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NBA-Kolumne - Siakam-Trade in der Analyse: Indiana Pacers drücken den Turboknopf
- Aktualisiert: 29.01.2024
- 18:38 Uhr
- Ole Frerks
Die Toronto Raptors haben sich nun auch vom letzten Leistungsträger ihres Championship-Teams getrennt. Pascal Siakam geht zu den Indiana Pacers, die er auf die nächste Stufe heben soll. Was bedeutet der Trade für die beiden Teams (und die New Orleans Pelicans)?
von Ole Frerks
Geht das als Blockbuster durch? Drücken wir es mal so aus: Die Trade Deadline ist zwar noch etwas mehr als zwei Wochen entfernt, dennoch ist die Chance relativ hoch, dass in diesem Fenster der beste Spieler bereits bewegt wurde. Pascal Siakam verlässt die Raptors als zweimaliger All-NBA-Spieler und ist damit ziemlich sicher auch der höchstdekorierte Spieler, für den die Pacers jemals getradet haben.
Für beide Teams markiert der Deal eine Zäsur.
Toronto hat sich nun endgültig komplett von dem Kader getrennt, der 2019 noch die Meisterschaft gewann (Chris Boucher, der in den Playoffs vier Minuten spielte, mal ausgeklammert – und Blake Murphy zufolge soll auch er noch getradet werden), während Indiana auf dem vielversprechenden Start der "Ära" Tyrese Haliburton aufbauen will.
Schon im vergangenen Sommer sprachen die beiden Teams über einen Siakam-Trade, nun ist es tatsächlich passiert, mit den Geld sparenden New Orleans Pelicans als drittem Tausch-Partner.
Das Wichtigste in Kürze
So lief der Trade im Detail
Indiana bekommt: Pascal Siakam, 2024er Zweitrundenpick
Toronto bekommt: Bruce Brown, Kira Lewis Jr., Jordan Nwora, zwei 2024er Erstrundenpicks, 2026er Erstrundenpick
New Orleans bekommt: Cash Considerations
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Die Pelicans haben Platz
Der kleinste Teil des Trades ist am schnellsten abgehandelt. New Orleans befand sich 2,9 Millionen Dollar über der Luxussteuergrenze und hatte keinen Platz für Lewis Jr., der nur 144 Minuten in dieser Saison gespielt hat und dafür 5,7 Millionen Dollar bekommen sollte. Der Nr.13-Pick von 2020, noch immer erst 22 Jahre alt, wird im kommenden Sommer Restricted Free Agent und es galt als sehr unwahrscheinlich, dass New Orleans ihn hätte behalten wollen.
Durch den Trade, in dem die Pels sonst nur einen Zweitrundenpick von vermutlich geringem Wert abgeben mussten, kommt das Team unter die Luxussteuergrenze und hat dabei noch zwei Kaderplätze frei. New Orleans erhöht also seine Flexibilität und spart für den Moment, laut ESPN-Experte Bobby Marks, rund 18 Millionen Dollar an Gehalt und Luxussteuern.
Siakam-Trade: Toronto beendet seine Ära
Für die Pelicans war das Timing sehr gut, um sich an einen Trade einfach dranzuhängen und damit ein Problem zu lösen. Bei den Raptors lässt sich das so nicht behaupten. Und das bezieht sich nicht auf den Gegenwert, den Toronto nun in zwei Trades für Siakam und O.G. Anunoby erhalten hat – sondern eher darauf, dass die Raptors ihr "Problem" im Lauf des letzten Kalenderjahres unnötig verlängert UND größer gemacht haben.
Auch in der vergangenen Saison waren die Kanadier sportlich nahezu von Beginn an enttäuschend unterwegs, der Fit zwischen dem größten Talent (Scottie Barnes) und dem restlichen Kader, insbesondere den beiden prominenten Starting Forwards, wirkte nicht ideal. Bis zur Deadline hielten sich Gerüchte, dass Toronto mit einem oder mehreren Trades etwas daran ändern, als Seller auftreten und den Rebuild einleiten würde. Es hätte wohl Sinn ergeben.
Toronto entschied sich damals anders. Die Raptors behielten all ihre Trade-Kandidaten und gaben stattdessen selbst einen Erstrundenpick für Jakob Pöltl ab, der wertvoller werden könnte als die drei Picks, welche nun für Siakam zurückgekommen sind (er ist über die nächsten drei Jahre Top-6-geschützt). Pöltl unterschrieb dann im Sommer einen neuen Vierjahresvertrag über 78 Millionen Dollar, ohne als Non-Shooter ein logischer Fit neben Siakam oder Barnes zu sein.
