Legende und Gentleman: Jupp Heynckes wird 75
Legende und Gentleman: Jupp Heynckes wird 75
Jupp Heynckes war als Spieler eine Gladbacher Legende, ein Weltklasse-Stürmer. Als Trainer lief er diesen Erfolgen lange hinterher, trumpfte aber im Herbst seiner Laufbahn noch einmal groß aus. Am Samstag wird "Don Jupp" 75 Jahre alt. ran.de gratuliert.
Der erste Vertrag
Der erste Vertrag ist im Vergleich zu heute ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. 160 Mark im Monat plus Prämie kassierte Heynckes, als er 1962 seinen ersten Vertrag bei Borussia Mönchengladbach unterschrieb. Mit 17 als Gladbacher Junge vom lokalen Klub Grün-Weiß Holt.
Ein Opel Rekord
Dazu gab es einen Opel Rekord, "beige mit blauem Dach", erinnert sich Heynckes im "kicker". "Vom Autohaus Hackmann bekam ich aber nie den Kfz-Brief und fragte den Seniorchef nach dem Grund - die Borussia musste für den Wagen noch ein paar Raten zahlen."
Geburt der Fohlenmannschaft
Der Vorteil, wenn man erfolgreich ist: die Prämien, Damit kam er in der Regionalliga auf 1000 Mark netto im Monat. Lange dauerte es nicht, bis sich der Erfolg einstellte. Der Aufstieg gelang 1964/65, "traumhaft. Plötzlich waren wir in Deutschland in aller Munde. 92 Tore erzielten wir in der Saison der Regionalliga West. Es war die Geburt der Fohlenmannschaft", sagt Heynckes. Und auch der Startschuss für seine eigene Karriere, die nun langsam Fahrt aufnahm.
Titel mit der Borussia
Nach zwei Jahren Bundesliga mit Gladbach ging er, von 1967 bis 1970 legte er ein dreijähriges Intermezzo bei Hannover 96 ein, kehrte aber 1970 zur Borussia zurück. Mit seinem Heimatklub erlebte er seine erfolgreichste Zeit als Spieler, wurde 1971, 1975, 1976 und 1977 Meister, 1975 UEFA-Pokalsieger und 1973 DFB-Pokalsieger. 1974 und 1975 wurde er zudem Bundesliga-Torschützenkönig. Er ist ein essentielles Gesicht der goldenen 70er-Jahre der Borussia.
Bescheiden und bodenständig
Er war schon damals bodenständig, zurückhaltend, so ganz anders als sein kongenialer Mitspieler Günter Netzer, der schnelle Autos und das Nachtleben liebte. Heynckes fuhr lieber "Diesel, weil es den für 20 Pfennig den Liter in Holland gab. Das sitzt so in mir drin". Er war das neunte von zehn Kindern eines Schmieds aus Mönchengladbach. "Es war eine karge Zeit. Es gab nicht viel. Man hat gelernt, mit wenig auszukommen. Und wenn wir auch nicht viel hatten, so hat mir doch nie etwas gefehlt", sagt Heynckes der "Rheinischen Post".
Welt- und Europameister
In der Nationalmannschaft spielte er für seine Verhältnisse eine eher kleinere Rolle, absolvierte zwischen 1967 und 1976 "nur" 39 Länderspiele und schoss 14 Tore. 1972 wurde er mit der DFB-Elf Europameister, 1974 Weltmeister. Bei dem Turnier im eigenen Land spielte er aber nur zweimal.
Reichlich Rekorde
Seine aktive Karriere beendete er 1978 mit einem bitteren Rekord: Fünf Tore schoss er beim bis heute höchsten Sieg der Geschichte, 12:0 gewann die Borussia gegen den BVB, und trotzdem fehlten gegenüber dem punktgleichen 1. FC Köln drei Tore. Insgesamt schoss er in seinen 369 Bundesligaspielen für Gladbach und Hannover 220 Tore und ist damit hinter Gerd Müller, Klaus Fischer und Robert Lewandowski der vierterfolgreichste Torjäger der Bundesliga-Geschichte. Mit 195 Toren ist er zudem Gladbachs Rekord-Torschütze.
