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NBA-Kolumne: Bagley-Trade zeigt: Die Pistons müssen erst krabbeln lernen
- Veröffentlicht: 16.01.2024
- 13:03 Uhr
- Ole Frerks
Die Detroit Pistons haben sich in einem kleinen Trade am Wochenende von einer Altlast getrennt. Für das aktuell von der Bilanz her schlechteste NBA-Team der Geschichte ist das ein gutes Zeichen – trotzdem hat die Franchise noch eine ganze Vielzahl an Problemen.
Es gibt Trades, die nicht wegen der Trades selbst wichtig sind beziehungsweise eine Bedeutung haben. Am Sonntag wurde zwar immerhin ein ehemaliger Nr.2-Pick getradet – aber Marvin Bagley III ist bekanntermaßen kein Chet Holmgren, Ja Morant oder gar Kevin Durant. Er ist, so unfair das ist, weil er sich ja nicht selbst ausgewählt hat, in erster Linie der Spieler, der 2018 vor Luka Doncic, Jaren Jackson Jr., Trae Young, Shai Gilgeous-Alexander und einigen anderen gedraftet wurde.
Bagley ist damit quasi von Beginn an ein schwarzer Fleck in der Draft-Historie der Sacramento Kings geworden. Er ist nun auch endgültig ein Beispiel für die Inkompetenz der Detroit Pistons über die letzten Jahre. Es wird sich zeigen, was er für die Washington Wizards sein wird – ein Backup-Center vermutlich; Bagley ist noch immer erst 24 und scort in dieser Saison effizienter denn je. Wer weiß.
Vielleicht wird er unterm Strich einfach nur ein schlechter Vertrag sein, der den Wizards, die am Anfang ihres Rebuilds stehen, Isaiah Livers und zwei zukünftige Zweitrundenpicks gebracht hat. Die Pistons sind in diesem Fall der wichtigere Trade-Partner, weil sie – eigentlich – längst nicht mehr am Anfang ihres Rebuilds stehen sollten und ihre Handlungen andere Konsequenzen haben.
Der Trade im Detail:
Detroit bekommt: Mike Muscala, Danilo Gallinari
Washington bekommt: Marvin Bagley III, Isaiah Livers, zwei Zweitrundenpicks (2025 und 2026)
Das Wichtigste in Kürze
Marvin Bagley: Ein viel zu hoher Preis
Zur Erinnerung: Detroit tradete Anfang 2022 in einem vier-Team-Trade die Spieler Josh Jackson und Trey Lyles sowie zwei Zweitrundenpicks, um Bagley aus Sacramento loszueisen. Er wurde wenige Monate später Restricted Free Agent – die Pistons hätten ihn auch dann bekommen, der Dreijahresvertrag über 37,5 Millionen Dollar war so hoch, dass Sacramento mit großer Sicherheit nicht mitgezogen wäre.
Detroit opferte stattdessen Assets für das Privileg, den jungen Big Man überzubezahlen. Das wäre noch verständlich gewesen, wenn Bagley eine Lücke bei ihnen gestopft hätte, das tat er jedoch nicht und damit war auch Anfang 2022 nicht zu rechnen. Die 86 Spiele, die Bagley in den knapp zwei Jahren seither für Detroit absolviert hat, haben auch die Pistons zu dieser Erkenntnis geführt.
Nun mussten sie wiederum zwei Zweitrundenpicks abgeben, um seinen Vertrag loszuwerden. Hinzu kommt Livers, der zwar ein mieses drittes Jahr spielte, in den Jahren zuvor aber jeweils ein gewisses Potenzial als Shooter zeigte. Er ist genau wie die einzelnen Zweitrundenpicks kein Top-Asset, aber in der Summe ist der Preis für Bagley, den Detroit gezahlt hat, dann doch ziemlich hoch.
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Eine Fehlentscheidung mit Symbolwert
Die ganze Episode hat einen gewissen Symbolwert für die Probleme, welche Detroit im Lauf dieser Spielzeit zum Negativrekord von 28 Niederlagen in Folge sowie der derzeit schlechtesten Bilanz der Liga (4-36) geführt haben. Es gibt nicht das eine große Desaster in der jüngeren Vergangenheit – es ist die Summe kleinerer Fehler, das fehlende Konzept, die fehlende Richtung. Alles zusammen.
Das Pistons-Front-Office hatte über die vergangenen Jahre mehrfach eine Idee, die dann gleich mehrfach umgesetzt wurde. Es ist nicht grundfalsch, einem anderswo unglücklichen Lottery-Pick eine zweite Chance zu geben, der "Second Draft" funktionierte in der Vergangenheit schon öfter. Detroit beließ es aber nicht bei Bagley, sondern versuchte dasselbe ein Jahr später bei James Wiseman, einem weiteren Center. Und draftete zwischendurch Jalen Duren in der Lottery, einen weiteren Center. Isaiah Stewart war schon da. Es gab (natürlich) nicht genug Minuten für all diese Projekte.
