Die NBA Draft-Class von 2021
NBA-Kolumne: Wagner, Mobley, Giddey & Co. - Wie gut der 2021er Draft wirklich ist
- Aktualisiert: 17.10.2023
- 17:28 Uhr
- Ole Frerks
Der 2021er Draft-Jahrgang wurde im ersten Jahr stark gehypt und potenziell sogar als historisch ins Spiel gebracht. Auf die erste All-Star-Nominierung wartet die Klasse nach zwei Jahren aber noch. Wie gut ist der Jahrgang wirklich, und wie gut wird er werden? Eine Analyse.
von Ole Frerks
84, 96, 2003, so stimmen wir ALLE … Moment, falscher Text. WENN die Sportfreunde Stiller jedoch die besten Draft-Jahrgänge in der NBA besungen hätten, wären es wohl diese: Jordan-Hakeem-Barkley-Stockton et al. 1984, Kobe-Iverson-Nash-Allen et al. 1996 und LeBron-Wade-Melo-Bosh in 2003 sind der Goldstandard.
Diese Jahrgänge brachten so viele Legenden und Qualität in der Breite hervor, dass es auf ewig schwer bleiben wird, mit ihnen zu konkurrieren, auch wenn einige andere (etwa 85 oder 2009) nicht so weit weg sind.
Für 2021 steht die endgültige Bewertung natürlich noch aus – was einige Experten jedoch im ersten Jahr nicht davon abhielt, die Klasse als historisch ins Gespräch zu bringen. Im zweiten Jahr hingegen kühlte der Hype etwas ab, nicht bei allen Spielern verlief die Entwicklung linear, einige (etwa Rookie of the Year Scottie Barnes) enttäuschten sogar.
Es ist eine legitime Frage, wo der Jahrgang gerade steht und wohin sich die Spieler entwickeln werden. Versuchen wir also, genau diese Fragen zu beantworten – natürlich nicht für alle 60 damals gepickten Spieler, zu denen Austin Reaves übrigens nicht gehörte, aber für die meiner Meinung nach interessantesten Spieler.
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Der Einfachheit halber werden sie in Tiers sortiert. Mit Busts, die es in jedem Jahrgang gibt, halten wir uns nicht groß auf … wir wissen alle, dass San Antonio an Position 12 lieber nicht Josh Primo gepickt hätte, der längst entlassen wurde und kürzlich als Two-Way-Player bei den Clippers angeheuert hat. Schauen wir stattdessen, was der Jahrgang hergibt bzw. hergeben kann.
Tier 5: (Gute) Rollenspieler
Als Zweitrundenpick konnte Herb Jones bereits in diesem Sommer zum Restricted Free Agent werden und dadurch als erster Spieler seines Jahrgangs einen Anschlussvertrag unterschreiben. Knapp 54 Millionen Dollar kassiert er über die kommenden vier Jahre bei den Pelicans, wird also bezahlt wie der gute Rollenspieler, der er jetzt schon ist.
Jones ist kein guter Dreierschütze und damit ein etwas limitierter Offensivspieler, auch wenn er sich gut abseits des Balles bewegt und ein gutes Auge für seine Mitspieler hat. Er ist dafür einer der besten Verteidiger auf dem Flügel, der regelmäßig allen möglichen Perimeter-Stars das Leben zur Hölle macht und trotz schwierigster Aufgaben am Ball auch einer der besten Balldiebe der Liga ist.
Selbst wenn sich der 24-Jährige nicht mehr weiterentwickeln sollte, wovon nicht auszugehen ist, repräsentiert er einen Spielertyp, den jedes Team gebrauchen kann und der über Jahre eine gute Rolle spielen kann, als Teil mehrerer All-Defensive Teams. Wenn er seinen Wurf entwickelt, könnte er zu einem der besten Rollenspieler der NBA werden und wäre dann sogar unterbezahlt.
Quentin Grimes wurde 10 Positionen vor Jones gedraftet, geht an Nr. 25 aber auch noch als Steal durch. Der Knicks-Guard ist defensiv nicht ganz so überragend, aber solide, und ein wesentlich besserer und willigerer Dreierschütze. Zuletzt traf er 39 Prozent von draußen und 71 Prozent am Ring, eine exzellente Kombination, von sonderlich vielen anderen Spots versuchte er es gar nicht.