Jüngster Trainer
Heynckes stieg ins Trainer-Geschäft ein, wurde 1978 Co-Trainer von Udo Lattek in Gladbach. Am Saisonende gewannen die Gladbacher zum zweiten Mal den UEFA-Pokal, Lattek ging nach Dortmund. Sein Nachfolger wurde Heynckes, mit 34 damals der bis dahin jüngste Trainer.
Osram ohne Titel
Die finanziellen Voraussetzungen in Gladbach blieben bescheiden, dafür entdeckte er unter anderem Lothar Matthäus. Den Klub konnte Jung-Trainer Heynckes trotzdem in der Spitzengruppe der Liga halten. Titel holte er von 1979 bis 1987 keine, verlor das UEFA-Pokalfinale 1980 gegen Eintracht Frankfurt und 1984 das DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern. Einen Spitznamen holte er sich in seiner ersten Amtszeit auch ab: Wolfram Wuttke hatte Heynckes, der vor allem als junger Trainer oft verbissen war, "Osram" getauft, weil er, wenn es emotional wurde, oft einen roten Kopf bekam.
Bayern Teil 1
1987 ging Heynckes erstmals zum FC Bayern, kurioserweise erneut als Nachfolger von Lattek. Sportlich war die erste Ära mäßig erfolgreich. 1989 und 1990 wurde er mit den Münchnern Meister, schlitterte aber 1991/92 in eine Krise, in deren Folge er am 8. Oktober entlassen wurde. "Wir haben geheult wie die Schlosshunde", berichtete Uli Hoeneß später über die Entlassung: "Aber das hat unserer Freundschaft nicht geschadet." Zwölf Jahre später betitelte Hoeneß den Rauswurf als "größte Fehlentscheidung" seiner Karriere. In diese Zeit fällt übrigens auch der legendäre Sportstudio-Zoff mit dem damaligen Kölner Trainer-Emporkömmling Christoph Daum.
Wohlfühlfaktor Baskenland
Heynckes zog es nach Spanien, wo er lockerer wurde, aber nicht unbedingt erfolgreicher. Von 1992 bis 1994 arbeitete er bei Athletic Bilbao, lernte Spanisch und wurde langsam aber sicher von "Osram" zu "Don Jupp". Ihm gefiel die baskische Art.
Feldwebel im Anzug
Das dunkle Kapitel bei Eintracht Frankfurt, das nur neun Monate dauerte. Bei der Diva vom Main gab es Zoff ohne Ende, inklusive Spielerstreik von Anthony Yeboah, Maurizio Gaudino und Jay-Jay Okocha. Von den Frankfurter Medien erhielt Heynckes den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Feldwebel im Anzug". Seinen Vertrag löste er am 2. April 1995 auf.
Und wieder Spanien
Wieder zog es Heynckes nach Spanien, auf Teneriffa baute er mit Ewald Lienen als Co und Egon Coordes als Konditionstrainer und mit bescheidenen Mitteln eine Mannschaft auf, die durchaus Erfolg hatte. So schied er 1996/97 erst im UEFA-Pokal-Halbfinale gegen Schalke 04 aus.
Krönung mit den Königlichen
Sein bis dahin größter Erfolg als Trainer: Don Jupp gewann 1998 mit Real Madrid die Champions League, musste nach nur einer Saison trotzdem schon wieder gehen.
Biedere Stationen
In der Folgezeit wird es sportlich bieder. Seine Amtszeit bei Benfica Lissabon dauerte nur ein bisschen länger als eine Saison. Im September 2000 reichte er seine Kündigung ein. Was von der Zeit in Portugal hängen blieb: Ein dritter Platz und die Tatsache, dass Heynckes Robert Enke zum Kapitän machte. Es zog ihn anschließend einmal mehr nach Spanien, erneut ins Baskenland. Die Jahre von 2001 bis 2003 waren sportlich solide, er ging nach Vertragsende wieder nach Deutschland.
