Herthas Torjäger im Interview
Haris Tabakovic: "Union im Olympiastadion? Keine positiven Gefühle!"
- Aktualisiert: 19.10.2023
- 10:24 Uhr
- Dominik Kaiser
Haris Tabakovic schnürt seit dem Sommer 2023 für Hertha BSC. Der Stürmer verrät, warum die 2. Liga attraktiv ist, wieso alle Top-Teams der Welt auf große Mittelstürmer setzen und wie die Mannschaft die Rückkehr von Marius Gersbeck sieht.
Das Interview führte Dominik Kaiser
ran: Herr Tabakovic, Ihre ersten Monate in Berlin liegen hinter Ihnen. Wie würden Sie diese beschreiben?
Haris Tabakovic: Am Anfang war die Wohnungssuche in Berlin nicht ganz einfach. Aber das hat sich schnell gelöst. Ich fühle mich pudelwohl in Berlin und habe mich sehr gut eingelebt.
ran: Hertha hatte vor dem Saisonstart mit vielen Problemen wie einer unklaren Lizensierung zu kämpfen, warum haben Sie sich trotzdem für den Verein entschieden?
Haris Tabakovic: Das Lizenz-Thema war für mich weit weg, ich hatte das gar nicht groß auf dem Schirm. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch bei Austria Wien. Hertha BSC ist für mich ein großer und sehr namenhafter Klub. Als das Interesse da war, dachte ich sofort: "Boah, geil!" Die Gespräche mit den Verantwortlichen haben mich dann sehr schnell überzeugt. Hier wollte ich einfach dabei sein! Zudem war es auch extrem reizvoll, in das Fußball-Land Deutschland zu kommen und mitzuerleben, wie das als Kultur hier gelebt wird.
ran: Herthas Sportdirektor Benny Weber erzählte in einem Interview, dass kurz vor Ende der Verhandlungen mit Ihnen sein Akku den Geist aufgab und er sich eine Zeit lang nicht mehr melden konnte. Was geht einem als Spieler da durch den Kopf
Haris Tabakovic: *Lacht* Vor allem für meinen Berater war das etwas aufregender. Es gab einige Angebote, wir mussten uns entscheiden. Dann wurde es stressig und man wusste nicht, ob Hertha jetzt plötzlich doch absagt. Aber Benny hat mir das alles im Nachhinein nochmal erklärt und wir haben das zum Glück trotzdem noch an dem Abend über die Bühne bekommen.
Alles zur 2. Liga
ran: Trotz des schwierigen Saisonstarts bilden Mannschaft und Fans in dieser Saison eine Einheit. Wie wichtig ist der Faktor Fans für den sportlichen Erfolg?
Haris Tabakovic: Sehr sehr wichtig! Es ist überragend zu sehen, dass die Fans aktuell auch bei Niederlagen immer positiv sind und uns nach vorne preschen. Sie erkennen auch bei Niederlagen an, dass nicht immer alles perfekt sein wird und nicht alles klappen kann. Es wird aber honoriert, wenn wir alles auf dem Platz lassen. Es ist wichtig, dass um den Verein eine positive Grundstimmung herrscht. Mannschaft, Fans und das Drumherum müssen eine Einheit bilden. Es sind schließlich viele Leute gekommen und gegangen, da mussten wir uns erst ein Stückweit finden.
ran: Wie weit sehen Sie die Mannschaft in diesem Prozess?
Haris Tabakovic: Gegen den HSV (0:3 Anm. d. Red.) und St. Pauli (1:2 Anm. d. Red.) waren wir schlechter, da müssen wir auch ehrlich sein. Aber ich bin insgesamt der Meinung, dass wir oben mitspielen können und müssen.
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ran: Trotzdem spielt unter der Woche der große Rivale Union im heimischen Olympiastadion. Wie ist da Ihre Gefühlslage?
Haris Tabakovic: Ich habe die Champions-League-Konferenz geschaut und es war ganz komisch, das Stadion in rot zu sehen – sogar die Laufbahn! Da hatte ich ehrlicherweise nicht so positive Gefühle. Viel schlimmer muss das für die Fans sein, die schon sehr lange dabei sind. Man muss dem 1. FC Union aber für die gute Arbeit der letzten Jahre Respekt zollen. Auf lange Sicht wollen wir aber mit unseren Fans auch wieder in der 1. Bundesliga feiern. Wenn es früher klappt, umso besser.
ran: Sie selbst sind ein "Spätstarter" und schafften den finalen Durchbruch im Profifußball erst bei Austria Lustenau. Können Sie erklären, warum?
Haris Tabakovic: Da gab es mehrere Gründe. Ich hatte einige Verletzungen, bei denen ich viel Mühe hatte, danach zurückzukommen. Zudem war ich früher viel zu verbissen. Man will unbedingt spielen und mit aller Macht Tore schießen. Das führt dazu, dass man verkrampft. Am Ende musste ich den Weg über Ungarn und Lustenau nehmen.
ran: Wie denken Sie rückblickend über diese Zeit?
