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Jakob Johnson im exklusiven ran-Interview über ein NFL-Team in Europa: "Gab schon verrücktere Sachen"
- Aktualisiert: 04.10.2023
- 14:22 Uhr
Über die Stuttgart Scorpions aus der GFL fand der gebürtige Stuttgarter den Weg ins International Pathway Program der NFL. Mittlerweile hat er einen festen Vertrag bei den Las Vegas Raiders. Im Interview mit ran spricht er über seinen speziellen Weg in die NFL.
ran: Wenn es um das International Pathway Program der NFL geht, werden Sie oft als eines der Positiv-Beispiele genannt, auch in aktuellen Pressemitteilungen der Liga. Sind Sie stolz, immer noch damit in Verbindung gebracht zu werden?
Jakob Johnson: Ja klar. Das Programm wird jedes Jahr größer und gibt neuen Talenten die Chance. Da geht es nicht nur um die Leute wie Efe (Obada; Anm. d. Red.), Jordan (Mailata; Amn. d. Red.) oder mich, sondern auch um die Jungs, die in ihre Heimatvereine zurückgekehrt sind und dort gute Botschafter für den Football sind.
ran: Sehen Sie sich in der Hinsicht selbst als Vorbild für junge deutschsprachige bzw. europäische Football-Spieler, die einen ähnlichen Weg anstreben? Suchen Talente hier womöglich sogar Kontakt zu Ihnen?
Johnson: Ich sehe mich selbst nicht als Vorbild. Dafür war mein Weg zu speziell und es waren Erfahrungen dabei, die ich nicht jedem wünschen würde. Es kommt trotzdem hin und wieder vor, dass sich Jungs bei mir melden. Das sind Spieler, die vor ihrem Wechsel ans College stehen, in der ELF zocken oder auf dem Sprung ins Pathway Program sind. Da schau ich einfach, dass ich den Jungs was mitgeben kann. Ich versuche meiner Verantwortung gerecht zu werden, die ich besitze, da ich diesen Weg gegangen bin.
ran: Wie war das damals für Sie, als Sie die Nachricht bekommen haben, für das IPP ausgewählt worden zu sein? Realisiert man da direkt, was das bedeutet?
Johnson: Im Vornherein ist es immer schwer abzuschätzen, was so eine Entscheidung mit einem macht. Allein die Entscheidung, mit Football anzufangen, hat mein Leben auf eine andere Bahn gebracht. Das habe ich sicher nicht erwartet. Beim Pathway Program erwartet man, vielleicht ein oder zwei Jahre irgendwo mitzumachen. Es ist schon was anderes dann, wenn daraus eine richtige Karriere wird. Im Nachhinein gewinnt der Moment, dafür ausgewählt worden zu sein, natürlich deutlich mehr an Bedeutung.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Wenn Sie die Zeit im IPP mit ihrer aktuellen Situation als fester Bestandteil in einem NFL-Roster vergleichen, merken Sie hier in der Herangehensweise Unterschiede? Wird man da von den Team-Mitgliedern anders behandelt?
Johnson: Wie man wahrgenommen wird, ändert sich mit jedem Jahr, das man dabei ist. Persönlich verändert man sich nicht wirklich. Am Ende kommt es auf die Erfahrung und den Respekt an, den man sich über die Jahre mit der Art und Weise, wie man spielt, verdient. Der Weg dorthin ist für jeden unterschiedlich, aber am Ende des Tages wird man je länger man dabei ist auch mehr respektiert. Ich bin da gerade irgendwo im Mittelfeld. Ich kann es selbst noch nicht glauben, dass ich zu einem der erfahreneren Spielern gehöre.
ran: Wie hat sich der Football in Europa in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach weiterentwickelt?
Johnson: Positiv. Die ELF war für mich nochmal ein großer Faktor, der viel verändert und vorangetrieben hat. Davor waren die Dinge etwas festgefahren. Gute Jugendarbeit wurde in Deutschland schon immer geleistet, aber was die lokale Begeisterung für den Sport angeht, war immer viel Luft nach oben. Wenn man sich das ELF Championship Game anschaut, das war ein riesiges Football-Event. Der NFL-Hype ist eine Sache und ich hoffe auch, dass dieser weiter zunimmt, aber für die Kids, die diesen Hype leben, ist es wichtig, dass auch in Europa guter Football gespielt wird. Es muss möglich sein, dass auch hier mit diesem Sport Geld verdient werden kann – und da sind wir auf dem richtigen Weg.
ran: Erhöht die ELF die Chance für europäische Talente, sich für ins Schaufenster für die NFL zu stellen?