Zumal sie überwiegend nicht kompatibel sind. Stewart hat sich mittlerweile einen Distanzwurf angeeignet und kommt damit auch auf der Vier (einigermaßen) klar, die anderen drei Bigs waren und sind komplette Non-Shooter. Bagley ist Stand jetzt der versierteste Scorer, aber eben im Zweierbereich – er bräuchte idealerweise einen Stretch-Big neben sich, der den Korb beschützen kann. Den hat Detroit jedoch unter all seinen großen Spielern nicht.
Kann hier jemand werfen?
Diese Imbalance ist ein Problem, das sich durch den Kader zieht. Viele Spieler haben ähnliche Baustellen, können insbesondere nicht werfen, auch der 2023 an Position 5 gedraftete Ausar Thompson hat dieses Problem. Detroit nimmt die zweit- und trifft die wenigsten Dreier der Liga und lässt seine Ballhandler gefühlt in Zwangsjacken auflaufen, was wiederum zur höchsten Turnover-Rate der Liga führt. Zu viele Lineups des Teams bieten kaum funktionales Spacing.
Die beiden Spieler, die Detroit nun aus Washington bekommt, sind witzigerweise auch Bigs (selbst Gallinari spielte in dieser Saison primär auf der Fünf), können aber immerhin werfen. Muscala trifft über seine Karriere 37,5% von draußen, bei Gallinari sind es 38,1% - beide könnten Cade Cunningham das Leben auf dem Court vielleicht ein kleines bisschen leichter machen, sollten sie mal neben ihm auf dem Court stehen.
Wichtiger ist aber der Fakt, dass ihre Verträge jeweils auslaufen. Stand jetzt könnte Detroit im Sommer um die 60 Millionen Dollar an Cap-Space freischaufeln und damit die Änderungen angehen, die das Team zweifelsohne nötig hat. Das Ziel der Pistons wird lauten, ihre eigene Version der Entwicklung hinzulegen, welche die Houston Rockets soeben "gemeistert" haben.
Detroit: Wie gut ist der junge Kern?
Vielleicht findet Detroit Free Agents, die besser zu den jungen Spielern passen und diese auf eine neue Stufe heben, wie Houston es mit Fred VanVleet und Dillon Brooks gelang. Vielleicht wird es auch ein anderer Weg und Detroit kann sich mit Assets dafür bezahlen lassen, schlechte Verträge aufzunehmen. Vielleicht gibt man auch selbst Assets für gute Spieler mit hohen Verträgen ab – die Gehälter müssen nicht wie bei "normalen" Trades passen, weil Detroit die Verträge eben in seinen Cap-Space aufnehmen kann. Vielleicht klappt das alles aber auch nicht so gut.
Es gibt keine Garantie dafür, dass die Pistons ihren Weg aus dem Chaos herausfinden werden, dafür sind die Probleme zu vielschichtig. Es fehlt der Beweis, dass Thompson und Duren koexistieren können (bisheriges Offensiv-Rating: 103,6). Es ist auch nicht klar, ob Cunningham das Profil eines Franchise-Players erfüllen kann und ob und wie Jaden Ivey in diese Gleichung mit hineinpasst.
Cunningham hat im Dezember immerhin seinen bisher besten NBA-Monat gezeigt (25 PPG, 7,5 APG, 60% True Shooting), ist über die Saison aber immer noch unterdurchschnittlich effizient und eine Turnover-Maschine, zudem hat er sich kürzlich erneut am Knie verletzt. Ivey ist seit Wochen ein Streitpunkt bei Pistons-Fans und selbst innerhalb der Franchise (Thompson ist still und heimlich auch auf dem Weg dorthin).
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Welchen Plan verfolgt Monty Williams
Head Coach Monty Williams hat vor wenigen Tagen selbst den Fehler eingestanden, Ivey bisher nicht genug als Ballhandler eingesetzt zu haben. WARUM er auf Killian Hayes, Livers oder den Veteranen Alec Burks setzte statt den 21-jährigen Ivey, eins der größten Talente im Kader, das vergangene Saison als Rookie-Ballhandler zu den Lichtblicken des Teams gehörte, hat Williams nicht erklärt.
Es ist seit Saisonbeginn ein Rätsel, warum Ivey so wenig spielt und warum er so oft abseits des Balles eingesetzt wurde, obwohl er der dynamischste Spieler im Kader ist. Williams zufolge gab es in den vergangenen Tagen eine Art Intervention, in der wichtige Personen in der Franchise ihn darauf hinwiesen, dass Ivey den Ball mehr haben sollte.
Die Pistons dachten, dass sie schon einen Schritt weiter wären. Dass ihnen nur ein renommierter Coach fehlte – deswegen machten sie Williams im Sommer zum bestbezahlten Coach der NBA, statt etwa nach ihrem Mark Daigneault zu suchen, einem unbewiesenen, jungen Coach mit neuen Ideen. Sie haben wohl auch in diesem Fall die Anzahl und Größe ihrer eigenen Baustellen unterschätzt.
Der Bagley-Deal war eine – diese ist nun abgehakt, der eigene Fehler in diesem Fall erkannt und abgehakt. Es ist ein Anfang, mehr nicht. Im nächsten Schritt werden die Pistons versuchen, nicht als das schlechteste NBA-Team der Geschichte in ebendiese einzugehen. Und dann fängt die richtige Arbeit an.