war einfach fantastisch", sagte Claypool.
Nur eines bedauert er in solchen Momenten: Das seine Familie aus Kanada aufgrund der Corona-Pandemie nicht dabei sein kann. "Es ist hart, dass sie wohl dieses Jahr kein einziges Spiel im Stadion erleben werden", sagte er.
Würde seine Familie in die USA reisen, müssten sie danach nämlich für zwei Wochen in Quarantäne.
Eine Botschaft an die verstorbene Schwester
Welch große Bedeutung die Familie für ihn hat, verrät allein schon ein Blick auf seinen rechten Oberarm. Darauf tätowiert ist folgende Botschaft: "Tausend Worte bringen dich nicht zurück. Ich weiß es, weil ich es versucht habe. Tausend Tränen bringen dich nicht zurück. Ich weiß es, weil ich geweint habe. Bis wir uns wiedersehen."
Dieser Spruch gilt seiner großen Schwester. 13 Jahre war Chase alt, als seine Mutter ihn eines morgens weckte und die schlimme Nachricht überbrachte: Seine große Schwester Ashley, damals 17 Jahre alt, hatte sich das Leben genommen.
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"Als meine Mutter mir das sagte, dachte ich, ich würde noch träumen", erzählt er rückblickend. "Das ist eine Situation, auf die man sich nicht vorbereiten kann."
Es dauerte einige Jahre, bis er den Verlust verarbeitet hatte:."Zuerst willst du alle anderen Leute von dir wegschieben und die Welt meiden. Aber je älter ich wurde, desto reifer wurde ich auch. Anfangs war es schwierig. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Das hat mir für den weiteren Lebensweg geholfen", so Claypool.
In ihm wuchs der Entschluss, seine Zukunft in die Hand zu nehmen. "Ich wollte sie stolz machen", sagt er im Bezug auf seine verstorbene Schwester.
Claypool stellte seine High-School-Highlights zusammen und veröffentlichte diese auf Facebook. Mit Erfolg: Er gewann das Interesse des Trainerstabs von Notre Dame, wurde zu einem Probetraining eingeladen und bekam ein Stipendium.
Von 2016 bis 2019 spielte er für die Notre Dame Fighting Irish. In seiner letzten Spielzeit verbuchte er 66 gefangenen Pässen, 1037 Receiving-Yards und 13 Touchdowns.
In der 2. Runde gepickt
Beim diesjährigen NFL Draft, der außergewöhnlich viele begabte Wide Receiver aufbot, wurde Claypool von den Steelers in der 2. Runde an Position 49 ausgewählt. Aufgrund der Pandemie fielen die üblichen Minicamps flach, sodass sich die Eingewöhnung zunächst auf virtuelle Meetings beschränkte.
Die übrigen Wide Receiver halfen ihm dabei, wie Claypool erzählt: "Wir hatten einen Gruppenchat, sodass ich mich mit allen austauschen konnte. Ich habe mich hier wirklich willkommen gefühlt, weil alle Receiver mir Ratschläge gegeben und ihre Tricks verraten haben."
Dies hat offenbar gut funktioniert: Nach vier Spielen hat der Rookie bereits 261 Receving-Yards und insgesamt fünf Touchdowns auf der Habenseite.
Tomlin wirkt Hype entgegen: "Er hatte einfach ein gutes Matchup"
Ist Claypool nun der nächste große Superstar der Pittsburgh Steelers?
Trainer Tomlin versucht, einem möglichen Hype entgegenzuwirken. "Wenn wir ehrlich sind, hat vermutlich vieles nicht einmal mit ihm und seinen Fähigkeiten zu tun", sagte der Head Coach in Anspielung auf die vier Touchdowns.
"Wir haben einfach gerade einen ausgewogenen Angriff. Wir haben Leute, die der Gegner im Auge behalten muss, Leute wie JuJu Smith-Schuster, wie Diontae Johnson oder Eric Ebron."
Was er damit sagen will: Weil der Gegner die besten Verteidiger auf die genannten Spieler abgestellt hat, konnte Claypool gegen schwächere Gegenspieler groß aufspielen. Tomlin sagt: "Ich glaube, er hatte einfach ein gutes Matchup."
Dies könnte sich nach seinem historischen Spiel ändern.
Oliver Jensen
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