Dallas Mavericks vor der neuen NBA-Saison
NBA-Kolumne: Die Uhr tickt - Darum hat kaum ein Team größeren Druck als die Dallas Mavericks
- Aktualisiert: 12.10.2023
- 16:12 Uhr
- Ole Frerks
Die Dallas Mavericks wollen nach einer desaströsen Vorsaison wieder angreifen. Das Star-Duo will sich endlich einspielen, der Supporting Cast wurde verstärkt – und trotzdem sind etliche Fragen ungeklärt. Können zwei Rookies bei der Antwort helfen?
Von Ole Frerks
Eigentlich gibt es in der NBA keinen Mulligan. Wer etwas probiert und dabei kolossal scheitert, bekommt keinen zweiten Versuch, zumindest nicht ohne Konsequenzen. Jede Entwicklung bedingt ja die nächste, ein Problem auf dem Mikro-Level führt gerne und schnell zu einem Problem auf dem Makro-Level. Die Mavericks hoffen, dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt.
Ihr erster Versuch, mit der Kombination Luka Doncic und Kyrie Irving zum Contender zu werden, ist kolossal gescheitert – statt eines späten Pushes in Richtung der Spitzengruppe flog Dallas im vergangenen Jahr aus den Play-In-Rängen, tankte am Ende sogar.
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Für ihre "Offenheit" (Dreistigkeit) dabei kassierten die Mavs eine Geldstrafe, eigentlich wurde ihr Manöver aber belohnt: Dank des Tankings behielten sie ihren Nr.10-Pick, ein wichtiges Werkzeug, um ihre Offseason zu gestalten.
Im Prinzip kommt das der NBA-Version eines Mulligans ziemlich nahe. Dallas hat mittlerweile noch deutlich mehr Geld in diese Kombination investiert (via 126-Millionen-Dollar-Vertrag für Irving), ansonsten gibt es – bisher – aber keine negativen Konsequenzen. Sondern einen zweiten Versuch, unter besseren Bedingungen sogar. Man darf gespannt sein, was die Mavs diesmal draus machen.
Doncic und Irving: Nur nebeneinander
Im Fokus steht dabei weiter das Star-Duo. Verletzungen von beiden Spielern sorgten 2022/2023 dafür, dass sie lediglich 16 gemeinsame Spiele absolvieren konnten, gewonnen wurden davon fünf.
"Wir hatten nicht viel Zeit", erklärte Doncic vor wenigen Tagen: "Es braucht Zeit, um Chemie aufzubauen, und wir hatten dafür kein Training Camp und keine Preseason. Wir mussten sofort spielen."
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Doncic und Irving spielten in erster Linie nebeneinander, nicht miteinander. "Ich glaube, wir waren zu passiv miteinander", erklärte Irving: "Wir sind beide Killer auf dem Court und das weiß jeder. Wir wollen gewinnen. […] Aber es ging im letzten Jahr alles sehr schnell und es war sehr viel Druck involviert."
Es wird spannend zu sehen, wie beide Spieler nun mit etwas mehr Zeit voneinander profitieren können. Irving hat in seiner Karriere schon viel Erfahrung neben Superstars gesammelt und weiß, wie er sich neben ihnen bewegen und in Szene setzen kann – seine größte Stärke ist seine Vielseitigkeit, die Tatsache, dass er Gefahr mit und ohne Ball in der Hand ausstrahlen kann.
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Dallas Mavericks: Macht Doncic den nächsten Schritt?
Doncic wiederum ist Stand jetzt ein reiner On-Ball-Spieler; niemand musste/durfte in den vergangenen Jahren so viel auf eigene Faust machen wie der Slowene mit seiner Usage-Rate von beinahe 42 Prozent.
Sollte er willig sein, neben dem Ballhandler Irving auch mal als Screener aufzutreten und sich mehr abseits des Balles zu bewegen, könnte er diesem einerseits viel Platz verschaffen und andererseits selbst auch mal ein paar einfache Abschlüsse serviert bekommen, statt 85 Prozent (!) seiner Field Goals selbst zu kreieren. Idealerweise würde das Kraft konservieren, die Doncic zuletzt am Ende von Spielen und in der Defense regelmäßig fehlte.
Bei allem offensiven Steigerungspotenzial ist das ohnehin der Bereich, in dem Dallas am meisten gefragt ist. Trotz der wackligen Chemie produzierten Doncic und Irving in ihren gemeinsamen Minuten ein Offensiv-Rating von fast 120, das über die Saison für Platz 1 gereicht hätte und das fast nur aufgrund ihrer individuellen Qualität zustande kam.
Es war die Defense, die vorher schon schlecht aussah und mit dem Trade erst recht katastrophal wurde. Dallas erlaubte über die letzten beiden Saisonmonate nach dem Irving-Trade 119,3 Punkte pro 100 Ballbesitze, nur fünf Teams waren in diesem Zeitraum noch schlechter.
"Ich glaube nicht, dass es uns schwerfallen wird, Punkte zu erzielen", sagte Head Coach Jason Kidd richtigerweise: "Es geht darum, Stopps zu generieren und konstant zu sein. Darüber werden wir im Film Room und auf dem Court sprechen."
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Dallas Mavericks und die Defense-Probleme: Chance für zwei Rookies
Beide Superstars haben über den Sommer immer wieder betont, dass es an ihnen liegt, defensiv anders aufzutreten und mit gutem Beispiel voranzugehen, was gerade Doncic zuletzt nicht tat. Allein schon im Fastbreak ließ er sein Team defensiv oft in Unterzahl, weil er zu sehr damit beschäftigt war, sich vorne noch mit den Schiedsrichtern zu streiten.
