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NFL - Denver Broncos nach Russell Wilson: Es bleibt ein Scherbenhaufen
- Aktualisiert: 08.03.2024
- 09:21 Uhr
- Martin Jahns
Die Denver Broncos haben mit Russell Wilson alles auf eine Karte gesetzt – und verloren. Die bittere Konsequenz: Mit Rekord-Dead-Cap und mauen Draft-Aussichten fängt die schwerste Zeit gerade erst an.
Russell Wilson ist in Denver Geschichte. Die Probleme sind geblieben. Und sie sind größer denn je.
Mit der Entlassung des 35 Jahre alten Quarterbacks haben die Broncos die Trennung vollzogen, die sich spätestens seit seiner Degradierung auf die Bank an den letzten beiden Spieltagen der vergangenen Regular Season angedeutet hatte.
Auch Wilson konnte wie all seine Vorgänger nicht die Lücke schließen, die Peyton Manning nach seinem Karriereende nach der Saison 2015 hinterließ.
Was Wilson jedoch von den Trevor Siemians, Brock Osweilers oder Drew Locks zuvor unterscheidet: das Ausmaß des Scheiterns und seine Folgen.
Das Wichtigste in Kürze
85 Millionen Dollar Dead Cap als Hypothek für die Zukunft
Mit Wilsons Entlassung belasten wahnwitzige 85 Millionen Dollar Dead Cap die Broncos in der kommenden Saison und in der Spielzeit 2025. NFL-Negativ-Rekord für einen einzelnen Spieler! Für die kommende Saison ist ein massiver Cap Hit von 35,4 Millionen Dollar zu erwarten. 2025 wären es dann sogar 49,6 Millionen Dollar.
Wegen einer Ausgleichsklausel droht wohl selbst dann ein zweistelliger Millionenbetrag Dead Cap, wenn Wilson ein neues Team findet.
Der "Taylor-Swift-Bonus", über den sich die NFL-Teams beim ligaweit angehobenen Cap Space zur neuen Saison freuen können, verpufft bei den Broncos.
Dabei drückt gerade beim Gehaltsbudget der Schuh: Laut "Spotrac" liegen die Broncos noch immer mehr als 19 Millionen Dollar über dem für 2024 genehmigten Cap Space. Nur die Buffalo Bills müssen noch mehr Budget freiräumen. Der Unterschied: Die Bills haben schon ein Playoff-Team. Und einen Franchise-Quarterback.
Die Broncos hingegen müssen ihr Team nun noch weiter ausdünnen und stehen bei der Quarterback-Suche wieder bei Null.
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Free Agency: Keine Langzeitlösung in Sicht
Kandidaten für Vertragsumstrukturierungen oder eine Trennung wären beispielsweise Wide Receiver Tim Patrick, Defensive Lineman D.J. Jones, Offensive Tackle Garett Bolles oder Cornerback und Special Teamer Tremon Smith.
Und dann wäre da noch Jarrett Stidham. Der 27-Jährige ist nach Wilsons Abgang aktuelle Nummer eins auf der Quarterback-Position. Mit vier Einsätzen von Beginn an in fünf NFL-Jahren, insgesamt acht Touchdowns und ebenso vielen Interceptions spricht jedoch mehr für eine Trennung als eine Zukunft bei den Broncos. Immerhin fünf Millionen Dollar Einsparpotenzial würde eine Trennung von Stidham bedeuten.
Die aktuelle etatmäßige Nummer zwei, Ben DiNucci, hat Denver erst im Januar via Reserve/Future-Vertrag für die Saison gebunden. Der ebenfalls 27 Jahre alte DiNucci kostet die Broncos also verhältnismäßig wenig.
Mit erst einem NFL-Start im Jahr 2020 und seitdem lediglich XFL-Spielerfahrung dürfte DiNucci aber keine ernsthafte Rolle in der Quarterback-Planung spielen. Zumal Head Coach Sean Payton beim Combine bereits ankündigte, auf die Suche nach einem neuen Quarterback zu gehen: "Das sollten wir besser."
Erste Chance bei der Quarterback-Suche: Die in der kommenden Woche beginnende Free Agency. Doch auch wenn Wilson nie die Erwartungen erfüllen konnte, dürfte es schwierig werden, dort gleichwertigen und zugleich für die Broncos bezahlbaren Ersatz zu finden. Kirk Cousins wäre ein weiterer finanzieller Kraftakt. Baker Mayfield überzeugte vergangene Saison bei den Tampa Bay Buccaneers. Entsprechend dringend wollen die Bucs ihn halten.
Jacoby Brissett konnte sich bislang nicht als Franchise Quarterback in der NFL durchsetzen. Ryan Tannehill war bei den Tennessee Titans eher Anhängsel des starken Laufspiels und ist mit 35 Jahren auch keine zukunftsträchtige Lösung.
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Draft-Aussichten: Jeder Pick muss sitzen
Bliebe der Draft als letzte Quarterback-Hoffnung. Doch auch hier wurde der Wilson-Trade zuletzt zum Bumerang für die Broncos: Zwei Erstrunden-Picks, zwei Zweitrunden-Picks und einen Fünftrunden-Pick hatte Denver 2021 für die Wilson-Verpflichtung abgegeben. So kamen die Broncos in den vergangenen vier Drafts nur insgesamt drei Mal bei den Top-45-Picks zum Zug. Nicht zuletzt wegen dieses Verzichts auf Rookies und der verhältnismäßig günstigen Verträge steht Denver nun mit dem Rücken zur Wand.
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Und auch für den Draft 2024 sind die Aussichten trübe: In der ersten Runde ist Denver an zwölfter Stelle an der Reihe. Dann dürften die größten Quarterback-Talente Caleb Williams, Drake Maye und Jayden Daniels längst vom Markt sein. Immerhin: Mit Michigans Quarterback J.J. McCarthy hat sich Sean Payton im Rahmen des Combines getroffen. Doch selbst für ihn könnte ein Trade vonnöten sein.
Weil der diesjährige Zweitrunden-Pick der Broncos an die New Orleans Saints gewandert ist, sind die Broncos danach erst wieder in Runde drei an insgesamt 76. Stelle dran. Wenn bei den Broncos nicht jeder Pick sitzt, verspricht der Draft eher ein laues Lüftchen statt frischen Wind fürs Team.
Trost in Russell Wilsons Abschieds-Message
Dabei schrieben die Broncos in ihrem offiziellen Statement zur Wilson-Entlassung noch: "Wir freuen uns darauf, uns in dieser Offseason zu verbessern und haben die Flexibilität, uns durch Draft und Free Agency weiter zu verstärken."
Der Einsparzwang, mäßige Draft-Positionen und die unzähligen gescheiterten Neuanfänge der vergangenen Jahre stehen dem entgegen. Dabei wäre Verstärkung in einer Division mit den Kansas City Chiefs um den unersättlichen Patrick Mahomes dringend nötig.
Trost können die Broncos-Fans ausgerechnet aus Wilsons Abschiedsnachricht ziehen. "Harte Zeiten sind nicht von Dauer", schrieb er da. Gedulden muss man sich in Denver nach acht Playoff-losen Jahren vermutlich trotzdem weiterhin.