Jede Menge junges Talent
Green Bay Packers in den NFL-Playoffs: Der Beginn einer Dynastie?
- Aktualisiert: 08.01.2024
- 16:46 Uhr
- Chris Lugert
Die Green Bay Packers stehen in Jahr eins nach Aaron Rodgers in den Playoffs. Dabei verfügt das Team kaum über Starspieler, das Talent aber ist enorm. Und könnte zu einer neuen Dynastie rund um das Lambeau Field führen.
Von Chris Lugert
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, als die Green Bay Packers die Playoff-Teilnahme der Saison 2022 leichtfertig wegwarfen.
Ein einfacher Sieg in Woche 18 gegen die Detroit Lions hätte gereicht, doch das Spiel ging verloren. Die Postseason wurde verpasst, der langjährige Quarterback und Erfolgsgarant Aaron Rodgers war einige Wochen später weg - und die Packers standen vor einem großen Haufen Fragezeichen.
Jetzt, zu Beginn des Jahres 2024, steht die Franchise besser da, als es wohl der größte Optimist erwartet hätte. Denn nach einem Sieg gegen die Chicago Bears nehmen die Packers an den Playoffs teil - und das mit dem jüngsten Team, das es jemals in die Finalrunde geschafft hat.
Gerade einmal 25,3 Jahre ist der Kader von Green Bay im Schnitt alt, überdurchschnittlich viele Rookies stehen aktuell im 53er-Kader von Head Coach Matt LaFleur. Und genau dieser Fakt ist es, der die Packers-Fans mittelfristig vom ganz großen Coup träumen lassen darf.
ran wirft einen genaueren Blick auf die Situation rund um das Lambeau Field und erklärt, warum die Packers die nächste große Dynastie der NFL werden könnten.
Der Quarterback: Jordan Love ist die Lösung
Bereits 2020 hatten die Packers Jordan Love gedraftet, um sich auf die Zeit nach Rodgers vorzubereiten. Wirklich begeistert war der Superstar zunächst nicht davon, doch beide arbeiteten danach drei Jahre gut zusammen.
Unter der Anleitung des viermaligen MVPs konnte Love im Hintergrund in aller Ruhe lernen, statt bei einem unterdurchschnittlichen Team von Tag eins an spielen zu müssen und verbrannt zu werden. Und das trägt jetzt Früchte.
Das Wichtigste zur NFL
Es gab nicht wenige Zweifler, die dem inzwischen 25-Jährigen die Nachfolge von Rodgers nicht zutrauten. Doch die Packers bekannten sich frühzeitig nach dem Rodgers-Trade zu den New York Jets zu Love - wenn auch mit einem Hintertürchen.
Denn als im Vorfeld der Saison die Entscheidung pro oder contra Love anstand, ging es auch um die Fifth-Year-Option im Rookie-Vertrag des Spielmachers. Diese zogen die Packers nicht, sondern handelten stattdessen einen neuen Vertrag aus.
Dieser hätte es den Packers nach der Saison 2023 erlaubt, sich günstiger von Love zu trennen, falls dieser nicht einschlägt. Hätten sie gar keinen neuen Vertrag ausgehandelt, würde Love jetzt Free Agent werden - und vermutlich deutlich teurer.
Denn Love hat bewiesen, dass er NFL-Kaliber besitzt. Die Nummer 10 der Packers spielte eine beeindruckende Saison, warf für 4.159 Yards, 32 Touchdowns und nur elf Interceptions.
Nahezu in allen statistischen Werten bewegte sich Love unter den besten Quarterbacks der Liga. Sein durchschnittliches Passer Rating von 96,1 ist höher als bei Patrick Mahomes (92,6), Matthew Stafford (92,5) oder Josh Allen (92,2).
Love hatte durchaus Probleme in der laufenden Saison. Zwischen Ende September und Ende Oktober verlor Green Bay vier Spiele in Folge. In diesen vier Spielen warf er vier Touchdowns und satte sieben Interceptions, vor allem seine Leistung bei der 13:17-Niederlage in Las Vegas bei den Raiders war erschreckend.