Grimes hat sich Head Coach Tom Thibodeau gegenüber auch deshalb aufgedrängt, weil er für einen jungen Spieler schon sehr genau weiß, was er kann und was nicht seine Aufgabe ist. Letzteres gilt auch für Corey Kispert, dem die defensive Klasse abgeht, der jedoch mit seinem Wurf (42,4 Prozent Dreier bei 6,6 Versuchen pro 36 Minuten) ebenfalls über Jahre eine vernünftige Rolle spielen sollte.
Davion Mitchell wurde an Position 9 zu hoch gepickt und ist offensiv ziemlich harmlos, dafür aber einer der ekligsten Point-of-Attack-Verteidiger und Chaser der Liga. Immerhin.
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Tier 4: Die Zeit drängt
Selbst in der Lottery, also unter den ersten 14 Picks, gibt es mehr Spieler, bei denen noch nicht absehbar ist, wohin die Reise geht. Bei einigen davon wird es langsam Zeit. Vier von ihnen fallen in dieses Tier, zumal sie alle bei ambitionierten Teams spielen und bisher etwas schuldig geblieben sind.
Jonathan Kuminga ist aktuell in erster Linie der Spieler, den die Warriors an Position 7 anstelle von Franz Wagner gepickt haben. Ein überragender Athlet, dem es bisher an Konstanz fehlte und der sich schwer damit tat, eine feste Rolle im Warriors-System zu finden. In den vergangenen Playoffs sah er bloß 6 Minuten pro Spiel (nach 20,8 in der Regular Season), Steve Kerr nannte danach sein schwaches Rebounding als Grund für die minimale Rolle.
Kuminga gibt an, daran gearbeitet zu haben, und überragt bisher in der Preseason. Für die Warriors wäre es nützlich, da sie den Forward eigentlich brauchen – das Team ist durch den Trade für Chris Paul noch kleiner und älter geworden, hinter beziehungsweise neben Draymond Green sind Minuten verfügbar. Womöglich kommt der Paul-Trade Kuminga auch in anderer Hinsicht entgegen.
Kerr hat angekündigt, den Point God mehr Pick’n’Rolls laufen zu lassen, nachdem die Warriors seit Jahren die wenigsten Plays dieser Art in der Liga liefen. Kuminga könnte das helfen, wenn er zu Pauls Roll-Man wird und seine Rolle etwas weniger komplex wird. Er wäre nicht der erste Top-Athlet, der so von CP3 profitiert … gleichzeitig muss die Hoffnung auch lauten, dass er nach zwei Jahren nun etwas instinktiver versteht, wie er sich neben Stephen Curry, Draymond und Co. zu bewegen hat.
Diese Hoffnung besteht auch bei Moses Moody. Dessen Rolle war im Vorjahr zwar in den Playoffs vergleichbar zur Regular Season, aber auch nicht wirklich groß (13,4 MPG). Moody hat nicht die Upside seines Mit-Draftees, aber einen soliden Wurf, lange Arme und das Profil eines guten 3-and-D-Spielers. Noch hat er defensiv jedoch nicht die nötige Konstanz gezeigt, weshalb Kerr oft eher den Veteranen vertraute als Moody.
Golden State versuchte über die vergangenen Jahre, zweigleisig zu fahren – ein Titelkandidat sein, der gleichzeitig Talente entwickelt. Das ist vorbei. James Wiseman und Jordan Poole sind weg, nur Kuminga und Moody sind von der "jungen Timeline" noch übrig und haben keinen Welpenschutz mehr. Sie stehen langsam in der Pflicht, in der Gegenwart zu helfen, ansonsten könnten auch sie während der Saison für Spieler eingetauscht werden, die genau das tun.
Jalen Suggs galt 2021 als Sure Thing und es ging als moderater Schocker durch, als Toronto an Position 4 nicht ihn, sondern Scottie Barnes pickte. Bisher konnte er diesen Status nicht rechtfertigen. Zum einen plagte sich Suggs mit einigen Verletzungen herum, weshalb er in zwei Jahren bloß 101 Spiele absolvieren konnte. Noch mehr plagte ihn aber die eigene Offense.
