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NBA-Kolumne - Rookie des Monats: Wie Victor Wembanyama das ROTY-Rennen wieder geöffnet hat
- Aktualisiert: 29.01.2024
- 18:23 Uhr
- Ole Frerks
Victor Wembanyama oder Chet Holmgren? Es tut sich etwas im Rennen um den "Rookie of the Year"-Award. Während der Nr.1-Pick seinen Konkurrenten in manchen Kategorien nicht herausfordern kann, vergrößert er in anderen derzeit die Distanz. Das hat nicht zuletzt mit seinem Team zu tun...
von Ole Frerks
Der 22. Januar hat für NBA-Fans eine gewisse Bedeutung.
Es ist seit Jahren das Datum, an dem Kobe Bryant einst 81 Punkte erzielte – und seit wenigen Tagen nun auch der Tag, an dem Joel Embiid die 70 und Karl-Anthony Towns die 62 Punkte knackte. Der erste Tag seit über 40 Jahren, an dem zwei NBA-Spieler jeweils über 60 Zähler markierten. Zwei Bigs, um genauer zu sein.
Es verwundert nicht, dass die Leistung von Victor Wembanyama an diesem Tag im Vergleich unterging. Im Duell mit Embiid erzielte der Franzose zwar die bisher zweitmeisten Punkte seiner Laufbahn (33), aber Embiid legte eben mehr als doppelt so viele Punkte auf. Und man muss dazu sagen: Spiele dieser Art von Wemby haben keinen Seltenheitswert mehr.
Es ist bereits nach gut drei Monaten ziemlich normal, dass seine Statlines für einen Rookie alles andere als normal aussehen. Und dass die Spurs dabei verlieren.
Es sollte trotzdem nicht unter den Tisch fallen, was er insbesondere in den letzten Wochen abreißt. Auch im Hinblick auf das "Rookie of the Year"-Rennen muss man sagen: Es ist noch nicht vorbei.
Das Wichtigste in Kürze
Spurs: Leichte Abkehr von der Experimentierphase
Der 8. Dezember und der 4. Januar sind zwei der wichtigsten Daten im Verlauf dieser Spurs-Saison. Beide haben mit Veränderungen der Starting Five zu tun: Am 8. Dezember startete Wembanyama erstmals nicht mehr neben Zach Collins, sondern neben vier Perimeter-Spielern. De facto spielt er seitdem Center, auch wenn er und die Spurs das nicht so nennen, weil er das Label nicht mag. "Alleiniger Big" ist eine Bezeichnung, die akzeptiert wird.
Am 4. Januar enterte erstmals Tre Jones die Starting Five und ersetzte Malaki Branham. Erst seitdem beginnt Wembanyama Spiele neben einem Point Guard, dem einzigen im Spurs-Roster (soweit bekannt, hat Jones nichts gegen diese Bezeichnung einzuwenden). Beide Änderungen sind signifikant, weil sie eine Abkehr von der puren Experimentierphase zu Beginn der Saison markieren.
Externer Inhalt
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Stattdessen zielten sie darauf ab, Wembanyama einen besseren Kontext auf dem Court zu geben. Endlich, möchte man sagen. Aber lieber spät als nie – und der Effekt könnte tatsächlich kaum größer sein. Kurz gesagt beginnen die Dinge, einen gewissen Sinn zu ergeben. Und das spiegelt sich in Wembys Leistungen wider.
Wembanyama: Die Effizienz geht nach oben
Offensiv bekommt er häufiger leichte Würfe und hat mehr Platz auf dem Court, was unter anderem dazu führt, dass der Anteil seiner Punkte in der Zone im Dezember und vor allem im Januar (55,9%) viel höher ist als noch vor den Änderungen (im November: 42,6%). Noch immer kreiert er viele seiner Abschlüsse selbst, hat aber dabei viel besseres Spacing.
Er ist zu schnell für nahezu alle Center und wird daher meist von Wings verteidigt – über diese kann er jedoch problemlos drüber werfen. Bekommt er den Ball irgendwo in der Nähe des Korbes, ist es aufgrund von Länge und Touch unfassbar schwer, ihn vom Scoren abzuhalten. 76% seiner Würfe "am Ring" trifft Wembanyama, ein sehr guter Wert. Entsprechend sinnvoll ist es für die Spurs, den Anteil seiner Würfe in dieser Distanz nach oben zu schrauben.
