FC Schalke 04: Das war die Ära des Clemens Tönnies
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
Nun ist es offiziell: Clemens Tönnies tritt nach fast 19 Jahren an der Spitze des FC Schalke 04 als Aufsichtsratschef der Gelsenkirchener zurück. Der 64 Jahre alte Unternehmer, der einst als Hoffnungsträger 2001 sein Amt antrat, fiel nicht zuletzt wegen mehrerer Skandale zuletzt beim Anhang der Schalker in Ungnade. ran.de blickt auf die Ära Tönnies bei S04 zurück.
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
Von 1994 an gehörte Clemens Tönnies (li.) bei Schalke als Mitglied des Aufsichtsrats zum Führungsgremium der Gelsenkirchener. In November 2001 übernahm Fleisch-Fabrikant Tönnies dann als Aufsichtsratsvorsitzender die Leitung des Bundesligisten, der nur wenige Monate zuvor als "Meister der Herzen" den ersten Titel seit 1958 knapp verpasste.
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Tönnies kam als Hoffnungsträger, er wollte das Erbe seines mit nur 42 Jahren verstorbenen Bruders Bernd fortsetzen, der im Februar 1994 zum Schalker Präsident gewählt wurde, aber im Juli desselben Jahres an den Folgen einer Nierentransplantation verstarb. Am Sterbebett soll Bernd seinem Bruder Clemens das Versprechen abgenommen haben, sich künftig um Schalke zu kümmern. Genau das tat Clemens Tönnies auch. Schon in seiner ersten Saison als Aufsichtsrats-Boss durfte Tönnies mit den Schalkern im Mai 2002 den Titel im DFB-Pokal bejubeln - es sollte eine der wenigen Trophäen in der Ära des nunmehrigen Ex-Bosses der Gelsenkirchener bleiben.
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Mit Manager Rudi Assauer (re.) bildete Tönnies zunächst ein starkes Führungsduo, doch nach und nach kam es zum Zerwürfnis der beiden und ein Machtkampf zwischen dem Fleisch-Magnaten aus Rheda-Wiedenbrück und dem damaligen Kult-Manager entbrannte. So kam es dazu, dass Assauer nach seiner Entmachtung im Mai 2006 gar nicht mehr zu Spielen in die Veltins-Arena kam. Laut Assauer, der 2019 im Alter von 74 Jahren verstarb, überbrachte 2009 auch nicht Tönnies selbst dem Manager die Nachricht seines Endes auf Schalke. "Es war schon spät, kurz nach Mitternacht. Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich öffnete. Paeffgen, der von Schalke geschickte Anwalt, schaute etwas unsicher drein, sagte mit leicht zittriger Stimme, dass er mir eine Nachricht überbringen müsse. Der Aufsichtsrat ließ ausrichten, dass meine Zeit auf Schalke abgelaufen sei", erzählte Assauer 2012 der "Bild".
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Etwa drei Jahre nach dem Ende der Ära Assauer wollte Tönnies mit Oliver Kahn einen großen Namen im deutschen Fußball ins Management holen. Doch nicht zuletzt, weil Tönnies selbst in der Öffentlichkeit über die eigentlich laut Kahn "streng geheimen" Verhandlungen plauderte, soll der damals 39 Jahre alte Ex-Nationalkeeper den Gelsenkirchenern dankend abgesagt haben. Den neuen, starken Mann fand Tönnies stattdessen in Wolfsburg: Felix Magath (re.). Der mit dem VfL 2009 Meister gewordene Trainer übernahm auf Schalke als quasi alleiniger Herrscher im sportlichen Bereich. Magath, damals Coach, Manager und Vorstandsmitglied in Personalunion, holte unter anderem Raul (Mi.) von Real Madrid in den Pott. Zunächst ging dieses Konzept auch auf, "Quälix" führte S04 zur Vize-Meisterschaft - eine End-Platzierung, die die Gelsenkirchener anschließend nur noch ein weiteres Mal schafften (2017/18 unter Domenico Tedesco).
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Obwohl die Schalker nach Platz 2 in der darauffolgenden Saison 2010/11 eine extrem schwache Bundesliga-Spielzeit mit Rang 14 beendeten, durfte Tönnies zusammen mit Manuel Neuer (Mi.) den zweiten DFB-Pokal-Titel seiner Ära feiern. Zu diesem Zeitpunkt war auch Magath schon wieder Geschichte und Ralf Rangnick durfte sich diesen Titel nach einem 5:0-Sieg im Endspiel gegen den MSV Duisburg ans Revers heften. Rangnick war übrigens bis heute einer von 23 Trainern (inklusive Interimslösungen), die in der 19 Jahre andauernden Tönnies-Ära ihr Glück auf Schalke versuchten.
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Neben dem doch beachtlichen Trainer-Verschleiß war Tönnies als Vereinsboss der Schalker in seiner Ära auch für insgesamt exakt 270 Neuzugänge verantwortlich, die in Summe laut "transfermarkt.de" in etwa eine Ablösesumme von 380 Millionen Euro verschlungen haben sollen. Auf der Seite der Abgänge stehen derselben Quelle zufolge Einnahmen in Höhe von ungefähr 309 Millionen Euro. Besonders hart traf es die Schalker in Sachen Abgängen in den zurückliegenden paar Jahren, da die Gelsenkirchener wertvolle Spieler wie Joel Matip, Max Meyer oder Leon Goretzka ablösefrei ziehen lassen mussten und auf der Gegenseite teure Neuzugänge wie Breel Embolo, Sebastian Rudy oder Nabil Benatleb bisweilen weit hinter den Erwartungen blieben. Dieser unbefriedigenden Transferbilanz trugen S04 und Tönnies unter anderem damit Rechnung, dass Ex-Manager Christian Heidel gehen musste. Doch auch unter dessen Nachfolgern Michael Reschke, Jochen Schneider und Peter Knäbel wurde es nicht wirklich besser. Nach 16 sieglosen Spielen in Folge, beendete Schalke die Saison 2019/20 auf Platz 12 und verliert mit Alexander Nübel (Bayern München) mal wieder einen Stammspieler ablösefrei.
