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New England Patriots: Vier Gründe für den Absturz
- Aktualisiert: 16.11.2023
- 10:30 Uhr
- Mike Stiefelhagen
Die New England Patriots stehen nach zehn NFL-Spieltagen 2-8. So schlecht, wie lange nicht mehr. Alles und Jeder wird hinterfragt. Wie konnte es dazu kommen? Wir schlüsseln auf.
In Bill we trust.
Ein Leitsatz unter den Fans der New England Patriots, der über Jahrzehnte hält. Head Coach Bill Belichick war schon immer dafür bekannt, unorthodoxe Entscheidungen zu treffen und ein Ass im Ärmel zu haben.
Egal, wie verworren die Situation scheint - Bill wird es schon richten. "The Patriot Way" mit dem verbundenen "Do Your Job"-Eifer ist legendär.
Doch die Misserfolge der Post-Brady-Zeit lassen dieses im Grunde unerschütterliche Mantra doch irgendwie bröckeln. Und bei genauerem Hinschauen sind viele Fehler passiert, die schwer weg zu reden sind.
Wir gehen in die Fehleranalyse, wie es dazu kommen konnte, dass eine der erfolgreichsten Franchises der NFL-Geschichte jetzt zu den schlechtesten Teams der Liga zählt.
NFL
New England Patriots - Fehler 1: Draft-Entscheidungen
Da Belichick nicht nur Head Coach, sondern auch der General Manager des Teams ist, hat er eine besondere Machtposition. Wenn du seltsame Entscheidungen triffst und Erfolg hast, wird du verehrt. Wenn du selbiges tust und verlierst, wirst du kritisiert.
Belichick blieb daher seinem Draft-Stil meist treu, aber die Konsequenz ist eine andere. Die Patriots unter Belichick tradeten schon immer gerne weiter nach unten, um lieber mehr statt hohe Picks zu haben. Unfassbar, aber wahr: Zwischen Bradys Breakout-Jahr in 2001 und dem Pick von Mac Jones in 2021 hatte Belichick ganze drei Picks innerhalb der Top 20.
Und trotzdem fanden legendäre Spieler wie Devin McCourty, Rob Gronkowski oder Vince Wilfork ihren Weg zu den Pats. Dieser "Patriot Way" bedeutete auch mehr Cap Space in der Free Agency. Dort holte man spätere Stars wie Rob Ninkovich oder Stephon Gilmore.
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Die Voraussetzung dieses Konzepts: erfolgreiche, präzise Picks, die trotzdem funktionieren. Rückblickend schaffen das die Patriots in den letzten Jahren nicht mehr. Dies ist ein Faktor für die jetzige Situation.
DT Malcom Brown, LT Isaiah Wynn, RB Sony Michel, WR N'Keal Harry, QB Mac Jones, G Cole Strange - das sind die First-Round-Picks der Patriots seit 2015. Keiner von ihnen war wirklich ein späterer, langfristiger Star, auch wenn Brown oder Michel ihre Momente hatten. Spoiler Alert: die Zweit- und Drittrundenpicks waren auch nicht viel besser.
Es ist schwierig, Abgänge von Legenden wie Tom Brady, Rob Gronkowski, Julian Edelman und Co. aufzufangen, wenn man jährlich den Draft verhaut. Belichick ist einer, wenn nicht der beste NFL-Coach der Geschichte. Aber nicht der beste Draft-Manager. Ein "normaler" GM mit dieser Ausbeute in acht Jahren Draft wäre heute nicht mehr der GM des Teams.
New England Patriots - Fehler 2: Free Agency 2021
Belichick war nie Fan davon, für Free Agents viel Geld auszugeben. Aber nachdem man 2020 die Playoffs verpasste und der Kader (durch schlechtes Draften) einen Push brauchte, ging er einen neuen Weg. Schließlich datiert der letzte Playoffs-Sieg der Patriots aus dem Jahre 2019. Kaum zu glauben.
Matthew Judon wurde geholt. Ein Volltreffer. Auch Kendrick Bourne war eine gute Idee. Aber Spieler wie Henry Anderson, Jalen Mills, Davon Godchaux, Jonnu Smith, Nelson Agholor oder auch Hunter Henry konnten nie ihr Gehalt auf den Platz bringen. Henry und Smith wurden zu den bestbezahlten Tight Ends der Liga, während Smith fast nur im Blocking eingesetzt wurde. Seltsam.
