Hertha BSC steigt ab: Die Chronologie des Niedergangs

Hertha BSC: Die Chronologie des Absturzes
Im Vorjahr gelang noch die Rettung über die Relegation, in dieser Saison aber konnte Hertha BSC den Abstieg in die Zweitklassigkeit nicht mehr verhindern. Es ist die logische Konsequenz eines Absturzes, der sich nicht nur auf dem Platz vollzog, sondern auch hinter den Kulissen. Das leidige Thema Lars Windhorst steht exemplarisch für die Diskrepanz zwischen den einstigen Träumen und der bitteren Realität. ran hat den Niedergang der Hertha über die vergangenen zwei Jahre nachgezeichnet.

29. November 2021
Nach einem miserablen Saisonstart und schließlich vier sieglosen Spielen in Folge – darunter ein 0:2 im Berliner Stadtderby gegen Union – muss Pal Dardai gehen. Platz 14 und nur ein Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang genügen den Ansprüchen nicht. Sein Nachfolger wird Tayfun Korkut, den der damalige Sportchef Fredi Bobic noch gut aus gemeinsamen Tagen beim VfB Stuttgart kennt. Damals war Korkut U19-Trainer und Bobic Sportdirektor.

9. März 2022
Auf dem Platz scheint sich der Klub unter Korkut zunächst zu stabilisieren, dafür kracht es nun hinter den Kulissen gewaltig. Investor Lars Windhorst, der nach eigenen Angaben bis Frühjahr 2022 einen Betrag von 375 Millionen Euro in den Verein investiert hat, lässt eine Dokumentation über die Hertha stoppen – mit der Begründung, dass ihn manche Szenen und Interviews in einem schlechten Licht dastehen ließen.

12. März 2022
Nach einem Höhenflug zum Ende der Hinrunde folgt sportlich ein beispielloser Absturz. Nach dem zehnten Spiel in Folge ohne Sieg – darunter das bittere Aus im Pokal gegen Union und ein 1:2 beim abgeschlagenen Schlusslicht in Fürth – muss Bobic erkennen, dass Korkut in Berlin gescheitert ist. Die 0:2-Pleite in Mönchengladbach ist das letzte Spiel des Cheftrainers Korkut. Auch Bobic selbst gerät in die Kritik, weil er zu lange an Korkut festgehalten habe.

13. März 2022
Mit einem Paukenschlag regelt die Hertha Korkuts Nachfolge. Der 68-Jährige Felix Magath wird aus dem Fußball-Ruhestand zurückgeholt und soll die Alte Dame in der Bundesliga am Leben erhalten. Acht Spiele bleiben dem gebürtigen Franken, um die Berliner zu retten. Das erste gewinnt er mit 3:0 gegen die TSG Hoffenheim, auch wenn er wegen einer Corona-Infektion nicht selbst auf der Bank sitzen kann.

20. März 2022
Die Unruhe im Verein aber bleibt: Trotz des Sieges am Vortag knallt es an diesem Sonntag erneut bei der Hertha. Investor Lars Windhorst meldet sich bei "Bild TV" zu Wort und attackiert Präsident Werner Gegenbauer scharf. "Mir ist klar geworden, dass es unter der Führung von Herrn Gegenbauer nicht möglich ist, als Team etwas zu erreichen", sagt er und kündigte seinen Rückzug aus dem Beirat an.

6. April 2022
Jetzt muss sich Windhorst gegen einen Bericht von Business Insider zur Wehr setzen, wonach ein Teil seiner Hertha-Anteile zwangsversteigert werden sollen. Demnach habe Windhorst diese bereits 2020 an die Firma Peil Investment B.V. verpfändet, eine Tochter seiner Unternehmensgruppe Tennor Holding B.V. Im Gegenzug habe er einen Kredit bekommen wollen. Die Firma Peil Investment B.V. habe damals kurz vor der Zwangsversteigerung gestanden. Über Twitter bestreitet Windhorst die Verpfändung und Zwangsversteigerung jener Anteile.

9. April 2022
Hertha kassiert im Derby gegen Union die zweite Niederlage in Folge unter Magath, was für die Spieler Konsequenzen hat. Die kommen aber nicht vom Verein, sondern von den Fans. Die Spieler müssen ihre Trikots vor der Fankurve der Berliner ausziehen und auf dem Boden ausbreiten. Eine Demütigung, für die Geschäftsführer Bobic klare Worte findet: "Da wird aus meiner Sicht eine Linie überschritten", sagt er im Doppelpass bei "Sport1".