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Neben der Tatsache, dass es die Schalker bei vielen Spielern eben nicht schafften, die Verträge vorzeitig zu verlängern, um sie nicht ablösefrei zu verlieren, reagierte Tönnies vor allem auf den Abgang von Leon Goretzka (li.) äußerst ungeschickt. "Meine erste Reaktion war: Du solltest das Trikot von Schalke 04 nicht mehr tragen", sagte Tönnies Anfang 2018 bei "Sky" über seine Emotionen nach dem Bekanntwerden des Wechsels Goretzkas zu den Bayern - eine Aussage, die angesichts der bekanntermaßen sehr leidenschaftliche S04-Fans auch von vielen Experten kritisiert wurde. So wurde die restliche Spielzeit für Nationalspieler Goretzka, befeuert durch die Tönnies-Aussage, zu einem Spießrutenlauf, zumal der Vereinsboss in seiner ersten Enttäuschung sogar drohte, dass Goretzka bis zum damaligen Saisonende auf der Tribüne landen könnte, sollten sich die Fan-Proteste gegen den Wechsel "negativ auf die Mannschaft auswirken". Dabei war es doch Tönnies selbst, der durch seine unüberlegten Aussagen für noch mehr Zündstoff in dieser Angelegenheit sorgte - nur einer von mehreren Skandalen, in die Tönnies in der jüngeren Vergangenheit verwickelt war.
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Zu Beginn der Saison 2019/20 sorgte Tönnies in Paderborn beim Tag des Handwerks für eine noch deutlich größeren Skandal. In seiner Ansprache hatte der Unternehmer Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren", sagte Tönnies. Nach dieser rassistischen Äußerung forderten die Schalker-Fans trotz rascher Entschuldigung des Vereinsbosses dessen sofortigen Rücktritt, zeigten Tönnies beim DFB-Pokalspiel nach dem Skandal symbolisch die Rote Karte. Zu einem Komplett-Rückzug kam es damals dann aber doch nicht, stattdessen ließ Tönnies seine Ämter beim Traditionsklub lediglich für drei Monate ruhen.
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
Die Kritik an Tönnies blieb auch nach dem Rassismus-Skandal groß, frühere Schalker Ikonen wie Gerald Asamoah distanzierten sich öffentlich vom langjährigen Vereinsboss der Knappen (Asamoah: "Seine Äußerung hat mich sehr überrascht, geschockt und auch verletzt"). Verstärkt durch die sportlich enttäuschende Saison schaukelte sich der Unmut des Anhangs im Frühjahr 2020 immer weiter hoch, erst recht, als ...
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
... bekannt wurde, dass Schalke inmitten der Corona-Krise 24 altgediente Fahrer der Nachwuchsteams feuerte, die größtenteils auf 450-Euro-Basis arbeiteten und teilweise bis zu 20 Jahren loyale Mitarbeiter des Vereins gewesen waren. Daraufhin eskalierte nicht nur in den sozialen Medien die Situation. Personalisiertes Feindbild für diese diskutable Kündigungsmaßnahme: Mal wieder Clemens Tönnies, der damals ohnehin schon angeschlagene Schalke-Boss.
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Im Saisonfinish kam Tönnies um weitere Schmähungen durch die Fans im Stadion herum, da die Bundesliga aufgrund der Corona-Krise ohne Publikum zu Ende gespielt wurde. Letztlich war es aber genau diese Pandemie, die den Unternehmer auf Schalke ganz zu Fall brachte.
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
Als sich in der Tönnies-Fleischfabrik unter etwa 1500 Mitarbeitern im Werk in Rheda-Wiedenbrück das Corona-Virus rasch verbreitet hatte, forderte die Schalker Ultra-Bewegung nochmals intensiv den Abschied des milliardenschweren Unternehmers. Am 30. Juni 2020 kam Tönnies dieser Forderung nach und trat von all seinen Ämtern bei den Schalkern zurück. Neben dem Amt als Aufsichtsrats-Boss hatte Tönnies zuletzt noch jeweils einen Sitz im Wirtschaftsausschuss und im Eilausschuss. "Wir als Aufsichtsrat des FC Schalke 04 bedauern die Entscheidung von Clemens Tönnies sehr. Er hat das Gremium als Vorsitzender in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit seiner Mischung aus Bodenständigkeit und Dynamik geprägt, immer wieder war er der Motor, der wegweisende Prozesse angestoßen und federführend begleitet hat", hieß es in einer Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Jens Buchta zum Abgang von Tönnies.
FC Schalke 04: Das war die Ära von Clemens Tönnies
Nun nahm Tönnies also endgültig seinen Hut auf Schalke. Seine Bilanz nach knapp 19 Jahren an der Vereinsspitze: Zwei Titel im DFB-Pokal, viele Skandale und dazu kommen noch Verbindlichkeiten von etwa 200 Millionen Euro, die den Verein noch weit über das Tönnies' Ausscheiden hinaus beschäftigen bzw. belasten dürften. Zuletzt führte Schalke als erster Bundesligist - wohl auch wegen des hohen Schuldenberges - angeblich als erster Klub in Deutschlands Fußball-Oberhaus eine Gehaltsobergrenze ein. Laut "Süddeutscher Zeitung" soll künftig kein Neuzugang mehr als 2,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen.