Basketball
NBA - Kolumne: Warum die Sixers Harden nicht mehr brauchten und vier weitere (Over-)Reactions zum Saisonstart
- Aktualisiert: 31.10.2023
- 14:28 Uhr
- Ole Frerks
Die erste Woche der NBA-Saison 23/24 ist in den Büchern (live auf ProSieben, ProSieben MAXX und ran.de). Von NBA-Kolumnist Ole Frerks gibt es dazu fünf (Über-)Reaktionen - eine natürlich auch zum Blockbuster-Trade um James Harden.
Von Ole Frerks
Die erste Woche der neuen NBA-Saison ist rum, alle Teams haben nun zumindest drei Spiele auf dem Buckel und wir wissen zwar noch nicht viel, aber einiges lässt sich erahnen.
Folglich gibt es in der neuen Kolumne von Ole Frerks fünf (Over-)Reactions zum Saisonstart. Mit dabei: James Harden und sein Blockbuster-Trade, die neuen Bad Boys aus Detroit und der amtierende EuroLeague-MVP.
Sixers brauchen James Harden nicht: Tyrese Maxey ist bereit für mehr
Tyrese Maxey ist nicht nur der frischgekürte Spieler der Woche in der Eastern Conference, er ist DER Gewinner des Saisonstarts und des ersten großen Star-Trades dieser Saison. Er ist der Grund, warum Philadelphia endlich den Trade von James Harden vollziehen konnte und endlich die (fehlgeleitete) Hoffnung darauf begrub, den früheren MVP irgendwann doch noch wieder ins Team zu integrieren.
Maxey ging mit einer imposanten Checkliste in die neue Spielzeit: Er soll Playmaking und Scoring von James Harden wettmachen, den Sprung zum zweiten legitimen Star der Sixers hinkriegen UND Joel Embiid davon überzeugen, dass es langfristig eine gute Idee ist, in der Stadt der Brüderlichen Liebe zu bleiben. Kaum Druck also, aber bisher ist der junge Guard aber auf einem sehr guten Weg.
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Maxey ist zu Beginn der Saison on fire – in jeder Hinsicht. Er traf bisher mehr als die Hälfte seiner Dreier (kleine Stichprobe, aber: Über die letzten beiden Jahre waren es auch jeweils 43%), etliche davon waren schwierige Pullups. Er zieht mehr als doppelt so viele Freiwürfe wie im letzten Jahr, ging in zwei Spielen zehnmal an die Linie, was er im vergangenen Jahr nicht ein einziges Mal schaffte. Er hält den Ball mehr in der Hand denn je und scort trotzdem effizienter. Es hört aber nicht bei den Punkten auf.
Maxey ist noch immer kein klassischer Point Guard und kein Passing-Savant wie Harden. Trotzdem springt seine Spielkontrolle bisher ins Auge, die Fortschritte sind klar erkennbar. Er findet Embiid regelmäßig in dessen Lieblings-Spots rund um die Freiwurflinie, hat den Court besser im Blick als in seinen ersten Jahren. Er gibt den Ball schneller und bereitwilliger ab und bleibt danach nicht stehen, auch Spieler wie Tobias Harris sind in einer von Maxey geführten Offense etwas mehr involviert.
Der vielleicht schnellste Spieler der NBA spielt nicht mehr ausschließlich mit Vollgas, sondern versteht es viel besser, wann und wie er das Tempo auch mal drosseln kann. Bisher stehen 19 Assists über drei Spiele lediglich drei Ballverluste gegenüber, das ist überragend, zumal er dabei trotzdem keineswegs übervorsichtig spielt.
Maxey zeigt kurzum, dass er die Show schmeißen kann. Er hat den Sixers inmitten des Harden-Zirkus etwas Ablenkung verschafft. Gleichzeitig verdeutlichte sein Saisonstart, dass es an der Zeit war, diesen Zirkus zu beenden und nach vorne zu blicken. Nun ist es nach einem zehrenden Prozess endlich so weit und Maxey kann endgültig der Chef im Ring bei den Sixers werden.
