Zweite Halbzeit macht Sorgen
Basketball-WM - Erkenntnisse zum DBB-Sieg gegen Japan: Eine Halbzeit hätte gereicht
- Aktualisiert: 25.08.2023
- 18:57 Uhr
- Ole Frerks
WM-Auftakt gemeistert, doch die deutschen Basketballer glänzten gegen Japan nur eine Halbzeit. Sorgen bereitet die Verletzung von Franz Wagner. Die Erkenntnisse zum ersten WM-Spiel.
Von Ole Frerks
Obwohl die deutschen Basketballer mit einem souveränen Auftaktsieg in die WM gestartet sind, war die Stimmung nach dem 81:63 nicht durchweg positiv. Dafür war die zweite Halbzeit nicht gut genug – und brachte auch noch die Verletzung von Franz Wagner mit sich. Dessen Bruder Moritz setzte dafür im ersten WM-Spiel ein Statement. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. Die Pflicht ist erledigt
Es gibt so Spiele, in denen eine Halbzeit eigentlich reicht. Aus deutscher Sicht war diese Partie gegen Japan ein gutes Beispiel dafür: Über zwei Viertel hinterließ das DBB-Team einen exzellenten Eindruck und spielte sich bis zur Pause eine 22-Punkte-Führung heraus, Offense und Defense sahen jeweils gut aus, von der elektrischen Stimmung in Okinawa wirkte die Mannschaft unbeeindruckt.
Und dann kam eine zweite Halbzeit, in der sich am Abstand nicht viel veränderte – vier Punkte konnte Japan insgesamt aufholen –, die aber trotzdem schlechte Implikationen für das Team haben könnte. Zumal der Vorsprung nicht so groß wurde, dass Gordon Herbert sich frühzeitig wohl damit fühlte, all seine Starter vom Court zu nehmen, was sich wiederum rächte.
Rund fünf Minuten vor dem Ende war Franz Wagner noch immer auf dem Court in einer Partie, die eigentlich entschieden war (Deutschland führte mit 20). Er knickte um und verließ die Halle frühzeitig, nun wird gebangt, zumal die nächsten beiden Gruppenspiele deutlich schwerere Aufgaben werden sollten.
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Noch gibt es keine Information, ob beziehungsweise wie lange der jüngere Wagner ausfallen wird, der auf der Bank enorm gefrustet wirkte und auf einen Stuhl schlug. Herbert sprach auf der anschließenden Pressekonferenz von einem "leicht verstauchten Sprunggelenk", eine MRT-Untersuchung steht allerdings noch aus.
Abgesehen von dieser bitteren Pille überwog der positive Eindruck, Deutschland erledigte seine Pflichtaufgabe und trat dabei gerade zu Beginn des Spiels fokussiert auf. Turnover (insgesamt 10) häuften sich erst in der zweiten Halbzeit, die Größenvorteile wurden gut genutzt und am Brett wurde dominiert, aus dem Zweipunktbereich wurden 72 Prozent der Würfe getroffen.
Defensiv ließen sich die Deutschen selten von der unkonventionellen Spielweise der Japaner verwirren, die böse Zungen auch als "gimmicky" bezeichnen konnten. Oft bestand ein japanischer Angriff bloß aus einem Block und einem Pullup-Dreier in den ersten paar Sekunden der Shotclock, als würde das Team von einem Anfänger bei NBA2K gesteuert.
Japan traf dabei nur sechs seiner 35 Dreier – nicht ansatzweise genug, um den Favoriten zu gefährden. Dieser traf allerdings auch nicht besser von draußen (6/33), was mit dazu führte, dass die Offense in der zweiten Hälfte in den Keller ging: Das DBB-Team machte 30 Punkte im zweiten Viertel und bloß noch 28 in der gesamten zweiten Halbzeit.
Wie gesagt: Eine Halbzeit hätte gereicht. Aber: "Wir werden daraus lernen", kündigte Herbert an: "Wir haben eine gute erste Halbzeit gespielt, danach nicht mehr so. Ein Sieg ist ein Sieg." Faktisch richtig, auch wenn sich manche Siege wohl anders anfühlen als andere.
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2. Wie abhängig ist die Mannschaft von Schröder?
Ein Spiel reicht nicht, um die Stärken und Schwächen eines Teams komplett darzustellen, ein Problem der Deutschen kündigte sich allerdings während der Vorbereitung leise an und übertrug sich nun auf diese Partie. Obwohl die Offense bei weitem nicht nur aus Dennis Schröder besteht, ist es aktuell regelmäßig schwierig, in den Minuten ohne ihn vernünftige Offense zu generieren.