Immerhin: In der Saison 2021 wurden die Playoffs erreicht. Das war es dann aber auch! Und in den Folgejahren litt man unter den Verträgen.
Bleiben wir beim aktuellen Kader: Belichick ließ WR Jakobi Meyers zu den Raiders gehen, um für ähnliches Geld JuJu Smith-Schuster zu holen, der vor dem Deutschland-Spiel nicht mal 60 Prozent der Snaps erhielt, obwohl er in einer schwachen Receiver-Gruppe ist. Auch diese Entscheidung zahlte sich nicht aus.
New England Patriots - Fehler 3: Belichick-Magie verpufft
Sechs Super Bowls mit den Patriots: Belichick ist genial. Vor allem in der Defense. Und nein, der Erfolg lag nicht allein an Tom Brady, auch mit Brady hatten die Patriots schwankende Jahre. Doch etwas Anderes ging neben Brady den Pats verloren: die Genialität von Belichick. Der bekannte Spruch: "Wenn jemand ausfällt, geht Bill im Supermarkt shoppen und lässt den Kassierer als Receiver spielen, das wird schon," zählt nicht mehr.
Belichick schafft es nicht mehr, Ausfälle zu kompensieren oder unorthodoxe Entscheidungen positiv wirken zu lassen. Jalen Reagor als Beispiel: Der WR spielte in Woche sechs 13 Snaps, darauf im Washington-Spiel 48 Snaps, aber jetzt gegen die Colts nur einen Snap. Und das trotz widersprüchlicher Leistung.
Gleiches gilt für die Cornerback Position. Shaun Wade spielte in drei Wochen ganze zehn Snaps. Gegen die Comamnders war er plötzlich Stammspieler und von Beginn an dabei. Aber nur für das erste Viertel. Danach war er für J.C. Jackson und Jack Jones raus. Gegen die Colts die Woche drauf durfte Wade wieder starten. Das alles ist sehr irritierend und nicht wirkend.
Und wenn du dann noch die knallharte Einstellung hast: "Wer Fehler macht, fliegt raus!", dann aber dein Ersatzgedanke im Gegensatz zu früher nicht fruchtet, bist du in der Bredouille. J.C. Jackson und Jack Jones fehlt es an Disziplin? Okay! Jackson darf nicht mit nach Deutschland, Jones wurde am Montag trotz dünner Kadertiefe entlassen! Mac Jones wirft eine furchtbare Interception? Ab auf die Bank! Ach, Bailey Zappe wirft dann auch eine? Bitter.
Wenn du deine Spieler so behandelst, aber dann eben nicht mehr erfolgreich bist, ist der "Patriot Way" zum Scheitern verurteilt. Genau das ist auch Josh McDaniels bei den Raiders und Matt Patricia bei den Lions passiert.
New England Patriots - Fehler 4: Familie über Leistung
Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, warum fast jeder Coach unter Belichick scheitert, sobald er die Patriots verlässt: er ist nicht gut genug. Belichick wollte immer Coaches haben, die er kennt und mag. Deswegen wurde ein Matt Patricia für die Offense geholt, obwohl das gar nicht erst sein Gebiet war. Joe Judge kam ihm dann zur Hilfe, obwohl er bei den Giants einen schlechten Job vollbrachte.
Als das nicht funktionierte, holte man einen Bill O'Brien zurück. Auch den Abgang von Nick Caserio in 2021 konnte man nicht auffangen. Und wenn man sieht, was er jetzt bei den Texans aufbaut, dann war es ein Fehler, ihn gehen zu lassen.
Selbst die wahrhaftigen Söhne von Bill sind Teil des defensiven Trainerstabs mit Brian und Steve. Sechs weitere Assistenztrainer haben keinerlei Erfahrungen in ihren Bereichen, außer unter Belichick. Bedeutet: Wenn Belichick wie zuletzt selbst struggled, hat er wenig Kompetenz unter sich, die ihm helfen kann, da alle eher unter ihm lernen, als ihm zu helfen.
Mit Belichick steht und fällt alles. Und solange er selbst nicht zu der Einsicht kommt, etwas zu verändern und sich Verstärkung in den Bereichen zu suchen, in denen er begonnen hat zu schwächeln, solange werden die Patriots weiter abstürzen.
Bis es heißt: in Bill we trust(ed).