Der Trade bringt den Sixers in erster Linie Flexibilität zurück. Stand jetzt hat Philadelphia für kommende Saison nur Embiid fix unter Vertrag und massenweise Cap-Space. Mit den Assets und auslaufenden Verträgen könnte aber auch in dieser Spielzeit noch ein Trade für einen anderen Star folgen, der besser zum Star-Duo passt – und der Entwicklung von Maxey eben nicht im Weg steht.
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Detroit Pistons: Die Rückkehr der Bad Boys
Drei Meisterschaften hat Detroit in seiner Geschichte gewonnen, stets dank seiner Defense. Aktuell bewegen sich die Pistons zwar nicht in dem Bereich der 2004er Champions, die Playoff-Gegner unter 70 Punkten hielten, aber das "D" wird wieder großgeschrieben: 102, 99 und 102 Punkte erlaubten sie in den ersten drei Saisonspielen, lagen beim Defensiv-Rating 13 volle Punkte unter dem letztjährigen Liga-Durchschnitt, bevor wütende OKC Thunder ihnen nun 124 Punkte einschenkten.
Die Vision der Pistons sickert dennoch langsam durch: Über die vergangenen Jahre wurden im Draft mit (vielen) hohen Picks Athletik, Länge und Defense priorisiert. Der Ausfall von Bojan Bogdanovic führte den neuen Coach Monty Williams dazu, in der Starting Five nur auf Defense zu setzen: Cade Cunningham, Killian Hayes, Ausar Thompson, Isaiah Stewart und Jalen Duren sind alle mindestens solide, teilweise exzellente, große Verteidiger. Sie wurden alle seit 2020 in der Top 16 gedraftet.
Sie stehen allerdings, obwohl Detroit zwei der ersten vier Spiele gewann und dieses Lineup die meiste Spielzeit bekam, bei einem klar negativen Net-Rating (-18 laut nba.com/stats) … weil die Starter noch eine weitere Gemeinsamkeit haben. Keiner von ihnen schaffte bisher 33 Prozent von draußen über eine Saison, was nun wirklich keine besondere Marke ist. Stewart, der noch vor zwei Jahren fast gar keine Dreier nahm, ist im Starting Lineup der designierte Floor-Spacer (aktuell: 6/14). Heißt: Spacing ist in Detroit keine Baustelle, sondern nicht vorhanden.
Das erhöht den Schwierigkeitsgrad insbesondere für Cunningham. Der einstige Nr.1-Pick sah gegen Miami (30 Punkte, 9 Assists) und Chicago (25 und 10) exzellent aus, setzte seinen Körper gut ein, um vor allem an seine Spots in der Mitteldistanz zu kommen, fand Duren als Roll-Man und traf bisher auch den eigenen Dreier besser. Dabei ist er oft der einzige Creator auf dem Court und nahezu die gesamte Zeit über eingeparkt.
Es ist kein Schocker, dass Cunningham nach vier Saisonspielen schon bei 21 Ballverlusten steht und die Liga damit anführt. Bei Drives kann sich die gesamte Defense auf ihn fokussieren und den Court schrumpfen, weil von jedem seiner Mitspieler ausgeholfen werden kann. Dieses Bild zeigt recht gut, wie wenig Platz Cunningham auf dem Court hat. Er operiert in einer Telefonzelle (cc Nekias Duncan).
Es ist daher auch kein Schocker, dass die Pistons umgehend besser aussehen, sobald wenigstens ein Shooter auf dem Court steht. Momentan ist Alec Burks der größte "Unterschiedsspieler" für Detroit. Lineups, in denen er den Platz von Hayes oder Thompson mit den Startern einnimmt, funktionieren gut – an beiden Enden. In erster Linie haben sie zu den beiden Siegen geführt.
Es ist legitim, dass Defense Priorität genießt und dass Williams seine zahlreichen jungen Spieler einsetzen will. Es wäre aber auch ratsam, die Balance dabei nicht komplett außer Acht zu lassen. Für Cade, aber auch für Duren könnte das Leben auf dem Court deutlich leichter sein. Selbst die Bad Boy Pistons hatten Platz für Spieler, die (relativ zu ihrer Ära) das Feld ein bisschen breit machen konnten.
