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Free Agency hat sich verändert

Gewinner und Verlierer der NBA-Offseason: Ein Rollenspieler macht den Unterschied

  • Aktualisiert: 18.07.2023
  • 10:06 Uhr
  • ran.de
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© IMAGO/USA TODAY Network

Die ganz großen Schocker blieben in dieser Free Agency aus, auch weil sich der Prozess über die Jahre verändert hat. Ein Rollenspieler könnte letztendlich der Spieler sein, der durch seinen Wechsel den größten Unterschied macht - für sein neues und auch für sein altes Team.

Von Ole Frerks

Wir schreiben Mitte Juli, die Summer League ist vorbei und eigentlich will spätestens jetzt jeder NBA-affiliierte Mensch in den Urlaub. Viele Spieler liegen längst am Stand oder widmen sich anderen Themen, etwa Stephen Curry auf dem Golfplatz. Aber für die Mitarbeiter diverser Front Offices steht immer noch Arbeit an, viele große Fragen bleiben ungeklärt.

Es gibt keine Bewegung bei Damian Lillard oder bei James Harden, wobei es bei letzterem immer wahrscheinlicher wird, dass er doch zu den Philadelphia 76ers zurückkehrt. Es gibt immer lautere Gerüchte um Pascal Siakam, der zwar einen weniger klangvollen Namen hat, im Gegensatz zu den beiden Guards aber noch nicht einmal die 30 erreicht hat.

Auch bei ihm gilt: Wer diesen Spieler bekommt, kann schlagartig noch zu einem der großen Gewinner der Offseason werden. Wer leer ausgeht, bekommt vielleicht größere Probleme (hat Miami eigentlich einen Plan B?). Solange wir darüber jedoch nicht Bescheid wissen, bleibt die Beurteilung schwierig. Was auch mit der Veränderung der Free Agency im Allgemeinen zu tun hat.

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Free Agency: Nicht mehr, was es mal war

Bisher hat 2023 kein klassischer Difference-Maker als Free Agent das Team gewechselt. Das liegt auch daran, dass mittlerweile kaum noch solche Spieler zu Free Agents werden - viel häufiger werden frühzeitig Verträge verlängert, da sie Spielern die maximalen Einnahmen sichern, und die Zukunft wird danach geklärt. Einen Trade kann man später immer noch fordern; in der Regel bekommen die Spieler ja ihren Wunsch, wobei Lillard dieses Gesetz aktuell auf die Probe stellt.

Es gab ein paar Ausnahmen in diesem Sommer, darunter Kyrie Irving, der "komplizierte" Jahre hinter sich hat und Khris Middleton, der aus seinem Vertrag ausstieg, weil er nach zwei Jahren mit großen Verletzungsproblemen lieber einen neuen Deal mit längerer Laufzeit eintüten wollte. Er tat das bei seinem alten Team, genau wie Kyrie, und alles andere wäre eine faustdicke Überraschung gewesen.

Es war kurz gesagt kein Free-Agency-Sommer wie 2010 mit der "Decision" oder 2016 mit dem Cap-Spike, und das dürfte die neue Norm sein. Nur zwei ehemalige All-Stars wechselten als Free Agents das Team: Bei Derrick Rose ist die letzte Nominierung über eine Dekade her, Fred VanVleet war 2022 zum ersten (und wahrscheinlich letzten) Mal an der Reihe. Beide sind nicht unbedingt Kevin Durant in seiner Prime, vorsichtig ausgedrückt.

Natürlich gab und gibt es trotzdem einige interessante Namen auf dem Markt. Insbesondere ein Wechsel dient Stand jetzt dazu, zumindest je einen Gewinner und Verlierer der Offseason zu identifizieren - und zwar das neue beziehungsweise das ehemalige Team von Bruce Brown.

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Nuggets: Keine Ressourcen für Brown

Zunächst zu den Denver Nuggets. Es war von vornherein klar, dass der Champion Schwierigkeiten haben würde, sein Team komplett zusammenzuhalten. Die Starting Five war unter Vertrag und ist intakt geblieben, das ist die Hauptsache, aber dadurch war das Team auch schon vor Beginn der Free Agency unheimlich teuer und nah am neu eingeführten Second Apron.

Bei Brown gab es vertraglich zudem eine Besonderheit, da die Nuggets keine Bird Rights an ihm hielten und ihm bloß 7,8 Millionen Dollar für die kommende Saison bieten konnten.

