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Vor Halbfinale

WM 2023: Das macht die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft so stark - Stefan Ustorf exklusiv

  • Aktualisiert: 27.05.2023
  • 12:14 Uhr
  • ran.de / Andreas Reiners
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© IMAGO/Just Pictures

ran-Experte Stefan Ustorf spricht vor dem WM-Halbfinale gegen die USA am Samstag (17:20 Uhr im Liveticker auf ran.de) im ran-Interview über die Leistung der Deutschen, was das Team auszeichnet und was gegen die USA im Speziellen und in einem WM-Halbfinale allgemein gefordert ist.

Von Andreas Reiners

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft will ihren Höhenflug bei der WM fortsetzen. Im Halbfinale am Samstag (17:20 Uhr im Liveticker auf ran.de) in Tampere sind die USA der Gegner. Das DEB-Team greift nach der ersten WM-Medaille seit 1953!

Stefan Ustorf ist einer der erfolgreichsten deutschen Eishockey-Spieler, Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers und ran-Experte. Vor dem Spiel gegen die USA spricht er im ran-Interview über die Leistung der Deutschen, was das Team auszeichnet und was gegen die USA im Speziellen und in einem WM-Halbfinale allgemein gefordert ist.

  • Alle Informationen zur Live-Übertragung des heutigen Halbfinales zwischen Deutschland und den USA in Liveticker, Stream und TV findet ihr hier

ran: Stefan Ustorf, das DEB-Team steht im Halbfinale – wie sehr überrascht Sie der Erfolg bei der WM?  

Stefan Ustorf: Gar nicht so sehr. Klar: Die Schweiz hat eine hervorragende Vorrunde gespielt und war Favorit. Doch für uns sind es gegen die Eidgenossen immer offene Spiele, die haben ihre eigenen Gesetze. Die deutsche Mannschaft hat im ganzen Turnier gezeigt, dass sie in der Lage ist, gegen alle Gegner mitzuspielen und zu punkten. Sie hat sich trotz des schwierigen Spielplans über das ganze Turnier gesteigert. Wir sind eine Top8-Nation, die mit ein bisschen Glück immer ins Halbfinale kommen kann. 

ranWas zeichnet die Mannschaft aus? 

Ustorf: Man muss das in jedem Jahr komplett neu betrachten. In diesem Jahr ist es der Kampfgeist, die Einheit, die sie auf dem Eis bilden. Wir haben nicht die Individualisten, die wir in der Vergangenheit dabei hatten, es ist vor allem eine geschlossene Mannschaftsleistung, mit einem sehr detaillierten und hervorragenden Defensivspiel. 

ranGibt es dabei ein entscheidendes Erfolgsgeheimnis? 

Ustorf: Das gibt es in dem Sinne gar nicht. Eine Eishockey-WM wird jedes Jahr gespielt. Wenn man ein super Turnier spielt und im Jahr darauf mit Pech das Viertelfinale verpasst, wird schnell alles über den Haufen geworfen und alles wieder schlecht geredet. Es ist ein sehr kurzes Turnier, in dem du versuchen musst, ganz schnell zusammenzufinden. Wir haben einen neuen Trainerstab, was grundsätzlich auch nicht so einfach ist, aber es scheint alles zu funktionieren. Man sieht es aber auch an der Art und Weise, wie die Spieler miteinander umgehen, dass sie gerne da und heiß auf das Turnier und den Erfolg sind. Sie glauben aneinander und vertrauen einander. Das Wissen, dass der Spieler neben dir sein Bestes geben wird, damit du erfolgreich bist – das kann man im Moment auf dem Eis bei uns sehen. Und das ist die große Stärke. 

ranWohin kann die Mannschaft dadurch noch getragen werden?   

Ustorf: Es ist alles möglich, es kann alles passieren. Diese Mannschaft hat genügend Qualität, um jeden Gegner, der noch dabei ist, zu schlagen und Weltmeister zu werden. Davon bin ich überzeugt.  

ranWelche deutschen Spieler haben Sie bei diesem Turnier überrascht?  