Patrick Williams braucht einen Rettungsring bei den Chicago Bulls
Vor wenigen Tagen berichtete Zach Lowe (ESPN), der Bulls-Youngster hoffe auf einen Vertrag in der 200-Millionen-Dollar-Range und habe daher keine vorzeitige Verlängerung in Chicago unterschrieben. Vier Spiele hat Williams seither absolviert und darin 8, 3, 0 und 9 Punkte erzielt. Auf seinen ersten versuchten Freiwurf und seinen ersten Abschluss am Ring der Saison warteten Zuschauer bis zum vierten Spiel. Vom erhofften Sprung ist bis dato nichts zu sehen, im Gegenteil.
Williams befindet sich bei den Bulls seit jeher in einer komischen Situation. Als Nr.4-Pick vor beispielsweise Tyrese Haliburton gedraftet, hatte er nahezu von Beginn an nur eine marginale Rolle in der Offensive. Teilweise ist das der Bulls-Kaderkonstruktion mit ihrer "Big 3" geschuldet, die einen sehr großen Teil der Offense schultert, teilweise wohl auch der eigenen Passivität.
Versuche von Billy Donovan, mit harten Ansprachen eine gewisse Aggressivität aus Williams herauszukitzeln, liefen bisher ins Leere. Der noch immer erst 22-Jährige hat dabei durchaus schon Ansätze gezeigt, in der Defense sogar mehr als das. Diese Ansätze machen es umso frustrierender, wie oft er dann trotzdem wieder in der Versenkung verschwindet und abtaucht.
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Aktuell wirkt es, als stünde die Beziehung zwischen Williams, den Bulls und Donovan an einem Wendepunkt. Im zweiten Saisonspiel ließ ihn der Coach ganze 13 Minuten spielen – als sein Team das Spiel in der Overtime noch gewann, wirkte Williams abwesend. Gegen Detroit waren es immerhin 21 Minuten, aber nur drei Würfe, während Zach LaVine exakt die Hälfte der 102 Bulls-Punkte erzielte und keinen Assist verzeichnete. Im letzten Viertel gegen Indiana sah Williams erneut nur zu. Es wirkt, als hätte er sein Selbstvertrauen nahezu komplett verloren.
Es kann nicht so weitergehen, weder für Chicago noch für Williams selbst. Spieler und Team brauchen eine Neuausrichtung, wenn nicht sogar einen Ausweg aus der aktuell für alle unbefriedigenden Situation. Mit dem jetzigen Ansatz wird Chicago nie herausfinden, wie gut Williams eigentlich sein kann. Das wäre in Jahr vier, vor dessen Restricted Free Agency, langsam aber ziemlich wichtig.
Sasha Vezenkov: Der EuroLeague-MVP kommt zurecht
In der vergangenen Saison stellten die Sacramento Kings das beste Offensiv-Rating der NBA-Geschichte (119,7 laut Cleaning the Glass). Über die ersten drei Spiele zeigte das Team aus der kalifornischen Hauptstadt, dass es durchaus gewillt ist, daran anzuknüpfen – und dass es, trotz schwacher Shooting-Starts einiger Spieler (vor allem Kevin Huerter) auch die Tools hat, um das zu schaffen. Mehr noch als im Vorjahr.
Von den Neuzugängen sieht Chris Duarte bisher die meisten Minuten, den größten Impact hat jedoch ein anderer, der noch amtierende EuroLeague-MVP Sasha Vezenkov. Der 28 Jahre junge Rookie wirkt wie ein perfekter Fit für die variable, dynamische Offense Sacramentos. Wenn er so weitermacht wie bisher, wird Mike Brown nicht umhinkommen, Vezenkov mehr Spielzeit und Touches zu geben.
Vezenkov verfügt über einen exzellenten Wurf mitsamt schnellem Release, was bei seiner Größe dazu führt, dass er kaum geblockt werden kann. Er bewegt sich sehr gut abseits des Balles und ist bereits dabei, eine gute Chemie mit Domantas Sabonis zu etablieren. Sein Wurf ist eine legitime Waffe – in nur 45 Minuten Einsatzzeit nahm Vezenkov bisher 15 Dreier (sechs Treffer), überwiegend aus dem Catch-and-Shoot.