Das wäre unter seinem Marktwert gewesen, für eine Zeit lang gab es jedoch die Hoffnung, dass Brown aufgrund der Erfolgsaussichten im Nuggets-Ökosystem bleiben würde. Nach dem Ende der Finals deutete er das selbst an, als er sagte, das Geld "nicht alles" sei.

Vielleicht wäre er geblieben, wenn er anderswo nur die Midlevel Exception (rund 12 Millionen Dollar) bekommen hätte. Die Indiana Pacers wollten das nicht riskieren und boten so viel, dass Brown, der in seiner Karriere bisher "nur" rund 15 Mio. verdient hatte, kaum nein sagen konnte; zwei Jahre und 45 Mio. können es werden, wobei Indiana sich für Jahr zwei eine Team-Option gesichert hat.

Über Marktwert, aber Indiana konnte es sich leisten. Und musste es wohl auch, um als Small-Market-Team einen so umworbenen Spieler zu bekommen. "Wir wussten, dass wir etwas kreativer sein und vielleicht etwas mehr zahlen mussten als andere Teams", erklärte Pacers-GM Chad Buchanan gegenüber "The Athletic". "Aber er war der Spieler, den wir haben wollten."

Bruce Brown: Das Schweizer Armeemesser

Das ist nachvollziehbar, gerade wenn man auf Browns Rolle in den Playoffs blickt. Der Swingman übernahm verschiedene Rollen in der Defense und war auch in der Offense sehr wertvoll für den Champion, sowohl als Cutter und Finisher als auch als Offense-Initiator, wenn Nikola Jokic und/oder Jamal Murray auf der Bank saßen.

Brown hat in seinen vier Jahren in der NBA abgesehen von Center schon jede Position gespielt und kann von allem etwas, bei den Nuggets blühte er in den Playoffs so richtig auf und traf über die letzten beiden Runden sogar den Dreier akzeptabel (über 36 Prozent).

Am Ende von Spielen war es oft er, der "closen" durfte - die besten beiden Nuggets-Lineups in den Playoffs vom Net-Rating her waren die Starting Five mit Brown statt Michael Porter Jr. (+20,1) beziehungsweise Brown statt Kentavious Caldwell-Pope (+50,9!). Er war essenziell für den Titel, simpel gesagt.

Und jetzt ist er weg. Genau wie Oldie Jeff Green. Von den drei Bankspielern, die Michael Malone in den Playoffs regelmäßig einsetzte, ist nur noch Christian Braun da. Denver verlängerte (wohl aufgrund einer vorigen Absprache) etwas überraschend für zwei Jahre (10 Mio.) mit Reggie Jackson, der in der Postseason nur Bankdrücker war. Als Neuzugänge kamen Rookies (Julian Strawther, Jalen Pickett, Hunter Tyson) und Veteran Justin Holiday, zum Minimum. Es fehlte an Ressourcen für mehr.

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Denver muss auf inneres Wachstum hoffen

Die Hoffnung ruht dadurch in erster Linie auf dem Potenzial für inneres Wachstum. Braun dürfte mehr Spielzeit sehen, ebenso wie der letztjährige Nr. 30-Pick Peyton Watson. Der 20-Jährige wurde im vergangenen Jahr sehr behutsam ans Team geführt und kam bloß auf 200 Einsatzminuten in Regular Season und Playoffs kombiniert, bringt in der Theorie aber ein Skillset mit, das die Nuggets brauchen.

Denver kann zudem darauf bauen, dass ihr MVP tendenziell jeden seiner Mitspieler besser macht - das war ja auch bei Brown der Fall, der auch in Brooklyn sein Potenzial gezeigt hatte, aber zuvor nie so entfesselt wurde wie neben Jokic und Co. Es ist eine berechtigte Hoffnung, und vielleicht kann auch einer der Rookies direkt seinen Beitrag leisten wie Braun im vergangenen Jahr.

Unterm Strich waren die Nuggets aber auch schon 2023 kein tiefes Team - und sie haben zwei ihrer sieben wichtigsten Spieler verloren. Es wird dadurch nicht unmöglich, aber sicherlich auch nicht leichter, ihren Titel zu verteidigen.

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Pacers: Das Potenzial für mehr

Die Pacers sind von solchen Überlegungen noch weit entfernt, was weniger Druck und gleichzeitig viel mehr Upside bedeutet. Dieses Team gewann 22/23 nur 35 Spiele und die Erwartungen waren sogar noch geringer, in Las Vegas wurde ihr Over/Under auf 22,5 Siege gesetzt. In dieser Offseason betätigten sie aber einige Hebel, um kommende Saison einen großen Schritt vorwärts zu machen.