Gleichzeitig tragen Doncic und Irving in diesem Team eine so große Offensivlast, dass der defensive Löwenanteil vom restlichen Team geschultert werden muss. Die Mavs adressierten daher im Lauf der Offseason vor allem die Defense.
Die größte Verpflichtung in der Free Agency war 3-and-D-Forward Grant Williams und auch im Draft genoss Defense Priorität, als Dallas an Position 12 (Pick-Tausch mit Oklahoma City Thunder) Ringbeschützer Dereck Lively II und später noch den athletischen Forward Olivier Maxence-Prosper pickte.
Beide Rookies durften im ersten Preseason-Spiel prompt starten, Lively II auch beim zweiten Test gegen Minnesota. "Wir sollen die Drecksarbeit erledigen", sagte der Center über die gemeinsame Jobbeschreibung.
Es wird sich zeigen, wie oft man das Quintett Doncic-Irving-Williams-Prosper-Lively II auch in der Regular Season sehen wird (O-Max wurde im zweiten Test durch Josh Green ersetzt, der als Starter eigentlich gesetzt sein sollte), aber Kidd tut gut daran, die Rookies zumindest auszuprobieren.
Dallas Mavericks suchen die Center-Lösung
Die Mavs haben Bedarf an jungen Spielern, Defense und einer Athletik-Injektion, gerade im Frontcourt, nachdem über die vergangenen Jahre keine Lösung dauerhaft funktionierte.
JaVale McGee wurde im Sommer 2022 als designierter Ringbeschützer geholt, dieses Experiment ging aber so stark nach hinten los, dass der Center vor wenigen Wochen bei noch zwei ausstehenden Vertragsjahren entlassen wurde. Es kann nicht viel schlimmer laufen.
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Gleichzeitig kann sich Dallas in seiner Situation nicht von einem vielversprechenden, aber rohen Rookie-Center abhängig machen. Drei Veteranen stehen bereit (Dwight Powell, Maxi Kleber, Richaun Holmes), die Mavs wurden jedoch über die vergangenen Monate immer wieder auch mit anderen Bigs in Verbindung gebracht, insbesondere Deandre Ayton und Clint Capela.
Gut möglich, dass sich das Front Office auch nochmal in Portland meldet, um die Verfügbarkeit von Robert Williams III abzufragen. Es wäre naheliegend, bei dieser Position weiter nach einem Upgrade zu suchen. "Ein Rookie und drei Backups" ist normalerweise nicht die Kombination, mit der ein Team mit Contender-Ambitionen in die Saison starten will oder sollte.
Der Supporting Cast ist … besser?
Dessen ungeachtet wirkt das Team etwas runder als in der Vorsaison. Irving und Doncic haben mehr 3-and-D-Spieler an ihrer Seite, für zusätzliches Scoring und Dynamik können Green, Jaden Hardy, Tim Hardaway Jr. (bis er getradet wird) und Seth Curry sorgen.
Die Mavs können große Lineups auf den Court schicken, mit (beispielsweise) Doncic-Irving-Green-Williams-Kleber aber auch klein und switchable spielen, was in der 21/22er Saison überraschend zu einer Top-10-Defense geführt hatte.
Schlussendlich landet man jedoch immer wieder beim Star-Duo. Der Supporting Cast ist jünger und tiefer geworden, gerade im Westen ist die Rotation ab dem drittbesten Spieler aber unterdurchschnittlich, potenziell sogar sehr bieder, sollten die Rookies nicht einschlagen und junge Spieler wie Green oder Hardy keinen weiteren Sprung machen. Kyrie und Luka sind die Spieler, die aus diesem Kader etwas Besonderes herausholen müssen und dabei vorangehen sollen.
"Wir sind die zwei Anführer des Teams. Die anderen Leute werden auf das folgen, was wir tun", sagte Doncic: "Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, und es geht um uns alle. Nicht nur um uns zwei. Wir müssen spielen. Es gibt fünf Spieler auf dem Court. Es werden alle spielen, also müssen wir uns auch alle gegenseitig helfen."
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Dallas Mavericks: Geduld bei tickender Uhr
Die Mavs befinden sich in einer eigenartigen Situation. Viel im Team ist neu (aus der Conference-Finals-Rotation von 2022 sind noch vier Spieler da!) und im Normalfall müsste man dem Team eine gewisse Zeit geben, um sich einzuspielen. Gleichzeitig lastet enormer Druck auf dieser Mannschaft, nach der herben Enttäuschung im Vorjahr sind große Schritte nach vorne eigentlich unerlässlich.
Es ist entsprechend knifflig, die Mavs vor dem Saisonstart einzuordnen. Selbst mit einer großen Steigerung gäbe es keine Playoff-Garantie, dafür ist die Conference in der Breite zu stark. Und auch die Steigerung ist nicht garantiert – wenn Doncic oder Irving oder gar beide wieder regelmäßig ausfallen, fehlt es den Mavs nach wie vor an Creation-Alternativen.
Auf der anderen Seite könnten die Mavs unheimlich gefährlich werden, wenn sich Kyrie und Luka einspielen, Dallas eine Top-5-Offense stellt und die Defense wenigstens wieder mittelmäßig aussehen kann.
Zwischen "Doncic wird MVP" und "Doncic sieht keinen Fortschritt und wird der nächste Superstar, der einen Trade fordert" wirken für dieses Team viele Szenarien möglich. Es wird noch ein bisschen dauern, bis sich beurteilen lässt, ob der Mulligan den Mavs tatsächlich geholfen hat. Es gibt schließlich keine Garantie, dass der zweite Versuch besser funktioniert.