Und entsprechend geht auch die Effizienz nach oben. Wembanyama hat seine True Shooting Percentage in jedem Monat seit November gesteigert, im Januar steht er bei 61,8%, einem guten Wert (zum Vergleich: Embiid steht bei 65%). Es ist auch keine leere Produktion – die neue Starting Five weist laut "Cleaning the Glass" ein unheimliches Offensiv-Rating von 137,7 auf.
Über die gesamte Saison steht Wemby in den Minuten mit Jones bei 116, was dem Ligadurchschnitt entspricht und weit entfernt von dem Gesamtwert der nach wie vor schwachen Spurs ist (110,7). Die Ansätze einer ordentlichen Offense sind durchaus schon vorhanden, auch wenn San Antonio das bisher ziemlich gut versteckt hat.
Wembanyama: Defensiv ein Game-Changer
Defensiv wiederum war Wemby ohnehin von Beginn an ein massiver Faktor. Auch hier ist sein Einfluss aber noch größer, seitdem er sich der Rolle gemäß mehr in Korbnähe aufhalten darf und Teams nicht mehr an ihm "vorbeispielen" können. Er ist fast immer involviert, jetzt schon ein exzellenter Drop-Verteidiger und ein Monster, wenn er von schwachen Schützen als Roamer aushelfen kann.
Am besten lässt sich sein Impact durch folgenden Wert verdeutlichen: In seinen Minuten schließen gegnerische Teams um über 5% seltener in Ringnähe ab, kaum ein Spieler verändert diesen Anteil so extrem. Generell sind die Spurs um fast 8 Punkte besser in der Defense, wenn Wembanyama auf dem Court steht. Seit dem Lineup-Change ist der Unterschied noch extremer.
Estimated Plus/Minus ("Dunks and Threes") zufolge ist Wemby schon einer der größten Impact-Verteidiger der Liga (+3,0) und ein Kandidat für die All-Defensive-Team-Konversation. Die miese Gesamtperformance der Spurs arbeitet hier natürlich gegen ihn, aber... richtig fair ist das nicht. Mit Wemby hat San Antonio eine ordentliche Defense, ohne ihn ist kein Team schlechter.
Victor Wembanyama: Das Alien
Es muss natürlich gar nicht so kompliziert sein. 19 Spiele hat Wembanyama absolviert, seitdem er "auf der Fünf" spielt. 21,9 Punkte, 10,4 Rebounds, 3,4 Assists und 3,7 Blocks (!) legt er in diesem Zeitraum auf, dabei hatte er bis vor kurzem ein Minutenlimit, nachdem er sich im Dezember am Knöchel verletzt hatte. Seit dem 17. Dezember spielte er nie über 28 Minuten.
Wembanyama ist kurzum genau das, was seit Jahren angekündigt und gehypt wurde: Ein Alien. Ein Spieler, den es in der Form noch nie gegeben hat und der besser ist, als ein Rookie sein sollte. Mit dem man auch jetzt schon wesentlich mehr Spiele gewinnen könnte, wenn das die Priorität seines Teams wäre.
Dass die Spurs angeblich über eine Rückholaktion von Dejounte Murray nachdenken, deutet an, dass sie nun zumindest nicht mehr komplett gegen eine gewisse Beschleunigung der neuen Ära eingestellt sind. Es wird sich zeigen, was tatsächlich passiert. Ein Contender werden sie in dieser Saison natürlich nicht mehr, was im Hinblick auf das "Rookie of the Year"-Rennen Auswirkungen für Wemby hat.
Wemby vs. Chet: Ein ungleiches Duell
Sein größter (/einziger) Konkurrent ist eben nunmal der zweit- oder maximal drittbeste Spieler eines solchen Teams. Chet Holmgren ist nach wie vor deutlich effizienter und generell ein viel besserer Shooter, einen All-Defensive-Case hat er ebenfalls. Die beiden Rookies belegen ligaweit Platz 1 und Platz 4 bei den Blocks pro Spiel, ein absurder Fakt, der ihren Impact trotzdem nicht adäquat widerspiegelt.
Beide Spieler agieren auf einem Niveau, das in acht von zehn Jahren wohl für den ROTY-Award reichen würde. Nach der Hälfte der Saison würde Holmgren bei den allermeisten Wählern den Zuschlag bekommen, weil die individuellen Zahlen – noch – ähnlich genug sind und die Team-Performance so klar für ihn spricht.
