Basketball-WM
Basketball-WM - Franz Wagner ist die größte DBB-Hoffnung: Das Chamäleon
- Aktualisiert: 23.08.2023
- 11:40 Uhr
- Ole Frerks
Viel wird für Deutschland bei der Basketball-WM von Franz Wagner abhängen. ran sprach mit Bret Brielmaier, Assistant Coach der Orlando Magic und des DBB-Teams, über die Entwicklung von Wagner.
Von Ole Frerks
Am Ende hat es nicht ganz gereicht.
Nach einer zwischenzeitlichen 16-Punkte-Führung im dritten Viertel ging der deutschen Mannschaft am Sonntag ein wenig die Puste aus, Team USA setzte sich mit 99:91 durch und verhinderte ein eindrucksvolles Statement der DBB-Auswahl im letzten Spiel vor der Weltmeisterschaft.
Respekt hatte sich diese dennoch verdient.
Gegen den ewigen Turnierfavoriten, am zweiten Tag eines Back-to-Backs, hielt Deutschland nicht bloß mit, sondern war phasenweise sogar dominant. Für das Turnier und ein etwaiges Wiedersehen kann das nur Hoffnung machen, zumal der große deutsche Hoffnungsträger insgesamt nicht seinen besten Tag erwischte. Franz Wagner erzielte zwar 17 Punkte, traf aber nur 6 von 16 aus dem Feld. Das geht besser, und es war in einigen Phasen auch durchaus zu sehen, wie schwer sich selbst die Amerikaner mit Wagner taten, wenn er sich auf den Weg Richtung Korb machte.
Generell ist es augenöffnend, Wagner gegen Team USA spielen zu sehen, das bei der WM traditionell nicht in Bestbesetzung antritt, sondern mit einer Auswahl der besten jungen Spieler der NBA, die sich für die nächsten Olympischen Spiele empfehlen wollen. Wagner gehört im Prinzip zu dieser Gruppe. Hätte er einen anderen Pass, hätte sich US-Coach Steve Kerr wohl auch bei ihm gemeldet. Wenn er ihn schon nicht bei den Golden State Warriors coachen kann.
Basketball-WM: Das Wichtigste in Kürze
Die Möglichkeit bestand bekanntlich 2021, als die Warriors im Draft an Position 7 Jonathan Kuminga pickten und eben nicht Wagner, der an 8 zu den Orlando Magic ging. Das sieht bisher nicht nach einer guten Entscheidung der Warriors aus. Fairerweise hatten aber selbst Wagner-Optimisten nicht vorausgesehen, wie rapide sich dieser in der NBA entwickeln würde – zumal kein Ende in Sicht ist.
Franz Wagner in der NBA: Ein baldiger All-Star?
Wagner spielte das beste Rookie-Jahr eines deutschen Spielers überhaupt - auch besser als ein gewisser Dirk Nowitzki. Er gewann 2022 bei seinem ersten großen Turnier EM-Bronze und steigerte sich in NBA-Jahr zwei in nahezu allen statistischen Kategorien. 22/23 lieferte er für die Magic 18,6 Punkte, 4,1 Rebounds und 3,5 Assists im Schnitt bei einer True Shooting Percentage von 58,9 Prozent – das sind Zahlen eines baldigen All-Stars. Dabei musste Wagner gerade zu Saisonbeginn einige Aufgaben erledigen, die für ihn fast komplett neu waren. Noch immer betreibt er in gewisser Weise "Learning by doing".
Orlando hatte im Backcourt mehrere Ausfälle und suchte händeringend nach Playmaking. Interessanterweise war es vor allem Wagner, der am College noch fast ausschließlich für sein gutes Off-Ball-Game gelobt wurde, der nun viel mehr Creation-Verantwortung erhielt und von Head Coach Jamahl Mosley in die Pflicht genommen wurde.
"Er wurde in eine schwierige Situation gebracht und hat das unglaublich gemacht", erklärt Bret Brielmaier, der sowohl in Orlando als auch beim DBB als Assistant Coach arbeitet, bei ran. "Am College war er bei weitem nicht der Ballhandler, wie er das jetzt bei uns sein soll. Aber man sieht, wie diese Fähigkeit aufblüht, je mehr er die Chance dazu erhält."
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Franz Wagner und Kawhi Leonard: "Der Typ ist ein Schwamm!"
Tatsächlich wirkt es bisweilen so, als habe Wagner in Michigan bloß einen recht kleinen Teil seiner Fähigkeiten zeigen können. Die guten Bewegungen und Cuts ohne Ball in der Hand, der Wurf aus dem Catch-and-Shoot, das Lesen und Deuten von Räumen, all das ist auch in der NBA zu sehen – aber es wird immer weiter ergänzt. Durch Initiation aus dem Pick’n’Roll, durch Attackieren von Closeouts, Pull-Up-Shooting und Kreation für sich und andere.
Wagner ist noch bei weitem nicht in jedem Bereich elitär, aber es gibt auch nichts, was er gar nicht kann. Wie ein Chamäleon passt er sich Team und Umständen an und findet einen Weg, etwas Positives beizutragen.