Doch die Packers stärkten ihm demonstrativ den Rücken, statt ihn mit vielsagenden Kommentaren weiter zu verunsichern. "Je besser alle um ihm herum sind, desto besser wird er aussehen", sagte LaFleur im Oktober und betonte: "Unser Vertrauen in ihn schwankt kein bisschen."
Und Love zahlte das Vertrauen zurück. Von den zehn Saisonspielen ab November wurden nur noch drei verloren. Besonders beeindruckend: In elf der 13 letzten Spielen lag sein Passer Rating bei über 100. Seine letzte Interception datiert vom 12. Dezember.
Egal, was nun in den Playoffs folgt: Love scheint die langfristige Quarterback-Lösung für Green Bay zu sein. Vor allem im Verbund mit LaFleur.
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Der Head Coach: Matt LaFleur macht alle besser
Was uns zum zweiten wichtigen Faktor des wundersamen Packers-Aufstiegs bringt. Denn mit LaFleur hat Green Bay einen der besten offensiven Head Coaches der Liga in seinen Reihen.
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2019 war der heute 44-Jährige von den Tennessee Titans gekommen und führte die Packers in den ersten drei Jahren jeweils in die Playoffs. LaFleur reiht sich ein in die Riege junger, talentierter Erfolgscoaches wie Sean McVay oder Kyle Shanahan.
Das Erbe, das LaFleur in Green Bay antreten musste, war kein einfaches. Er folgte auf Erfolgstrainer Mike McCarthy, der die Packers zwischen 2006 und 2018 zu einem Topteam und Rodgers zu einem der besten Quarterbacks der NFL-Historie geformt hatte.
Nach einem insgesamt vergifteten letzten Rodgers-Jahr 2022 wirkte LaFleur in dieser Saison wie befreit und hoch motiviert, dieses neue Packers-Projekt zu gestalten.
"Ich bin es leid, über letztes Jahr zu sprechen", sagte LaFleur jüngst deutlich. Sein Blick richtet sich nur nach vorne - mit einer Mannschaft, der er absolutes Vertrauen schenkt und die ihrem Coach folgt.
"Ich versuche wirklich und wahrhaftig, einen Tag nach dem anderen zu nehmen und Wege zu finden, um diese Jungs dazu zu bringen, besser zu werden. Großes Kompliment an die Jungs. Sie müssen sich auf nichts einlassen, was sie nicht wollen. Es ist eine eng zusammengeschweißte Gruppe", sagte er.
Tatsächlich hat sich - zumindest offensiv - fast jeder junge Spieler im Laufe der Saison massiv gesteigert. Das geht direkt auf die Arbeit von LaFleur zurück. Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch lange nicht erreicht.
Der Kader: Potenzial und Talent ohne Ende
Denn nahezu jeder Spieler in dieser Offense hat noch Luft nach oben. Die Leistungen von Quarterback Love sind umso beeindruckender, wenn man sich vor Augen führt, wen er als Anspielstationen zur Verfügung hat.
Während bei den Kansas City Chiefs eine Seifenoper über die Qualität der Passempfänger ausgetragen wird, holt Love aus ähnlich bescheidenen Mitteln in Green Bay richtig viel heraus.
Aktuell stehen sechs Wide Receiver im 53er-Kader der Packers, kein einziger (!) wurde vor 2022 gedraftet. Die Gruppe ist gespickt mit großem Talent, aber es mangelt komplett an Erfahrung.
Ein Superstar und Ankerspieler, wie ihn Rodgers über Jahre mit Davante Adams hatte, fehlt Love aktuell noch. Und gerade, als sich Christian Watson zuletzt anschickte, dieser zu werden, fiel er wochenlang verletzt aus.
Entsprechend normal sind Schwankungen in der Offensive, die Führungsspieler müssen sich erst noch finden. Die jungen Receiver sind rein von ihrem Talent in jedem Spiel zu großen Dingen fähig, machen aber auch Fehler, die bei unerfahrenen Spielern erwartbar sind.