Suggs ist ein exzellenter Guard-Verteidiger, am anderen Ende des Courts hatte er bisher massive Probleme. Als Rookie war er einer der ineffizientesten Scorer der Liga mit einer der höchsten Turnover-Raten. In Jahr zwei wurde beides etwas besser, aber nicht gut (31. Perzentil bei der Effizienz – 12. Perzentil bei der TO-Rate). Dabei reduzierten die Magic seine Verantwortung bereits merklich.
Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Orlando ist im Frontcourt exzellent besetzt, im Backcourt hingegen ist Suggs einer von vielen Spielern, die um eine feste Rolle kämpfen. Mit Ausnahme des Veteranen Gary Harris sind fast alle jung und ambitioniert.
Suggs, Markelle Fultz, Cole Anthony und Nr.6-Pick Anthony Black eint außerdem die Tatsache, dass sie keine überragenden Distanzschützen sind. Eigentlich ist das nicht ideal, um die Forwards Wagner und Paolo Banchero zu umgeben, die beide viel Offense kreieren sollen und Platz dafür brauchen.
Suggs hat den defensiven Trumpf auf seiner Seite – Orlando war in seinen beiden Jahren defensiv ein stärkeres Team, wann immer er auf dem Court stand. Er wird aber auch offensiv eine Rolle finden müssen, um seine hohe Draft-Position in Zukunft rechtfertigen zu können. Er steht vor einem Schicksalsjahr, zumal die Magic den nächsten Schritt machen wollen.
Die Grizzlies sind schon einige Schritte weiter, stehen aber vor eigenen Herausforderungen. Ja Morant verpasst mindestens die ersten 25 Saisonspiele. Tyus Jones und Dillon Brooks sind weg, Marcus Smart ist da, wird aber nicht beide Abgänge UND Morant ersetzen können. Es braucht Fortschritte auf den Flügelpositionen, wenigstens einer der vielen jungen Spieler muss eine größere Rolle übernehmen.
Der Top-Kandidat dafür ist Ziaire Williams, der schon im 22er Sommer als Brooks-Ersatz gehandelt wurde, dann jedoch mit Verletzungen beschäftigt war und kaum ein Scheunentor traf, wenn er denn spielte (25,8% Dreierquote). In den vorigen Playoffs hatte Williams mit 20 Jahren noch teils richtig vielversprechende Auftritte als 3-and-D-Forward gezeigt, sein zweites Jahr war ein Rückschritt.
Nun kann er, gerade zu Saisonbeginn, trotzdem eine große Rolle spielen. In Morants Abwesenheit wird Memphis Spiele mit der Defense gewinnen müssen. Smart, Desmond Bane, Williams, Jaren Jackson Jr. und Steven Adams könnten eine gigantische, defensivstarke Kombination sein – fraglich wäre, ob dieses Quintett selbst genug scoren kann, ansonsten könnte statt Williams auch Edelshooter Luke Kennard den fünften Starter geben.
So oder so braucht Memphis einen Spieler von Williams‘ Profil. Der einstige Nr.10-Pick ist einen Kopf größer als Smart, hat im Gegensatz zu Bane lange Arme, ist ein starker Athlet – er hat eigentlich die richtigen Anlagen, um der große Wing-Stopper zu werden, den Memphis seit längerem sucht. Er muss sich die Rolle nur eben jetzt sichern.
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Tier 3: Star-Upside mit Fragezeichen
Brooks soll nun in Houston gemeinsam mit Fred VanVleet und dem neuen Head Coach Ime Udoka dafür sorgen, dass Seriosität einkehrt beim chaotischsten Team der Liga (wer hier bei Brooks eine gewisse Ironie sieht, darf sie behalten).
Die Rockets wollen besser werden, professioneller, und sie wollen entsprechende Entwicklungen auch von ihren jungen Spielern sehen. Allen voran von Jalen Green und, in der Hierarchie etwas weiter unten, auch von Alperen Sengün.