Brielmaier betont dabei wiederholt den hohen Basketball-IQ seines Schützlings. "Der Typ ist wie ein Schwamm. Man kann ihm alles Mögliche zeigen, er saugt die Information auf und kann sie wenig später in Spielen anwenden. Das ist bemerkenswert." Den Coach, der zuvor bereits in San Antonio, Cleveland und Brooklyn (neben Gordon Herbert) als Assistent gearbeitet hatte, erinnert diese Fähigkeit vor allem an einen Spieler.
"Ich hatte das Glück, den jungen Kawhi Leonard bei den Spurs zu erleben", sagt Brielmaier, der bei den Spurs zwischen 2009 und 2013 im Player Development tätig war. "Franz und er ähneln sich in der Hinsicht, dass sie Konzepte nur wenige Male sehen und fühlen müssen, bevor sie diese selbst umsetzen können. Sie können neues Wissen fast umgehend in Aktionen transferieren."
Franz Wagner bei Orlando Magic: Keine Verschwendung
Wagner erlebt eine andere Situation als Leonard, der seine Karriere in einem titelambitionierten Team neben drei Hall-of-Famern begann und zunächst eine klar definierte Rolle erfüllen sollte. Der Berliner kann in Orlando seine Rolle mit definieren, die Magic befinden sich im Rebuild, gewannen in den vergangenen beiden Jahren 22 und 34 Spiele.
Es gibt also viele Möglichkeiten für junge Spieler, um sich zu zeigen und auszuprobieren. Bei Wagner fällt auf, dass er trotzdem alles andere als verschwenderisch auftritt. Er ist kein typischer junger Spieler, der "einfach mal macht". Das Net-Rating der Magic ist laut Cleaning the Glass um fast 10 Punkte besser, wenn er auf dem Court steht. Seine Effizienz ist leicht überdurchschnittlich. Er ist noch bisweilen turnoveranfällig, das sollte bei der neuen Verantwortung aber niemanden überraschen.
Und er arbeitet daran sehr zielstrebig, wie Brielmaier erklärt: "Er arbeitet an seiner Geduld. Er ist in der Hinsicht schon sehr gut für einen jungen Spieler, aber er will noch besser darin werden, das Spiel auf sich zukommen zu lassen und nie in Hektik zu geraten. Er sieht, wie die besten Spieler alles um sich herum manipulieren können. An diesen Punkt will er auch kommen."
Franz Wagner im DBB-Team: Ein automatischer Leader
Wagner hat dabei schon etliche Waffen in seinem Arsenal. Sein Drive ist kaum zu verteidigen, wenn er seinen Körper zwischen den Ball und den Verteidiger bringen kann – gerne schließt er dann per Running Hook Shot ab, starke 66 Prozent traf er vergangene Saison am Ring. Der Pull-Up aus der Mitteldistanz (42 Prozent) wird immer gefährlicher, wie hier gezeigt gegen seinen Teamkollegen Paolo Banchero.
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Der Dreier rundet das Paket ab, zumal Wagner oft die richtigen Entscheidungen trifft und immer selbstbewusster wird.
Das zeigt sich nun auch beim DBB-Team. "Er findet sich noch besser zurecht", sagt Brielmaier. "Franz hat jetzt einiges in der NBA gesehen und natürlich vergangenen Sommer diese Spiele unter enormem Druck bei der EM erlebt. Man sieht, wie er daran wächst und wie sein Selbstvertrauen immer größer wird, je mehr er spielt." Der Typ für die großen Ansagen sei er (noch) nicht, trotzdem wird Wagner durch sein Vorbild automatisch auch zum Leader, so Brielmaier.
Und weiter: "Dennis [Schröder] ist der Kapitän dieses Teams und wir alle folgen ihm, aber Franz ist sozusagen das sekundäre Stück davon. Man sieht, wie sehr er von allen respektiert wird. Nicht nur, weil er das Talent hat, sondern weil jeder sehen kann, wie er sich gibt: Wie er sich vorbereitet, wie er trainiert, welche Fragen er stellt, und so weiter. Er ist unheimlich professionell."
Franz Wagner: Der letzte Tropfen Talent
Es ist diese Kombination, die Wagner zum großen Hoffnungsträger des deutschen Basketballs macht. Er hat den Drive, den es braucht, um ein "ganz Großer" zu werden, wie es Schröder 2022 mal ausdrückte. "Er wird jeden letzten Tropfen Talent aus sich rausholen", ist auch Brielmaier überzeugt, der Wagners Entwicklung selbst keine Grenzen auferlegen will.
"Ich weiß nicht mal, welche Position er auf Dauer spielen sollte. Er ist ein richtig guter Basketballspieler. Er kann kreieren, er kann werfen, er kann verteidigen, er kann rebounden. Ich bin mir noch nicht sicher, was er nicht kann. Er ist 21, er lernt noch, sein Körper entwickelt sich noch. Trotzdem ist er jetzt schon richtig gut. Ich bin sehr gespannt, wo die Reise für ihn hingeht."
Das gilt nicht nur für Brielmaier. Vielleicht liefert die anstehende Weltmeisterschaft ein paar neue Anhaltspunkte.