"Ein Auslaufmodell"
"Jede Biografie hat Höhen und Tiefen, das ist doch klar", weiß Heynckes. Schalke war 2003 und 2004 so ein Tief. Er gewann zweimal den Intertoto-Cup, auch bekannt als UI-Cup. Nach dem siebten Platz in der ersten Saison war die Geduld des früheren Managers Rudi Assauer schnell aufgebraucht. Drei Niederlagen aus vier Spielen, und Heynckes musste im September 2004 gehen. "Ein Auslaufmodell" als Trainer sei er, rief Assauer Heynckes hinterher.
Alte Liebe rostet
Auch mit der alten Liebe lief es nicht mehr. 2006 heuerte er wieder bei seiner Borussia an, doch die zweite Liaison als Trainer war unschön. Abstiegskampf und dazu angebliche Morddrohungen, Heynckes trat entnervt zurück. Unvergessen die Anekdote, dass er den Dienstwagen gewaschen und vollgetankt zurückgab. Ein Ehrenmann.
Bayern Teil 2
Die Dellen bügelte er dank der Bayern wieder aus, denn noch insgesamt dreimal ließ er sich von Hoeneß überreden, den Trainerjob zu übernehmen. 2009 sollte er die Kohlen aus dem Feuer holen, nach der erfolglosen Ära Klinsmann zumindest die Quali für die Champions League eintüten. Was er in fünf Spielen auch tat. Ein Running Gag, der damals begann: Heynckes' Schäferhund Cando, der daheim in Schwalmtal sehnsüchtig auf sein Herrchen warten musste.
Entspannter
Beobachter sagen, dass er in dieser Zeit entspannter wurde, vor allem in seinem sonst sehr angespannten Verhältnis zu den Medien. Heynckes fühlte sich nicht mehr so verfolgt, war lockerer. Das spiegelte sich auch sportlich wider. Mit Leverkusen wurde er zwischen 2009 uns 2011 Vierter und Vizemeister.
Bayern-Triple
Danach erneut die Bayern. Und was für zwei Saisons. Erst das "Vize-Triple" 2012 mit dem verlorenen Champions-League-Finale dahoam. 2013 dann die absolute Krönung mit dem Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Königsklasse. Er wurde Trainer des Jahres und Welttrainer. Eigentlich der perfekte Abschluss einer großen Karriere. Eigentlich. Wenn sein Freund Uli Hoeneß nicht immer Hilfe bräuchte.
Heimatverbundenheit
Die Heimatverbundenheit ist etwas, das immer geblieben ist. 2012/2013 bestreitet er in Gladbach sein vermeintlich letztes Spiel als Trainer, von den Fans wird er gefeiert. "Das zeigt mir, dass das meine Heimat ist", sagte Heynckes unter Tränen.
Bayern Teil 4
2017/18 sprang Heynckes erneut ein, diesmal nach der Entlassung von Carlo Ancelotti. Mit immerhin 72 Jahren. "Als die Anfrage kam, war ich in sehr guter körperlicher Verfassung und hatte die Kraft für diese Aufgabe. Und es machte viel Spaß, diese jungen Menschen noch einmal zu begleiten", sagt Heynckes.
Starke Leistung
"Was ich da noch investiert habe! Einige Hotelangestellte sagten mir, sie hätten nie einen derart disziplinierten und auf den Beruf fixierten Menschen erlebt", sagt der ehemalige Trainer: "Anders hätte es nicht funktioniert. In diesem Alter kannst du abends nicht drei Stunden essen gehen und eine Flasche Wein trinken. Es war die pure Selbstdisziplin und superprofessionelles Verhalten. In dieser Position musst du immer top sein und in jeder Sekunde das Geschehen beherrschen, sonst verlierst du Autorität und Respekt." Er verabschiedete sich mit der Meisterschaft in den endgültigen Ruhestand.
Liebeserklärung
Heynckes hat Eindruck hinterlassen, auch bei seinen ehemaligen Spielern. Zum 75. schrieb Bastian Schweinsteiger dem Jubilar einen Brief, eine Liebeserklärung für "die schönsten Jahre meiner Karriere".
Keine große Feier
Wie wird Heynckes seinen Geburtstag verbringen? Ruhig. Und bescheiden. "Ich hatte nicht vor, groß zu feiern", sagt Heynckes der "Welt am Sonntag": "Den 75. werden wir ganz spartanisch daheim verbringen."