14. Mai 2022
Was zwei Wochen zuvor noch undenkbar schien, ist eingetreten. Die Hertha hat drei Gelegenheiten, den Klassenerhalt perfekt zu machen. Doch nach dem 1:1 in Bielefeld, dem 1:2 gegen Mainz und dem 1:2 nach 1:0-Führung bei Borussia Dortmund steht fest: Hertha BSC muss in die Relegation. Denn in Stuttgart gewinnt der VfB in der Nachspielzeit gegen Köln und stürzt damit die Berliner auf Rang 16. Gegner der Berliner ist ausgerechnet der Hamburger SV, mit dem Magath als Spieler seine größten Erfolge feierte. Und tatsächlich gelingt Magath mit der Hertha auch die Rettung.

Juli 2022
Hertha will die Seuchensaison hinter sich lassen und endlich in ruhigere Fahrwasser kommen. Das Traineramt für diese Mission wird Sandro Schwarz anvertraut. Von ihm erhofft sich Hertha erfolgreichen und attraktiven Fußball.

31. Juli 2022
Doch gleich das erste Pflichtspiel für den neuen Trainer geht komplett schief. Im DFB-Pokal verliert die Hertha in der ersten Runde bei Zweitligist Eintracht Braunschweig. Direkt herrscht im Verein wieder Unruhe.

6. August 2022
Und die wird nicht weniger, als auch der Saisonauftakt ausgerechnet im Berliner Derby bei der Union in den Sand gesetzt wird. 3:1 heißt es am Ende für die Köpenicker. Insgesamt gelingen in den 15 Ligaspielen bis zur WM-Pause nur vier Siege, die Hertha entwickelt sich erneut zum Kellerkind.

November 2022
Kurz nach Beginn der WM gibt es bei der Hertha den großen Knall. Windhorst kündigt an, seine Anteile am Klub zu verkaufen. Käufer ist die US-amerikanische Investmentgesellschaft "777 Partners". "Der Verkauf an 777 Partners ist eine hervorragende Lösung, und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden", kommentiert Windhorst den Deal. Brisant: Die Hertha-Verantwortlichen um Präsident Kay Bernstein werden von Windhorst nicht mit in die Verhandlungen einbezogen.

Februar 2023: Hertha stellt Bobic frei
Nach einem völlig verkorksten Start in die Post-WM-Phase und einer erneuten Derby-Pleite gegen Union trennt sich der Klub von Sportchef Bobic. Zunächst sieht alles nach einer einvernehmlichen Trennung aus, ehe wenige Wochen später bekannt wird, dass der Klub eine fristlose Kündigung wegen "vereinsschädigenden Verhaltens" ausgesprochen hat. Grund sind Aussagen von Bobic nach dem Derby gegenüber einem Journalisten. "Wenn du noch mal fragst, kriegst du eine gescheuert", sagte Bobic.

16. April 2023
An Trainer Schwarz hielten Bernstein und Co. zunächst fest, nach einem desaströsen 2:5 auf Schalke zieht der Klub aber auch auf der Trainerposition die Notbremse. Es übernimmt mal wieder Pal Dardai. Dieser soll in den verbleibenden sechs Spielen die Wende schaffen.

20. Mai 2023
Doch auch Dardai kann nichts Entscheidendes mehr bewirken. Ein Sieg gegen den VfB Stuttgart gibt noch einmal Hoffnung, doch das 1:1 gegen den VfL Bochum am 33. Spieltag besiegelt den Abstieg. Es ist das bittere, aber logische Ende.

Mai 2022
Dass Hertha aber überhaupt in der 2. Bundesliga antreten darf, ist am Tag des Abstiegs noch unklar. Auf der Mitgliederversammlung bestätigt Geschäftsführer Thomas Herrich, dass die Hertha existenzbedrohende Finanzprobleme plagen. "Wenn wir die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit nicht nachweisen können, werden wir keine Lizenz erhalten", sagte er. Bis zum 7. Juni muss der Verein die nötigen Unterlagen über die Finanzierung für die anstehende Spielzeit einreichen. Genügen diese den Vorgaben nicht, dürfte der Hauptstadtklub weder in der ersten noch zweiten Liga starten.