Der Türke ist einer der interessantesten Center der Liga – ein kreativer Passer mit toller Fußarbeit und einem eigenwilligen, aber effektiven Push Shot. Sengün war über die vergangenen zwei Jahre eine Turnover-Maschine und trotzdem einer der wenigen Lichtblicke in Houston, weil er es zumindest versuchte, der Offense eine gewisse Struktur zu geben und andere in Szene zu setzen.
Er ist als Scorer noch so ineffizient, dass die "Jokic Light"-Rufe übertrieben daherkommen, hat am offensiven Ende aber tatsächlich Star-Potenzial. Die Frage ist, ob er defensiv wenigstens akzeptabel sein kann.
Green wiederum soll Houstons Franchise Player sein. Der Guard hat einen der besten ersten Schritte der Liga, starke Fußarbeit, einen guten Wurf, ein schier grenzenloses Scoring-Arsenal, zumal er regelmäßig an die Freiwurflinie kommt. Es wäre kein Schocker, wenn er die Liga eines Tages beim Scoring anführt, in Jahr zwei waren es immerhin schon 22 Punkte pro Spiel.
Green ist allerdings auch: ineffizient, arg auf den eigenen Abschluss fixiert, defensiv zu oft desinteressiert. Er nimmt liebend gerne völlig überflüssige lange Zweier früh in der Wurfuhr, ist kein guter Finisher (55 Prozent am Ring) und von draußen streaky. Er ließ sich vom Freiplatz-artigen Gezocke seiner Mitspieler in den vergangenen Jahren zu oft anstecken.
Das Investment in Veteranen der Rockets ist auch in der Hoffnung begründet, dass insbesondere VanVleet Spielern wie Green auf und neben dem Court dabei hilft, in der echten NBA anzukommen. FVV soll dem Spiel eine Struktur geben, die bisher fehlte – und in der Green sein immenses Talent in Winning Basketball übersetzen kann. Defensiv hat er wesentlich bessere Anlagen als Sengün, dort ist deshalb nun aber erst recht eine Steigerung nötig. Udoka wird sonst auch ihn einkassieren.
Scottie Barnes wird von manchen Experten auch Franchise-Player-Potenzial bescheinigt. In seiner zweiten Saison konnte er das nur bedingt unter Beweis stellen, statistisch war sein Rookie-Jahr besser. Der Supporting Cast passte nicht ideal zum vielseitigen Forward, allerdings ist es auch eine berechtigte Frage, wie ein ideal passender Supporting Cast denn aussehen würde – und wie gut ein Team sein könnte, das auf Barnes zugeschnitten ist.
Barnes‘ beste offensive Attribute sind Stand jetzt sein Passing Game und sein Offensiv-Rebounding. Als Scorer und insbesondere als Shooter wird Barnes bisher (zurecht) nicht respektiert, was es schwer macht, Vorteile für ihn oder andere zu kreieren – zumindest im bisherigen Raptors-Ökosystem, in dem schlichtweg zu wenige Dreier genommen und getroffen wurden.
Toronto hat nun in Darko Rajakovic einen neuen Coach und einige neue Spieler, das Spacing-Thema adressiert in positiver Hinsicht allerdings nur Rookie Gradey Dick. Dennoch soll der Ball mehr in Barnes‘ Hände gelegt werden, der eine Art Point Forward geben soll.
Gewisse Probleme bzw. räumliche Überschneidungen mit Pascal Siakam, O.G. Anunoby und Jakob Pöltl bestehen weiterhin – bei den beiden Forwards ist es aber höchst unklar, ob sie noch lange in Toronto bleiben werden.
Josh Giddey hat in seiner zweiten Saison große Schritte nach vorne gemacht. Seine Assist-zu-Turnover-Rate wurde besser, sein Scoring wurde effizienter, sein Passing belebte die unkonventionellen Thunder und sein exzellentes Rebounding war unverzichtbar für das sonst sehr klein spielende Team. Giddey ist schon jetzt richtig gut, obwohl der gerade erst 21 Jahre alt gewordene Australier ein richtig komischer Spielertyp ist.
Dieser Fakt macht ihn zu einem eigenartigen Longterm-Fit neben Shai Gilgeous-Alexander. Giddey ist kein guter Dreierschütze, obwohl er vergangene Saison immerhin 40 Prozent aus der Ecke (bei minimalen Volumen und zumeist ohne Verteidiger) knackte. Er kommt gut zum Korb, schließt dort aber nicht gut ab und zieht kaum Freiwürfe. Sein Off-Ball-Wert ist begrenzt, was neben einem Superstar wie SGA problematisch ist, der den Ball so oft in der Hand halten soll. Defensiv ist er zwar aktiv, aber athletisch und körperlich mit eher kurzen Armen herausgefordert und limitiert.
OKC hatte vergangene Saison ein Net-Rating von +7,3, wenn SGA ohne Giddey auf dem Court stand, das für Platz 1 ligaweit gereicht hätte. Standen beide auf dem Court, betrug der Wert -1,3 … es liegt noch viel Arbeit vor den Thunder, um diese Kombination zu maximieren. Nüchtern betrachtet liegt diese Arbeit vor allem vor Giddey, der deshalb zwar am obersten Tier anklopft, aber noch nicht als "Sure Thing" eingestuft werden kann.
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Tier 2: Die Nr. 1
Cade Cunningham bekommt sein eigenes Tier, dabei gibt es für den Top-Pick solide Argumente, um ihn entweder in Tier 3 oder 1 einzuordnen. Mit seinem Spielverständnis, seiner Länge, seiner Defense und seinen Leadership-Qualitäten ist es noch immer wahrscheinlich, dass Cade bei einem Re-Draft an Position 1 gepickt werden würde – obwohl seine ersten beiden Jahre diesem Status nicht gerecht wurden.
Cunningham startete in seinem Rookie-Jahr angeschlagen und recht langsam, kam dort aber immerhin insgesamt auf 64 Spiele. In Jahr zwei waren es aufgrund einer Stressfraktur dann nur 12 – richtig begonnen hat seine NBA-Karriere immer noch nicht. Das, was er über 76 Spiele bisher zeigen konnte, war allerdings ebenfalls von einigem Schatten geprägt, insbesondere was sein Scoring betrifft.
Cunningham scheut den Distanzwurf nicht, auch aus dem Dribbling, trifft ihn aber nicht gut (30,9 Prozent). Er ist ein starker Mitteldistanzschütze, weshalb die Hoffnung realistisch erscheint, dass er auch von etwas weiter draußen zulegen kann.
Bei seinem Finishing am Ring ist das nicht ganz so sicher – Cade traf bis dato 58 respektive 54 Prozent in Korbnähe über seine beiden Jahre, sehr schwache Werte. Cunningham ist groß, aber nicht so explosiv, dass er die Defense auf allen Leveln in Verlegenheit bringen und sich stets Platz verschaffen kann. Zumindest war das bisher der Fall.
In Jahr drei soll Cunningham endlich gesund sein – und etwas mehr Platz haben. Detroit bot ihm über die vergangenen Jahre weniger Shooting an als fast alle anderen Teams. Mit Bojan Bogdanovic, Joe Harris, Alec Burks und dem neuen Coach Monty Williams bessert sich das nun vielleicht ein wenig, wobei folgendes Problem nach wie vor besteht: Die anderen Top-Talente im Kader, Jaden Ivey, Jalen Duren und Ausar Thompson, sind allesamt keine großen Shooter.
Tier 1: Sure Things
Drei Spieler schaffen es Stand jetzt ins oberste Tier. Das bedeutet nicht, dass sie in zehn Jahren garantiert die drei besten Spieler des Jahrgangs sind (möglich wäre es), sondern eher, dass bei ihnen die geringsten Zweifel daran bestehen, dass sie in diesem Zeitraum zu richtig guten Spielern beziehungsweise Stars avancieren werden.
Evan Mobley ist jetzt schon da – aufgrund seiner Defense. Der Cavs-Big wurde vergangene Saison Dritter beim DPOY-Voting (er war mein Pick) und erreichte als erster Spieler des Jahrgangs eine Non-Rookie-Auszeichnung (All-Defensive First Team). Es sollten etliche davon folgen, und auch offensiv hat Mobley schon gute Ansätze gezeigt, selbst wenn ihm hier die Konstanz und der Wurf fehlt.
Mobley kann passen und traf zuletzt 78 Prozent am Ring, obwohl er noch etwas zu schmal daherkommt. Seine Entwicklung als Scorer wird darüber entscheiden, ob Mobley "nur" ein Star wird oder ein echter Franchise-Player … so oder so lässt sich um seine defensive Variabilität aber ein Team aufbauen, das um den First Seed im Osten mitspielen kann (die Cavs tun es bereits).
Trey Murphy III geht verletzt in die Saison und überrascht in diesem Tier vermutlich viele. Der 23-Jährige hat indes ein paar Argumente auf seiner Seite, gegen die man schwer ankommt. Er ist ein sensationeller Shooter, war in seinem zweiten Jahr schon nicht weit weg von einer 50/40/90-Saison (die echten Splits: 48/41/91) und dürfte sein Volumen über die kommenden Jahre deutlich nach oben schrauben. Im Zusammenspiel mit Zion Williamson ist Murphys Effizienz aus dem Catch-and-Shoot (zuletzt 40,7 Prozent) schlichtweg Gold wert.
Murphy ist jedoch mehr als ein Shooter; der Forward ist ein explosiver Athlet, der über ein Viertel seiner Würfe am Ring nimmt und dort sicher abschließt (74 Prozent). Gegen zu harte Closeouts attackiert er gerne und effektiv und sammelte in Jahr zwei schon einige Poster-Dunks. Zum Ende der Saison hin ließen die Pels ihn öfter auch mal Pick’n’Rolls selbst initiieren, sein offensives Skillset wird im Prinzip gerade erst erkundet.
Auch defensiv machte er große Fortschritte, insbesondere als Weakside-Helper, der seine Athletik und enorme Spannweite (2,16m) für Blocks und Steals einsetzte. Murphy hat womöglich etwas weniger Upside als Spieler wie Giddey oder Barnes, dafür aber auch deutlich weniger Stolpergefahr, weil bei ihm nicht die eine große Schwäche auszumachen ist.
Und dann ist da noch Franz Wagner – der Spieler aus diesem Jahrgang, der bisher das breiteste Skillset gezeigt hat und trotzdem noch überall Luft nach oben hat. Der Berliner ist ein guter Verteidiger, der richtig gut werden kann. Er ist ein exzellenter Off-Ball-Spieler und kam mit diesem Ruf auch in die NBA – er wird aber auch immer besser am Ball, ist ein unterschätzter Playmaker und Athlet, der auf jede erdenkliche Art Druck auf die Defense ausüben kann.
Wagner muss seinen Distanzwurf stabilisieren und darf generell noch aggressiver werden, bisweilen erweckt er den Eindruck, als würde er den Ball noch etwas zu bereitwillig anderen überlassen. Vielleicht müssen er selbst und die Magic noch realisieren, wie gut er eigentlich wirklich ist oder sein kann. Dann kann es schnurstracks Richtung All-Star beziehungsweise sogar All-NBA gehen – und so oder so dürften sich am Ende nicht nur die Warriors ärgern, dass sie Wagner nicht gepickt haben.
Das Fazit
Machen wir es kurz! Der 21er Jahrgang kann noch nicht final bewertet werden, das wird noch einige Jahre dauern. Zu viele Spieler stehen aktuell noch auf der Kippe und müssen zeigen, ob sie ihr Potenzial in echte Star-Qualität ummünzen können.
Auch bei den richtig guten Spielern ist noch viel Interpretations-Spielraum vorhanden, wohin die Reise am Ende führen kann, zwischen "mehrfacher All-Star" und "Franchise Player" gibt es schließlich auch ziemlich riesige Unterschiede.
Definitiv wissen wir allerdings schon, dass es sich hier um einen guten, sehr tief besetzten Jahrgang handelt. In der Breite haben die 21er schon eine Qualität gezeigt, über die man in den ersten beiden Jahren nicht so oft stolpert. Nun kommt es auf die individuellen Sprünge an.