Fred VanVleet wechselte derweil komplett ohne Gegenwert nach Houston. Siakam, Anunoby und Gary Trent Jr. gingen als lahme Enten in die laufende Spielzeit. Zwischen Siakam und Team-Präsident Masai Ujiri gab es wohl seit Monaten keinen Kontakt mehr, um noch über einen möglichen neuen Vertrag zu sprechen. Das Tischtuch schien zerschnitten, spätestens nachdem Ujiri den Kameruner auf einer Pressekonferenz vor der Saison indirekt als "selbstsüchtig" bezeichnet hatte.
Der ideale Zeitpunkt wurde in mehreren Fällen verpasst. Es hätte ein Szenario geben können, in dem das Front Office früher Nägel mit Köpfen gemacht und den nötigen Rebuild eingeleitet hätte. Mit dem Extra-Jahr an Vertragslaufzeit hätten sowohl Anunoby als auch Siakam potenziell noch mehr Gegenwert bringen können, schwerer wiegt aber der Pick, der – obwohl Pöltl ein guter Center ist – unnötigerweise abgegeben wurde. Das sollte bei der Bewertung der diesjährigen Aktivitäten nicht unter den Tisch fallen.
Ujiri und General Manager Bobby Webster haben nun aber immerhin einiges repariert. Für Anunoby kam aus New York spielerischer Gegenwert zurück – Immanuel Quickley und R.J. Barrett haben schon gezeigt, dass sie ins Team passen können, auch wenn Toronto nach kurzem Zwischenhoch sieben der letzten acht Spiele verloren hat.
Für Siakam kam vor allem Draft-Kapital. Wobei es hier eher um die Masse geht als die Klasse – alle Picks dürften außerhalb der Lottery landen (dafür muss Indiana in diesem Jahr und in 2026 die Playoffs erreichen, und in diesem Jahr MINDESTENS ein Team aus OKC, Houston, den Clippers oder Utah). Toronto hat immerhin eine gute Draft-Historie außerhalb der Lottery (siehe: Anunoby, Siakam und VanVleet), wenngleich Experten den kommenden Jahrgang als schwach einstufen.
Die Neu-Strukturierung muss auch noch nicht abgeschlossen sein. Insbesondere bei Brown ist die Chance recht hoch, dass ein weiterer Trade noch folgt, da der variable Swingman für Contender wesentlich mehr Sinn ergibt als im Raptors-Neuaufbau. Am Wochenende brachte er sich selbst recht deutlich bei den Knicks ins Gespräch („Ich kann alles tun, was Tom Thibodeau von mir verlangt“).
Marc Stein zufolge wollen die Raptors einen Erstrundenpick sowie einen guten Spieler für Brown, der im vergangenen Juni mit Denver Champion wurde. Interessenten dürfte es geben, zumal sein Vertrag für die kommende Saison eine Team-Option beinhaltet und dadurch finanzielle Flexibilität mit sich bringt.
Trent Jr. und Boucher werden bis zum 8. Februar voraussichtlich auch eher aus dem Koffer leben. Möglich ist auch ein Trade von Dennis Schröder, wenn das Angebot passt – je nachdem, welche Pläne die Raptors haben. In der Theorie ist das Play-In ja weiter möglich, 2,5 Spiele trennen Toronto von den Hawks, die selbst niemandem Angst einjagen. Die besten Lottery-Odds für 2024 sind dagegen wohl schon außer Reichweite, weil die drei schlechtesten Teams der Liga alle noch nicht einmal zehn Siege geholt haben.
Vermutlich werden die Raptors das Play-In trotzdem nicht priorisieren. Der Versuch, zwischen Neuaufbau und Playoff-Ambitionen zweigleisig zu fahren, hat Toronto ja erst in die Situation gebracht, in der sie sich nun über die letzten anderthalb Jahre befanden – jetzt ist die Vision wieder klarer. Es soll neu aufgebaut werden. Um Barnes, Quickley, Barrett … und der Rest wird sich zeigen.
Indiana drückt auf die Pace
Indiana galt jahrzehntelang als eine der konservativsten, um nicht zu sagen vorsichtigsten Franchises auf dem Trade-Markt. Das ist mit dem aktuellen Front Office nicht der Fall: Tyrese Haliburton kam im Februar 2022 für Domantas Sabonis in einem Trade, der für sie kaum besser hätte laufen können (in Sacramento ist man auch nach wie vor zufrieden). Zwei Jahre später soll ein weiterer Trade den perfekten Running Mate an die Seite des Point Guards stellen. Ist das realistisch?
Siakam ist fast sieben Jahre älter als Haliburton, sein Vertrag läuft aus, wobei die Chance bei über 99% liegen dürfte, dass es zwischen ihm und den Pacers vor dem Trade bereits Kommunikation dazu gab, wie es über den Sommer hinaus weitergeht. Er ist ein spezieller Spielertyp, kein konstanter Shooter von draußen (32,7%). Es gibt Fragen dazu, wie sein Spiel in den 30ern altern wird und ob er einen etwaigen hochdotierten Vertrag dann noch rechtfertigen kann.