Das muss aber nicht so bleiben. Team-Performance war beim ROTY-Award noch nie so wichtig wie die individuelle Produktion (siehe: 2023 bei Paolo Banchero vs. Jalen Williams). Und hier ist Wemby gerade dabei, die Distanz zu vergrößern. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.
NBA: Rookie-Ranking im Januar
1. Platz: Chet Holmgren
- 17,1 Punkte, 7,3 Rebounds, 2,8 Assists, 2,6 Blocks pro Spiel – 54,1% aus dem Feld, 38,5% Dreier (44 Spiele)
Wichtigster Verteidiger einer Top-5-Defense. Essenzieller Bestandteil einer Top-4-Offense. Reifer, versierter Shooting Big, der in schwächeren Jahren durchaus auch im All-Star Game auflaufen könnte.
2. Platz: Victor Wembanyama
- 20,4 Punkte, 10,1 Rebounds, 2,9 Assists, 3,2 Blocks pro Spiel – 46,5% aus dem Feld, 29,4% Dreier (38 Spiele)
3. Platz: Jaime Jaquez Jr.
- 14 Punkte, 3,9 Rebounds, 2,7 Assists – 51,3% aus dem Feld, 35,3% Dreier (39 Spiele)
Exzellenter Allrounder, der bisher die meisten Minuten aller Heat-Rotationsspieler absolviert hat. Wechselt seine Rolle je nachdem, wer neben ihm auf dem Court steht, und findet seine Möglichkeiten.
4. Platz: Dereck Lively II
- 8,8 Punkte, 7,7 Rebounds, 1,3 Assists, 1,4 Blocks pro Spiel – 74,2% aus dem Feld (33 Spiele)
Malerischer Pick’n’Roll-Partner für Luka Doncic und Kyrie Irving, der neben der Rolle als Lob-Finisher und Ringbeschützer auch ein vielversprechendes Passing-Game zeigt.
5. Platz: Brandon Miller
- 15,1 Punkte, 4 Rebounds, 2,3 Assists – 43,6% aus dem Feld, 38,8% Dreier (36 Spiele)
Scorer mit jeder Menge Potenzial, der krankheits- und verletzungsbedingt im Januar einige Male fehlte, nun aber vier Spiele in Folge mit 23+ Punkten aufgelegt hat und die Hornets gemeinsam mit LaMelo Ball künftig anführen soll.
6. Platz: Brandon Podziemski
- 9,2 Punkte, 5,4 Rebounds, 3,2 Assists pro Spiel – 46% aus dem Feld, 38,8% Dreier (35 Spiele)
Einer der wenigen Lichtblicke einer üblen Warriors-Saison. Perfekter Fit für den Kerr-Basketball, der mitdenkt und ständig in Bewegung ist.
7. Platz: Keyonte George
- 10,9 Punkte, 2,8 Rebounds, 4,4 Assists pro Spiel – 36,7% aus dem Feld, 32,8% Dreier (39 Spiele)
Kein effizienter Scorer, aber ein vielversprechender Pick’n’Roll-Playmaker, der einen gewissen Anteil am zwischenzeitlichen Höhenflug der Jazz hatte.
8. Platz: Cason Wallace
- 6,8 Punkte, 2,3 Rebounds, 1,4 Assists – 51,2% aus dem Feld, 42,2% Dreier (44 Spiele)
Erwachsener Spieler, der den Thunder 15-20 Minuten mit guter Defense und guten Entscheidungen pro Spiel gibt. Hat in der Offense allerdings nicht viel zu tun (11,3% Usage).
9. Platz: Cam Whitmore
- 9,5 Punkte, 3,2 Rebounds pro Spiel – 48,3% aus dem Feld, 38,8% Dreier (20 Spiele)
Erst seit Januar fixer Teil der Rockets-Rotation, seitdem aber einer der besten Rookies. Bringt als Scorer große Upside mit, auch wenn er defensiv noch viel zu lernen hat.
10. Platz: Jordan Hawkins
- 10,9 Punkte, 2,8 Rebounds, 1,4 Assists pro Spiel – 41,5% aus dem Feld, 39,4% Dreier (39 Spiele)
Toller Shooter, der gegen Dallas eins der besten Rookie-Spiele der Saison zeigte (34 Punkte). Fliegt aufgrund defensiver Limitierungen und (zu) vollem Kader aber von Zeit zu Zeit aus der Rotation der Pelicans.