Julian Edelman: Der "kleine Bruder" und die Bromance mit Tom Brady

München/Foxborough – Große Worte braucht es oft keine. Blicke reichen völlig aus, damit ist dann auch schon alles gesagt. Non-verbale Kommunikation nennt man das, blindes Verständnis. Wie das bei einer echten Bromance eben so läuft.

Wie bei Tom Brady und Julian Edelman. Eine echte Männerfreundschaft bei den New England Patriots, eine echte Seltenheit in dem Milliarden-Geschäft American Football. Gewachsen über nunmehr zehn Jahre beim dominantesten Team der letzten beiden Dekaden. Das gemeinsam Erlebte, der Erfolg schweißt zusammen, verbindet, keine Frage. 

Sportliche Zusammengehörigkeit

Es ist aber natürlich nicht nur der bloße Erfolg, es ist weit mehr als das. Als Basis die sportliche Zusammengehörigkeit auf dem Feld als Quarterback und Wide Receiver, das gegenseitige Vertrauen, die natürliche Zusammengehörigkeit der Positionen.

Auch privat stimmt die Chemie, da haben sich im Locker Room im harten Football-Business offenbar zwei gefunden, die komplett auf einer Wellenlänge liegen. "Das ist wie eine Bromance. Man sieht, wie hart sie trainieren und was für explosive Blicke sie austauschen, wenn einer patzt. Es ist keine Enttäuschung, mehr ein 'Reiß dich zusammen.' Das ist fast wie bei Brüdern", beobachtete Safety Devon McCourty. 

Bei der Geburt getrennt sozusagen.

Vor dem Super Bowl LIII (3. Februar ab 22.45 Uhr live auf ProSieben und auf ran.de) gegen die Los Angeles Rams gab es mal wieder eine öffentliche Liebeserklärung von Brady für seinen Lieblings-Passempfänger.

"Vertraue ihm sehr"

"Er ist schon immer wie ein kleiner Bruder für mich, den ich nie hatte", sagt Brady, der drei Schwestern hat: "Er weiß, wie sehr ich ihn liebe. Und ich vertraue ihm wirklich sehr."

Dann kann man auf dem Platz auch schon mal offene Worte wählen. 

"Du bist verdammt nochmal zu alt. Du bist zu alt", schreit Edelman Brady nach dessen Touchdown-Pass im Spiel gegen die Chargers an. Ein feiner Seitenhieb gegen all die Kritiker, die seit Jahren vergeblich darauf warten, dass Brady tatsächlich irgendwann mal zu alt sein wird. Ein Liebesbeweis.

Denn die Patriots und Brady beweisen mit ihrem dritten Super-Bowl-Einzug in Folge, dass sie immer noch eine Ära prägen – auch dank Edelman, denn der 32-Jährige dreht vor allem dann auf, wenn die Crunch Time beginnt. In seinen bisherigen Postseasons kommt er auf 105 Receptions und 1271 Yards, womit er Zweiter und Vierter in beiden Rankings ist, die Jerry Rice anführt.

"Er hat diese 'Leck-mich'-Einstellung"

Und die Receiver-Legende lobte unlängst: "Er hat diese 'Leck-mich'-Einstellung. 'Ich mache, was ich will. Ich werde rausgehen und Bälle fangen. Ich werde Touchdowns machen. Ich mache alles, was ich machen muss, damit mein Team gewinnt.' Dafür kann man nur Anerkennung zeigten."

Kumpel Brady glaubt: "Sein Hintergrund als Quarterback hilft ihm wahrscheinlich, weil er weiß, wo er sein muss, wie man sich freiläuft und wann man als Quarterback den Ball loswerden möchte."

Ja genau, Edelman war auf dem College Quarterback, kam in drei Jahren auf 4997 Yards und 30 Touchdowns. Die kanadische CFL hatte schließlich Edelman als realistisches Ziel ausgemacht. 

Er war zwar ein durchaus produktiver Quarterback auf dem College, aber mit 1,78 Metern als Signal Caller in die NFL? Ein Träumer war er 2009 nicht, hinzu kam, dass er zum Combine gar nicht erst eingeladen wurde. "Es ist nicht so, als dass die NFL geweint hätte, wenn ich nach Kanada gegangen wäre", schrieb er in seinen Memoiren, die er neben den zwei Kinderbüchern "Flying High" und "Flying High 2" veröffentlicht hat.

Knapp an "Mr. Irrelevant" vorbei

Doch er blieb, die Agenten von Brady überzeugten ihn, sein Glück in der NFL zu versuchen, als Special Teamer oder Wide Receiver. Er biss sich durch, bereitete sich akribisch vor, um sich seinen großen Traum doch noch zu erfüllen. Edelman wurde in der siebten Runde gedraftet, an 232. Stelle. 24 Plätze an "Mr. Irrelevant" vorbei. Glamourös ist anders.

Doch er bekam von Anfang an seine Chancen, der Durchbruch gelang ihm 2013 mit 1056 Yards und sechs Touchdowns. Das Niveau konnte er statistisch in etwa halten. "Was er mit seiner Karriere gemacht hat, ist unglaublich", so Brady über seinen Kumpel, mit dem er in der gemeinsamen Zeit bei den Pats ab 2009 jetzt zum vierten Mal in den Super Bowl zieht (2018 verpasste Edelman Super Bowl LII verletzungsbedingt), zweimal gewannen sie die Vince Lombardi Trophy.

Den legendären Super Bowl LI gegen die Atlanta Falcons mit der historischen Aufholjagd rundete Edelman mit einem unglaublichen Catch ab.

Brady: "Er ist so beeindruckend als Spieler, als Anführer. Als Quarterback einer der dominantesten Receiver zu werden, spricht für seine Arbeitseinstellung. Ich freue mich für alles, was er erreicht. Ich kann über Jules nicht genug gute Dinge sagen."

"Squirrel", also Eichhörnchen, wie Edelman in der Mannschaft genannt wird, verpasste die komplette Saison 2017 wegen eines Kreuzbandrisses, 2018 die ersten vier Spiele nach einer Sperre wegen eines Verstoßes gegen die Dopingrichtlinien der NFL. Man merkt Brady auf dem Spielfeld vor allem dann an, wie wichtig Edelman für ihn ist, wenn er fehlt.

Und wie wichtig er für die Patriots ist. Beide gehen 2019 in die letzte Saison ihrer aktuellen Verträge. Wie es weitergeht? Offen. Es kommt nicht selten vor, dass sich die Wege im Profisport irgendwann trennen.

Die Freundschaft wird allerdings bleiben. Wie das bei einer echten Bromance eben so läuft.

Von Andreas Reiners

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