Indiana zeigte schon vergangene Saison Potenzial, wenn Tyrese Haliburton zur Verfügung stand. Offensiv zumindest. Mit dem Point Guard auf dem Court erzielten die Pacers bärenstarke 118,3 Punkte pro 100 Ballbesitzen, das hätte über die Saison für die Top 5 gereicht. In Haliburtons 56 Spielen war Indiana ein .500-Team, ohne ihn wurde beinahe abgeschenkt (7 Siege, 19 Niederlagen).

Das hatte mit seiner Backup-Situation, aber vor allem auch der Defense zu tun (hier rangierte Indiana auf Platz 26, auch dank Haliburton). Brown kann eine Lösung für beide Probleme sein und ist ein Kontrast zu den offensiver fokussierten Haliburton, Buddy Hield oder Bennedict Mathurin im Backcourt. Dank seiner Vielseitigkeit kann er in allen möglichen Konstellationen auf dem Court stehen und dürfte auch deshalb ein Wunschspieler von Head Coach Rick Carlisle gewesen sein.

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Indiana: Ein kompletter Sommer

Die Pacers hatten auch sonst einen guten Sommer. Nr.8-Pick Jarace Walker gilt als Big Man mit großem defensiven Potenzial, dazu kam mit Obi Toppin (für zwei Zweitrundenpicks) ein athletischer Forward per Trade aus New York, der genau wie Brown gut in das Up-Tempo-Spiel der Pacers passen sollte.

Haliburton ist einer der besten Passer der Liga und bekommt in Toppin als Roll-Man nochmal eine andere Art von Anspielstation als den Stretch-Big Myles Turner. Toppin konnte in seinen (limitierten) Minuten in New York in der Regel überzeugen und dürfte bei den Pacers mehr Chancen erhalten. Indiana hat eher im Backcourt zu viele Spieler, adressierte das aber wiederum durch den Trade von Chris Duarte, für den sie aus Sacramento zwei Zweitrundenpicks zurückbekamen.

Die wichtigste Amtshandlung abgesehen vom Brown-Signing war die vorzeitige Vertragsverlängerung von Haliburton. Diese war mehr oder weniger folgerichtig, dass die Pacers dabei ohne Spieleroption auskamen, ist aber zumindest nicht "nichts". Der 23-Jährige hat das Zeug dazu, bald zu den besten Offensivspielern der Liga zu gehören - bei ihm frühzeitig für klare Verhältnisse zu sorgen, ist ein gutes Zeichen.

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Indiana: Spielraum für mehr ist immer noch da

Indiana ist zudem immer noch flexibel. Die Pacers verfügen über tradebare Verträge von Routiniers (etwa Turner, Hield oder auch Daniel Theis, dem Stand jetzt erneut eine tiefe Reservistenrolle droht), über all ihre Erstrundenpicks und über attraktive Talente. Selbst der Brown-Vertrag ist so teamfreundlich, dass er Indiana keine Flexibilität nimmt, weil das zweite Jahr eben nicht garantiert ist.

Marc Stein zufolge sind die Pacers auch noch nicht zwingend fertig mit ihrer Offseason, sie gelten als interessiert an Siakam. Der Kameruner ist zwar älter als der aktuelle Kern, könnte das Team sportlich jedoch enorm bereichern und ein weiterer exzellenter Running Mate für Haliburton sein. Das wäre ein Timeline-Beschleuniger, für den Indiana das jetzige Konstrukt nicht einreißen müsste.

Auch wenn nichts dergleichen mehr passiert, hätte Indiana seinen Job erledigt. Der Kader beginnt langsam Sinn zu ergeben, auch wenn es immer noch mehr kleine als große Spieler im Kader gibt, die Minuten bekommen müssen. Brown könnte dabei mal wieder ein Lösungsansatz sein, wenn Carlisle den 1,93-Meter-Mann - so wie Brooklyn und Denver - nominell Small Forward spielen lässt.

Diese Variabilität ist sein Pfund und der Grund, warum quasi jeder Contender ihn wollte, warum Denver ihn vermissen wird und warum Indiana, eigentlich, viel zu viel Geld für ihn auf den Tisch legte.

Der 26-Jährige ist kein Star, eher ein Komplementärspieler. Vielleicht macht er am Ende trotzdem den größten Unterschied unter den Spielern aus, die in dieser Free Agency das Team wechselten.