Das ist alles legitim – und andererseits repräsentiert der Kameruner ein massives Talent-Upgrade für ein Team, das bisher zwar keine One-Man-Show war, aber dringend eine zweite, verlässliche Scoring-Option brauchte. Indiana musste für einen solchen Spieler weder Premium-Assets abgeben noch Spieler, die in der aktuellen Rotation unverzichtbar waren. Die Lottery-Talente Jarace Walker und Benn Mathurin wurden behalten, Brown, der eine bloß solide Saison spielte, war entbehrlich.
Und Siakam kann bei den Pacers gut hereinpassen. Vielleicht macht der 29-Jährige sogar noch einen Schritt: Seit 2019 hatte er kein so gutes Spacing mehr neben sich, noch nie spielte er in einem so schnellen Team. Beides sollte seiner Effizienz entgegenkommen, die in den vergangenen Jahren zu den größeren Kritikpunkten an seinem Spiel gehörte (in der laufenden Saison betrug seine True Shooting Percentage in Toronto 60%, Höchstwert seit 18/19).
Siakam zählt seit Jahren zu den besten und effizientesten Transition-Spielern der Liga. Indiana zählt zu den aggressivsten Transition-Teams, selbst nach kassierten Field Goals rennen sie regelmäßig zu Abschlüssen nach wenigen Sekunden. Siakam verschafft Indiana hierfür eine weitere gefährliche Waffe, das war auch in den ersten beiden Spielen bereits zu sehen, auch wenn sie verloren wurden.
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Auch im Halbfeld ist Siakam besser als seine Reputation. Die Zeit zu Beginn seiner Karriere, in der er vom Spin-Move abhängig war, ist lange vorbei – er ist ein guter Midrange-Shooter, kann aus dem Post agieren (1,05 Punkte pro Post-Up Play in dieser Spielzeit – besser als beispielsweise Alperen Sengün, Domantas Sabonis oder Giannis Antetokounmpo), kann aus dem Drive heraus abschließen oder offene Mitspieler finden.
Er traf in dieser Saison bisher 58% seiner Zweier, trotz schwerer Wurfdiät und trotz der Tatsache, dass ihm in Toronto oft mehrere Mitspieler quasi im Weg standen. Das ist bei den Pacers, die einen Shooting Big in Myles Turner neben Siakam aufstellen und 4-Out spielen, nicht mehr der Fall.
Siakam kann auch als Hauptinitiator in Lineups auftreten, in denen Haliburton gerade pausiert – oder auch mal in dessen Minuten. Haliburton ist immerhin einer der besten Shooter der Liga, genau wie Buddy Hield. Werden beide als Off-Ball-Waffen neben Siakam eingesetzt … hat man noch nicht die Splash Brothers und Draymond Green in ihrer Prime, aber definitiv ein Trio, das gegnerische Verteidigungen vor massive Probleme stellen kann.
Offensiv sind die Pacers ohnehin überragend (122 Punkte pro 100 Ballbesitzen, Liga-Rekord), aber gerade am Ende von Spielen eben auch ziemlich abhängig von Haliburton, dem in den Playoffs sehr viele Blitzes und Traps winken werden. Siakam kann dabei helfen, hat in der Vergangenheit schon als zweite Option neben einem Superstar funktioniert (auf dem höchsten Level 2019, als er in den Finals zweitbester Raptors-Scorer nach Kawhi Leonard war).
Zudem ist er ein legitimer Two-Way-Player mit Länge, was Indiana erst recht gebrauchen kann. Über die letzten Wochen ist die Defense zwar deutlich besser geworden, nachdem Rick Carlisle die Starting Five verändert hat, noch immer reicht es aber ligaweit nur für den 27. Platz (120,9). Siakam kann das nicht allein fixen, aber zu einer insgesamt stärkeren Defense beitragen.
Unterm Strich macht Siakam die Pacers schlichtweg besser. Mit ihm wird die Distanz zu den besten Teams der Conference etwas geringer, Indiana hat seinen Kern nicht kaputtgemacht, sondern erweitert, und für diesen Trade nicht seine Zukunft verpfändet. Es gibt immer noch Flexibilität und Siakam ist ein Spieler, der vom Skillset und der Position her klare Needs im Team erfüllt.
Vielleicht ist es gar nicht so kompliziert. Den "Franchise-Veränderer-Trade" hat Indiana mit dem Haliburton-Deal schon hinbekommen. Nun geht es darum, ihm ein starkes Team an die Seite zu stellen. Der Siakam-Trade bringt sie diesem Ziel wohl ein ganzes Stück näher.