Haris Tabakovic: Das war ehrlich keine leichte Entscheidung, schließlich sprechen wir noch immer von der 2. Liga in Österreich. Es war nicht einfach, aber im Nachhinein einer der wichtigsten Schritte in meinem Leben! Dort habe ich das Vertrauen in meinen Körper gewonnen, ich konnte mich neu sortieren und Dinge verändern. Ich bin sehr dankbar, dass ich dort die Chance bekommen habe.
ran: Welche Dinge meinen Sie konkret?
Haris Tabakovic: Es geht im Prinzip darum, wie man durch das Leben geht. Man wird älter, ruhiger und reflektierter. Durch die Verletzungen konnte ich Situationen besser einschätzen. Ich wollte einfach nur wieder richtig Spaß am Fußball haben und gesund bleiben. Ich habe gelernt, dass es gut ist, nicht zu weit in die Zukunft zu blicken und dafür mehr im Moment zu leben.
ran: Welchen Rat würden Sie jungen Spielern geben durch Ihre Erfahrungen geben, wenn der schnelle Erfolg ausbleibt?
Haris Tabakovic: Ich bin der Meinung, dass es immer um Konstanz geht. Harte Arbeit zahlt sich aus, egal ob man gerade spielt oder nicht spielt. Es geht immer um die Konstanz in deiner Arbeit. Die Belohnung dafür kommt dann von allein.
ran: Im Sommer sind Sie wieder in eine 2. Liga gewechselt. Wie ist das Niveau in Deutschland im Vergleich zu Österreich und der Schweiz?
Haris Tabakovic: In Deutschland ist die 2. Liga viel größer, wir müssen ja nur auf die großen Stadien und die Klubs schauen, die hier mitmischen. Es geht sehr hart zu! In der 2. Liga gibt es eher weniger Talente, dafür viele gestandene Spieler. Gerade die Verteidiger sind oft richtige Ochsen! Hier muss man in jeder Sekunde absolut bereit sein, körperlich und geistig.
ran: Was Ihnen in ihrer Karriere noch fehlt, ist ein A-Länderspiel. Zuletzt äußerten Sie selbst Interesse daran, für das Heimatland ihrer Eltern Bosnien und Herzegowina zu spielen. Wie ist da der aktuelle Stand?
Haris Tabakovic: Aktuell noch nicht, die Länderspielpause verbringe ich auf jeden Fall hier bei Hertha. Da gibt es noch einige Dinge, die erledigt werden müssen. Das betrifft Papiere und Gespräche. Es gibt einen neuen Nationaltrainer in Bosnien. Vom Schweizer Verband habe ich zuletzt nichts mehr gehört.
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ran: Aber es wäre emotional nochmal auf einem anderen Level?
Haris Tabakovic: Ein ganz anderes Level wäre es nicht. Ich trage beide Länder in meinem Herzen, die Schweiz hat mir alles gegeben! Aber es ist natürlich so, dass ich sehr offen bin, auch für das Herkunftsland meiner Eltern zu spielen. Ich bin nicht mehr 20, sondern 29 Jahre alt. Am Ende muss ich mich auf meine Leistungen bei Hertha konzentrieren und dort meine Tore machen. Ob ein Länderspiel dann noch passiert, wird die Zeit zeigen.
ran: Sie sind ein großgewachsener, klassischer Mittelstürmer. Eine Position, über die in Deutschland gerade viel diskutiert wird. Sollte in der Ausbildung da generell ein Umdenken stattfinden?
Haris Tabakovic: Es gab die Phase, in der Vereine und Verbände plötzlich mit einer "falschen Neun" spielen wollten. Aber am Ende denke ich, dass sich klassische Stürmertypen immer durchsetzen. In den Top-Teams ist immer ein großgewachsener Stürmer dabei. Niclas Füllkrug ist da ein gutes Beispiel, der auch in der deutschen Nationalmannschaft direkt seine Tore gemacht hat. Es bringt eine andere Dynamik, wenn man so einen Stürmer in der Box hat. Man kann Flanken schlagen, die Verteidiger müssen sich oft zu zweit auf solche Leute konzentrieren, sie schaffen so mehr Platz und Freiraum für die anderen Spieler. Ich finde schon, dass es in der Jugend forciert und beachtet werden muss.
ran: Der Fall Marius Gersbeck war ein größeres Thema bis zuletzt. In der Länderspielpause ist er nun ins Mannschaftstraining zurückkehrt. Wie ist die Entscheidung in der Mannschaft aufgenommen worden?
Haris Tabakovic: Für uns war das kein großes Thema. Ich habe Marius kennengelernt, habe gute Gespräche mit ihm geführt. Er ist Familienvater und weiß, dass er einen riesigen Fehler gemacht hat. Wenn der Klub entscheidet, ihm eine zweite Chance zu geben, stehen wir als Team dahinter und blicken gemeinsam nach vorne!