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NFL

Lynch & Co: Warum College-Stars in der NFL scheitern

  • Aktualisiert: 30.06.2019
  • 02:07 Uhr
  • ran.de / Oliver Jensen
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© imago / getty images

Erfolge im College-Football (ab 31. August live auf ran.de und ProSieben MAXX) garantieren noch längst nicht für eine lange NFL-Karriere. Die Anforderungen sind so verschieden, dass manch einer sogar von zwei unterschiedlichen Sportarten spricht.

München - Die Liste ist lang: Ryan Leaf und JaMarcus Russell, Matt Leinart und Paxton Lynch, Tim Tebow und Troy Smith, Trent Richardson und Aaron Curry. Sie alle sind Beispiele für Spieler, die am College absolute Superstars und Leistungsträger waren, in der NFL allerdings den Anforderungen nicht gerecht wurden.

Draft Busts ist der Ausdruck für Spieler, die im Draft hoch ausgewählt wurden und dann völlig versagten. Viele hat es bereits gegeben, viele wird es noch geben. Doch warum überhaupt? Unterscheidet sich der Football am College von dem in der NFL so sehr, dass sich der Übergang so schwierig gestaltet?

Ja, sagt der langjährige Quarterback und spätere TV-Experte Trent Dilfer: "Aus Sicht eines Quarterbacks handelt es sich fast um zwei unterschiedliche Sportarten." Was er damit meint: Anders als in der NFL haben die meisten Universitäten sich einem bestimmten Spielsystem verschrieben und rücken kaum davon ab.

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College-Mannschaften gewinnen auf einfachste Art und Weise

"Ich mache den Colleges überhaupt keinen Vorwurf", sagte Dilfer. "Es geht darum zu gewinnen, Einnahmen zu generieren, die Zuschauerplätze zu füllen und mit den Geldern die übrigen Programme zu finanzieren. Football finanziert die anderen Sportarten. Sie müssen also gewinnen. Und wenn sie gewinnen müssen, wählen sie die einfachste und wiederholbarste Art des Gewinnens."

Daher gelangen oft College-Stars in die NFL, denen es an Vielseitigkeit mangelt. ran Experte Nils Müller schreibt in seinem Buch "College Football 1-0-1": "Einem Quarterback beispielsweise, der den Ball nicht weiter als 40 Yards werfen kann, dafür aber pfeilschnell ist und runningbackese Moves mitbringt, wäre in der NFL wohl keine große Karriere beschieden, am College hingegen gibt es durchaus erfolgreiche Spielsysteme, die genau dieses Skillset von einem Quarterback fordern."

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Mitchell Trubisky musste in der NFL Snaps lernen

Ein völlig anderes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist Mitchell Trubisky, der im Jahre 2017 an Position 2 von den Chicago Bears gedraftet wurde und dort auch eine gute Rolle spielt.

Was viele Fans aber gar nicht wissen: An der University of North Carolina hatte er lediglich aus der Shotgun-Formation gespielt, stand also etwa fünf Yards hinter dem Center und bekam den Ball zugeworfen. In der NFL musste er also erst einmal lernen, den Ball direkt hinter dem Center stehend per Snap zu empfangen.

Mag dies mit etwas Fleiß noch gut zu lernen sein, ist die Umstellung in anderen Bereichen deutlich schwieriger. Von einem NFL-Quarterback wird erwartet, dass er die Defense lesen kann und dementsprechend handelt – von einem College-Quarterback eher nicht.

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"Das ist das größte Problem bei den Profis, denn der College-Quarterback wird größtenteils von der Seitenlinie aus verwaltet", sagte Dilfer. "Sie treffen nur sehr wenige dynamische Entscheidungen an der Line of Scrimmage oder nachdem der Ball gesnapt wurde. Dynamische Entscheidungen, bevor oder nachdem der Ball gesnapt wurde, sind das, was die besten Pro-Quarterbacks von allen anderen unterscheidet."

Während manche Quarterbacks wie JaMarcus Russell oder Johnny Manziel an der mangelnden Arbeitseinstellung scheiterten, hatten andere Spielmacher wie Tim Tebow oder Paxton Lynch wohl eher mit der Umstellung von College auf NFL ihre Probleme.

Die Umstellungsprobleme betreffen allerdings nicht nur die Quarterbacks. Stattdessen ziehen sie sich durch so ziemlich alle Mannschaftsteile.

Run-Blocking und Pass Protection: NFL O-Liner müssen beides können

Beispiel Offensive Line: Es gibt College-Mannschaften wie zum Beispiel die der US-Navy, die in einigen Partien fast nur den Ball laufen. Der O-Liner muss also mit einem starken Vorwärtspush den Weg für den Running Back freiblocken, findet in der Pass Protection allerdings kaum statt. In der NFL wäre so jemand nicht brauchbar. Genauso wie wenn einer stark in der Pass Protection ist aber keine Laufwege freiblocken kan.

Ist die Eindimensionalität offensichtlich, wird der Spieler gar nicht erst gedraftet. Es gibt aber auch O-Liner, bei denen die Problematik erst später ans Tageslicht kommt.

Ein gutes Beispiel ist der Offensive Tackle Jason Smith, der im Jahre 2009 von des damals noch in St. Louis beheimateten Rams als Second-Overall-Pick ausgewählt wurde. Am College war er zwar ein Gigant und wurde mit Auszeichnungen und Ehrungen überhäuft, hatte an der Baylor University allerdings keine Erfahrung mit einer typischen NFL-style offense gesammelt.

Die Folge: Er fand sich in der NFL nie zurecht. Nach drei Spielzeiten wurde er an die New York Jets abgegeben, nach vier Spielzeiten war seine Profikarriere beendet.   

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De'Anthony Thomas: Zu schmächtig für einen NFL-Receiver

Auch die körperlichen Anforderungen sind in der NFL weitaus höher als am College. Beispiel De'Anthony Thomas: Am College bei den Oregon Ducks war er als Wide Receiver und als Running Back eine Granate und lief die gegnerischen Verteidiger mit seiner Geschwindigkeit (er war auch noch Leichtathlet) schwindelig.

2014 in der vierten Runde von den Kansas City Chiefs gedraftet, konnte er in der NFL nie eine ähnlich dominante Rolle einnehmen. Der Hauptgrund dafür: Mit seiner Körpergröße von 1,75 Metern und einem Gewicht von rund 80 Kilogramm ist er einfach zu schmächtig.

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Bei den Chiefs wurde Thomas vorwiegend als Return Spezialist eingesetzt. Mittlerweile ist sein Rookie-Vertrag ausgelaufen. Als Free Agent sucht er nach einem neuen Team – bislang ohne Erfolg.

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Defensive Liner müssen vielseitig sein

Auch in der Defense sind die Anforderungen in der NFL deutlich höher als am College. Defensive Liner beispielsweise sollen nicht nur als pfeilschneller Pass Rusher den Quarterback unter Druck setzen, sondern müssen auch dazu in der Lage sein, direkt an der Line of Scrimmage das Laufspiel zu stoppen.

Hochgejubelte College Stars wie die Defensive Ends Vernon Gholston (6th-Overall-Pick von 2008) oder Derrick Harvey (8th-Overall-Pick von 2008) waren den Anforderungen nicht gewachsen und spielten lediglich vier Jahre in der NFL. Selbst Courtney Brown, First-Overall-Pick von 2000, kam nie so richtig in der NFL an und beendete seine Karriere nach sechs Spielzeiten.

Wie gesagt: Die Liste der gescheiterten College-Stars ist lang – und sie wird in den kommenden Jahren sicherlich noch länger.   

Oliver Jensen 

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