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Herbert stellte das gegen Japan auf die Probe, anders als Wagner ließ er Schröder das gesamte vierte Viertel über zuschauen. Das DBB-Team kam in diesem Abschnitt nur noch auf zwölf Punkte und verlor sämtlichen Rhythmus, nachdem schon im dritten Viertel eher Einzelaktionen entscheidend gewesen waren. In der ersten Hälfte führten oft Off-Ball-Cuts zu leichten Punkten, diese Aktionen und diese Bewegungen waren nach der Pause dann nur noch selten zu sehen.
Diese Themen betrafen das gesamte Team, insbesondere aber Maodo Lo, der die Offense in den Minuten ohne Schröder anleiten soll und dies in der Vergangenheit, gerade bei der EM 2022, auch schon sehr erfolgreich gemacht hat. In der Vorbereitung und auch in dieser Partie hinterließ der Neu-Mailänder nicht den besten Eindruck, wirkte bei weitem nicht so selbstbewusst wie zu besten Zeiten.
In 21 Minuten kam Lo auf null Punkte, wurde bei seinem einzigen Layup-Versuch geblockt und vergab alle vier Dreier, teilweise hielt er den Ball viel zu lange und wirkte im Abschluss sowie beim Drive gehemmt. Schröder hatte selbst nicht seinen effizientesten Scoring-Tag (14 Punkte, 5/13 FG), zeigte jedoch weitaus bessere Kontrolle und ließ die Defense durch seinen Drive immer wieder kollabieren.
Dieses Element der Rim-Pressure fehlte, wann immer er auf der Bank saß – Deutschland "verlor" die gut 14 Minuten ohne Schröder tatsächlich mit fünf Punkten, wenngleich man aus dieser Zahl nicht zu viel machen sollte. "Wir müssen 40 Minuten Konstanz reinbringen, dann können wir einiges erreichen“, sagte der Kapitän.
Die Mannschaft wirkt aktuell etwas zu abhängig von Schröder, obwohl es eigentlich ja nicht an Optionen fehlt. Vor diesem Hintergrund ist es vermutlich gut, dass zumindest er am Ende geschont wurde – gegen Australien und Finnland wird das DBB-Team mehr von ihm brauchen. Wenn es weit gehen soll, wird aber auch Lo eine größere Rolle spielen müssen.
3. Die neue Dimension von der Bank
Die Rolle des besten Bankspielers, besser gesagt die des besten Spielers, ging in dieser Partie derweil an Moritz Wagner. In seinem ersten WM-Spiel trat der Big Man dominant auf (25 Punkte, 10/14 FG, 9 Rebounds) und demonstrierte direkt, um welche Facetten er sein Team bereichern kann, nachdem er bei der EM noch zum Zuschauen verdammt gewesen war.
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Wagner ist neben seinem Bruder und Schröder der variabelste Scorer in diesem Kader. Er hat den Wurf von draußen und ist im FIBA-Basketball ein schwieriges Matchup für fast alle Teams, gerade als nomineller Bankspieler: Zu schnell für viele klassische Fünfer, zu groß und versiert für kleine Gegenspieler, die er zur Not auch mal bis zum Korb durchschieben kann. Er kann Verteidiger mit seinem Wurf vom Korb wegziehen, aber auch als Cutter oder im Lowpost erfolgreich sein.
Die Größenvorteile werden dabei nicht immer so eklatant sein wie gegen Japan, das den Deutschen in Sachen Länge nicht allzu viel entgegensetzen konnte. Auch gegen andere Teams wird sich Wagner als versierter Scorer von der Bank aber auszeichnen können, insbesondere auch in Situationen, wo viel Zonenverteidigung zum Vorschein kommt.
Vom Highpost aus kann Wagner sowohl als Scorer als auch als Passer eine gute Rolle spielen, wie er in dieser Partie mit einem Assist (seinem einzigen) auf Johannes Thiemann demonstrierte. Für ihn war es ein rundum gelungener Auftakt, von der Verletzung seines Bruders abgesehen. Wobei Wagner auch dazu die wohl beste Einschätzung an diesem Tag hatte.
"Ich habe selbst als großer Bruder keine Ahnung", sagte er direkt nach dem Spiel bei "MagentaSport": "Die Stimmung ist ein bisschen getrübt, aber jetzt haben wir erst einmal zwei Tage. Letztlich ist es auch nicht so schlimm. Wir leben alle und kriegen das schon hin." Am Sonntag um 10:30 Uhr deutscher Zeit wartet dann Australien (im Liveticker). Ein anderes Kaliber.