Nicht auszudenken aber, wenn diese Receiver in den kommenden Jahren stabiler und konstanter werden. Durch ihre Rookie-Verträge sind sie alle auf Jahre hin noch günstig und belasten den Salary Cap kaum.
Ob Watson, Romeo Doubs, Jayden Reed oder Dontayvion Wicks - hier bahnt sich ein mehrköpfiges Monster an, das von Love gefüttert und dann auf die gegnerischen Defensiven losgelassen wird.
Der Cap Space: Rodgers ist aus den Büchern raus
In der Saison 2023 stand Rodgers nach seinem Trade noch mit einem Dead Cap von gut 40 Millionen Dollar in den Büchern der Packers, doch diese Altlast ist mit Beginn der neuen Saison beseitigt.
Nach aktuellem Stand hat Green Bay einen Cap Space von zehn Millionen Dollar. Im Ligavergleich bewegen sich die Packers damit zwar im unteren Bereich, allerdings stehen sie damit nicht unter Druck, negativen Cap Space irgendwie loswerden zu müssen.
Mit Abstand größte Last für den Salary Cap ist aktuell Offensive Tackle David Bakhtiari, der allerdings seit Jahren mehr durch schwere Verletzungen als durch Leistungen auf dem Platz auffällt. In den vergangenen drei Jahren spiele er insgesamt nur 13 Spiele.
Eine Entlassung von Bakhtiari würde den Packers einen Dead Cap von 19 Millionen Dollar bescheren - bei einem prognostizierten Cap Hit von 40 Millionen Dollar für die Saison 2024 ist das womöglich eine Überlegung wert.
Aber auch so verschafft die aktuelle Cap-Situation den Packers Spielraum, um den Kader mit erfahreneren Spielern in der Offseason zu ergänzen. Denn so talentiert die aktuelle Mannschaft auch ist, zusätzliche Erfahrung gerade auf Skill-Positionen wäre ein hohes Gut.
Während die Konkurrenz also zum Teil entscheiden muss, welche Spieler sie behalten können, um den Salary Cap zu erfüllen, haben die Packers nahezu freie Hand, um zusätzliche Verstärkungen zu holen.
Die Defense: Das große Fragezeichen
So vielversprechend die Situation der Offense der Packers auf die nächsten Jahre aussieht, so groß sind die Fragezeichen bei der Defense.
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Die Rushing Defense gehörte in der abgelaufenen Regular Season zu den schlechtesten der Liga, Big Plays waren eher eine Seltenheit. Rudy Ford etwa führte seine Mannschaft bei Interceptions mit ganzen zwei (!) Stück an. Zum Vergleich: DaRon Bland von den Dallas Cowboys sammelte mit neun Interceptions die meisten der Liga.
Insgesamt gehörte die Defense der Packers nicht zu den fleißigsten, wenn es um das Erobern von Bällen ging. Nur 18 Turnover forcierten sie, nur sechs Teams kamen auf noch weniger.
Da die Offense ihrerseits aber auch lediglich 18 Bälle herschenkte (nur fünf Teams machten weniger Fehler), fiel diese defensive Harmlosigkeit nicht stark ins Gewicht. Angesichts der Vorschusslorbeeren, mit denen die Defense seit Jahren überschüttet wird, kam zuletzt aber konstant zu wenig dabei herum.
In der ersten Playoff-Runde bietet sich am Sonntag (22:30 Uhr MEZ, im Liveticker) nun jedoch die große Gelegenheit, es den Kritikern zu zeigen. In der Wild Card Round sind die Packers zu Gast bei der Highscoring-Offensive der Dallas Cowboys. Hält die Defense hier stand, sind alle Schwächen der regulären Saison vergessen.
Es wäre der nächste Beweis, dass eine Dynastie der Packers bevorstehen könnte. Die Vorzeichen jedenfalls könnten kaum besser sein.