Johnson: Da sind wir wahrscheinlich noch ein paar Jahre weg. Für das Pathway Program kann man sich auf jeden Fall gut präsentieren, aber auch für die CFL (Canadian Football League, Amn. d. Red), XFL oder USFL. Wichtiger als Sprungbrett ist die ELF aber als Zukunftschance für Talente, die es nicht in die NFL schaffen. Der Platz dort ist begrenzt und auch die amerikanischen Talente haben es sehr schwer. Footballer in Europa haben ein Recht darauf, mit diesem Sport ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nur so hält man Talente im Sport. Ich habe es selbst miterlebt, dass Spieler, die mehr talentiert waren als ich in meiner Jugendzeit, sich für andere Sportarten entschieden haben, weil dort mehr Geld zur Verfügung stand.
ran: Der Football-Boom in Deutschland hat dafür gesorgt, dass die NFL in diesem Jahr gleich fünf Spiele auf dem europäischen Kontinent absolviert. Wie verfolgen Sie diese Entwicklung mit immer mehr International Games?
Johnson: Ich kann es daran erkennen, wie viele Leute mich nach Tickets fragen (lacht). Die Bewegung nach Deutschland sowie das erste Deutschland-Spiel haben der NFL die Augen geöffnet. Zwei Drittel der Zuschauer bei den London Games waren wahrscheinlich eh immer deutsche Fans. Wie groß die Begeisterung der deutschen Football-Community ist, zeigt sich beispielsweise auch in der Podcast-Landschaft, in der es mittlerweile unzählige deutschsprachige Football-Podcasts gibt. Die Spiele in Deutschland waren längst überfällig und es ist auch hier noch Luft nach oben.
ran: Immer wieder spielen die Liga-Verantwortlichen öffentlich mit dem Gedanken über eine europäische NFL-Franchise. Besteht jemals eine realistische Chance, dass es wirklich dazu kommt?
Johnson: Wenn die Zahlen stimmen. Es sind schon verrücktere Sachen passiert. Ich habe auch irgendwo gelesen, dass jedes Team ein internationales Spiel pro Saison machen könnte. Ich kann mir in der Hinsicht alles vorstellen, solange die Zahlen für die NFL stimmen.
ran: Schließlich hat vor fünf Jahren auch niemand wirklich gedacht, dass es so schnell zu einem NFL-Spiel in Deutschland kommt.
Johnson: Wenn man zwei Millionen Ticketanfragen pro Spiel hat, überlegt man sich vielleicht, noch ein paar mehr Events stattfinden zu lassen. Das ist alles Entertainment
ran: Abschließend: Sie veranstalten jährlich ein eigenes Football-Camp für Kinder und Jugendliche. Haben Sie das Gefühl, dass sich auch in diesem Bereich etwas getan hat?
Johnson: Ich kann es mir vorstellen. Da ich auch in der Offseason nur wenig in Deutschland sein kann, bekomme ich die täglichen Entwicklungen nicht wirklich mit. Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist der Swag und die Ausstattung der Kids. Wir mussten damals noch in Fußballschuhen spielen, heutzutage laufen die jungen Spieler mit Cleats, Handschuhen und modernen Helmen rum. Ich sehe es auch in meiner eigenen Familie, wie viele Cousinen und Cousins aus der Gen Z sich dafür interessieren, was ich eigentlich so mache. Zudem pusht die NFL mittlerweile an deutschen Schulen Flag Football sehr intensiv, auch wenn es da schon kleinere Reibereien mit Kultusministerien gab (lacht). In der Hinsicht wird es noch eine Weile dauern, die deutschen Mühlen arbeiten etwas langsamer, als es sich die Amerikaner vorstellen, aber der Boom wird weiterwachsen. Das alles zusammen mit einem Commitment der NFL, Jugendvereine, GFL und auch der ELF – wenn diese Parteien an einem Strang ziehen, kann ich mir vorstellen, dass Football bzw. Flag Football in Deutschland schnell groß wird.