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Ustorf: Ganz sicher Wojciech Stachowiak, der spielt ein sehr, sehr starkes Turnier und hat einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Die ganze Reihe um Stachowiak, Parker Tuomie und Justin Schütz hat mich sehr überzeugt, die Jungs spielen mit unglaublich viel Energie und Euphorie, machen ihre Sache hervorragend, sind in den entscheidenden Momenten auf dem Eis.  

ranWorauf kommt es jetzt gegen die USA an? 

Ustorf: Die Mannschaft hat gegen die Schweiz hervorragend agiert. Sie war sehr, sehr aktiv und immer in der Lage, in die Passbahnen zu kommen. Wir waren zudem immer in der Lage, den entscheidenden Pass der Schweizer wegzunehmen und keine Nachschussmöglichkeiten zuzulassen. So müssen wir weitermachen. Jetzt kommt eine extrem schnelle, hungrige, junge Mannschaft. Das ist ein anderes Kaliber, aber das Spiel ist absolut offen. Wenn wir jetzt noch ein, zwei Überzahlspiele machen könnten, haben wir eine echt gute Chance.  

ranWelche Rolle spielt die mentale Seite? 

Ustorf: Klar ist: Jeder Spieler in der Kabine will jetzt Weltmeister werden. Da macht man sich auch selbst Druck. Es kommt darauf an, dass wir mehr Fehler erzwingen und selbst weniger machen. Es kommt auf die Torhüter an, Überzahl und Unterzahl sind extrem wichtig, man muss die Chancen nutzen. Und es gehört immer auch Glück dazu. Doch ein Vorrundenspiel gegen Dänemark, bei dem du weißt, dass es das Aus bedeuten könnte, ist mental schwieriger als die Situation, in der die Mannschaft jetzt ist. Jetzt ist es Euphorie, die Jungs sind heiß, jeder will dieses Spiel. Man muss sich mit keinem Spieler mental beschäftigen, denn die Jungs brennen darauf.  

ranIn der Gruppenphase ging das Spiel gegen die USA verloren - was kann man da noch mitnehmen? 

Ustorf: Sehr viel, Erfahrung zum Beispiel. Du kannst dich besser auf das Halbfinale vorbereiten, auf den Gegner. Du weißt, worauf du dich einstellen musst, wer die gefährlichen Spieler sind, wie die Spielweise ist. 

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ranEine WM-Medaille wäre die erste seit 1953, auch so ist das Turnier ein Erfolg – wie wichtig ist der und was sollte man daraus machen? 

Ustorf: Der Erfolg ist sehr wichtig, wir brauchen ihn für den Wiedererkennungswert der Sportler oder für das Marketing. Wir machen eine super Arbeit, was die Trainer-Ausbildung angeht. Unsere jungen Spieler haben starke Eigenschaften und Ehrgeiz entwickelt, die geben sich nicht mehr damit zufrieden, nur in die DEL zu kommen. Sie haben größere Ziele. Wenn wir uns aber dauerhaft ganz oben etablieren wollen, dann müssen wir mehr Geld generieren, um mehr Eisstadien zu bauen, um Kindern die Sportart zugänglicher zu machen. Damit sie einfach am Nachmittag mit ihren Freunden dort vorbeigehen und bolzen können, wie man im Fußball sagen würde. Das kann man im Eishockey leider nicht. Wenn wir das mal hinbekommen, dann können wir uns langfristig in den Top 6 etablieren und regelmäßiger um Medaillen spielen. 

ranAuch im Hinblick auf die Heim-WM 2027 – wer ist da gefordert und muss pushen?  

Ustorf: Alle zusammen. Jeder, dem Eishockey am Herzen liegt. Es geht aber schon lange darum, mehr Möglichkeiten zu schaffen für junge Kinder. Eishockey wird immer teurer, es wird immer schwieriger, Nachwuchs für den Sport zu begeistern und die Situation zu verbessern. Es wäre deshalb auch schön, wenn man vom Staat mehr gefördert wird. Am besten mit einer staatlichen Förderung, die erfolgsunabhängig und etwas spezialisierter ist mit dem Bau von für Kinder zugänglichen Eisflächen, denn die könnten wir gebrauchen.