Die Kings nehmen mehr Dreier als jedes andere NBA-Team, Vezenkov passt damit also bestens herein. Sein offensives Skillset beschränkt sich indes nicht nur auf das bereits wertvolle Movement-Shooting, er ist auch ein bereitwilliger und smarter Cutter, gegen den sich die Defense zu keinem Zeitpunkt ausruhen kann.
Er selbst hat defensiv noch einen gewissen Weg vor sich und hat selbst zugegeben, dass er sich noch an das NBA-Tempo gewöhnen muss. Das war allerdings auch zu erwarten (gegen die Lakers hatte er defensiv schon einige starke Szenen). Dass er trotzdem schon jetzt einen klar positiven Einfluss auf das Team hat, wenn er auf dem Court steht, macht Hoffnung für den weiteren Saisonverlauf.
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Denver Nuggets: Die Bank ist … okay?!
Viel wurde in der Offseason darüber gesprochen, wie problematisch der Verlust von insbesondere Bruce Brown für Denver werden könne und wie wacklig die Bank nun aussehe. Es bleibt weiterhin möglich, dass die Bank für den Champion noch zu einem Thema wird. Die ersten Eindrücke allerdings zeichnen ein anderes Bild.
Reggie Jackson wirkt besser integriert als in der vergangenen Saison nach seinem Midseason-Trade. Christian Braun hat mehr Spielanteile, trifft bisher zwar von draußen kein Scheunentor, überzeugt aber mit physischen Drives, Arbeit am offensiven Brett und gutem Auge für den Mitspieler (3,3 Assists in 22 Min. Spielzeit).
Peyton Watson hat gelernt, wie man im Nuggets-Ökosystem Off-Ball cuttet, trifft bisher seine Würfe und hat defensiv bemerkenswert starke Phasen. Gegen OKC machte er phasenweise keinem Geringeren als Shai Gilgeous-Alexander das Leben zur Hölle (Hier geht's zum Relive) und zeigte sein Potenzial als Shotblocking Guard. Julian Strawther kam noch nicht allzu viel zum Einsatz, war dafür aber eine Offenbarung in der Preseason.
Die Stichprobe ist logischerweise noch winzig, auf den großen Positionen fehlt abgesehen von Zeke Nnaji weiterhin auch eine Option, trotzdem könnte es sein, dass die Hoffnung auf eine vermeintliche Schwäche der Nuggets keine starke Grundlage hat. Michael Malone staggert Nikola Jokic und Jamal Murray neuerdings häufiger, was mit dabei hilft, dass die Nuggets kein Kanonenfutter mehr sind, wenn der Serbe auf der Bank sitzt. Das sollte der Konkurrenz Angst machen.
Denn: Wenn die Minuten ohne Jokic kein klarer Gewinn für den Gegner sind, was wird es dann? Gegen die Starting Five ist erst recht kein Kraut gewachsen. Jokic, Murray, Kentavious Caldwell-Pope, Michael Porter Jr. und Aaron Gordon sind das harmonischste Quintett seit der Jackson 5, verstehen sich blind und überrennen selbst gute Teams, wenn sie ernst machen.
Oh, und das hier ist einer der besten Pässe, die es in der NBA bisher so gegeben hat. Jemals. Dieses Team wirkt alles andere als satt und schwebt Stand jetzt ein ganzes Stück über der Konkurrenz.
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NBA Live-Übertragung: Die nächsten Spiele live bei ProSieben MAXX
Samstag, 4. November, 23:45 Uhr: Los Angeles Lakers at Orlando Magic (live auf ProSieben MAXX und im Livestream auf ran.de, in der ran-App und auf Joyn)
Sonntag, 5. November, 21:00 Uhr: Toronto Raptors at San Antonio Spurs (live auf ProSieben MAXX und im Livestream auf ran.de, in der ran-App und auf Joyn)