Bundesliga
Xabi Alonso vs. Thomas Tuchel: Welcher Ansatz entscheidet Bayer Leverkusen vs. Bayern München?
- Aktualisiert: 09.02.2024
- 20:17 Uhr
- Tobias Escher
Beim Spitzenspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern München stehen auch die Trainer im Fokus. Xabi Alonso und Thomas Tuchel verkörpern völlig unterschiedliche Typen. Dennoch verfolgen sie eine ähnliche Spielphilosophie.
Von Tobias Escher
Xabi Alonso bringt kaum etwas aus der Ruhe. Selbst wenn es etwas zu feiern gibt, verliert er allenfalls kurz die Fassung. Als Bayer Leverkusen im Pokal in letzter Sekunde das entscheidende Tor erzielte, sprang Alonso hoch und ballte die Faust. Für den stets zurückhaltenden Gentlemen glich dies einem Vulkanausbruch.
Man mag sich nicht ausmalen, wie Thomas Tuchels Reaktion auf einen derart wichtigen Treffer ausgefallen wäre. Bayern Münchens Trainer zeigt sich am Spielfeldrand ungleich emotionaler als sein spanischer Kontrahent. Leidtragende sind der Vierte Offizielle und unbeteiligte Trinkflaschen, die durch die Coaching Zone fliegen.
Im Temperament mögen sich die Trainer von Bayer Leverkusen und Bayern München radikal unterscheiden. Die Spielstile ihrer Teams ähneln sich jedoch. Die Unterschiede beider Spielphilosophien finden sich erst im Detail.
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Alonso und Tuchel: Ballbesitz und Flachpässe
Sowohl Leverkusen als auch der FC Bayern bestechen in dieser Saison mit ihrem Ballbesitzspiel. Beide Teams setzen darauf, den Gegner über zahlreiche flache Pässe zu dominieren. Kein Verein in den europäischen Top-Fünf-Ligen spielt mehr flache Pässe als Bayer Leverkusen. Bayern München folgt in der Statistik dicht dahinter.
Alonso und Tuchel setzen auf fein abgestimmte Abläufe und feste Routinen im Aufbauspiel. Beide Trainer sind Anhänger des spanischen Positionsspiels. Das bedeutet: Die Spieler erhalten klare Aufträge, welche Position sie in welchem Feldbereich einnehmen sollen.
Beide Teams nutzen ihr Ballbesitzspiel, um sich den Gegner zurechtzulegen. Der Spieler am Ball soll stets mehrere Anspielstationen erhalten. Die übrigen Spieler müssen nicht nur diese Anspielmöglichkeiten schaffen, sondern auch den Gegner beschäftigen: Die Stürmer sollen die Verteidiger aus der Abwehr herausziehen, die Außenstürmer wiederum das Spiel breit machen. Dem Gegner wird so erschwert, kompakt zu verteidigen.
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Bayer Leverkusen - FC Bayern München wird kein Offensivfeuerwerk
Dass die Spieler von Bayer und Bayern die Zonen auf dem Feld gleichmäßig besetzen, hat noch einen weiteren Hintergrund: Beide Teams möchten den Gegner nicht nur über ihr Ballbesitzspiel dominieren. Sie wollen auch gegnerische Konter bereits im Ansatz abwürgen. Durch ihre Positionierung können beide Teams nach einem Ballverlust sofort nachsetzen.
Dieses Gegenpressing ist ein Eckpfeiler des Spielsystems beider Trainer. Tuchel wie Alonso mögen als Anhänger des schönen Flachpassfußball gelten. Im Kern ist der Fußball beider Trainer aber defensiv ausgerichtet: Es geht darum, die Kontrolle über das Spiel zu erlangen.
Wenn der Gegner den Ball nie erhält, hat er auch keine Möglichkeit, selbst ein Tor zu schießen. Risiko wagen beide Trainer nur in dosierten Mengen. Das unterscheidet sie von offensiv denkenden Kollegen wie Julian Nagelsmann oder Hansi Flick.
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Tuchel und Alonso sind dabei keine Anhänger der reinen Ballbesitz-Lehre wie etwa Pep Guardiola. Wenn es nötig ist, überlassen Tuchel und Alonso dem Gegner das Spiel. Alonso konzentrierte sich in seinem ersten halben Jahr in Leverkusen zunächst auf defensive Abläufe.
Tuchel wiederum gewann mit dem FC Chelsea die Champions League mit einer Fünferkette und schnellem Umschaltspiel. Keiner der beiden Trainer dürfte im direkten Aufeinandertreffen ein offensives Feuerwerk zünden.
FC Bayern vs. Bayer Leverkusen: 3-4-3 vs. 4-2-3-1
Positionsspiel, Dominanz, aber immer aus einer stabilen Defensive: Alonso und Tuchel gleichen sich in ihrer Spielphilosophie. In der Ausführung gibt es jedoch Unterschiede. Alonso setzt in Leverkusen auf ein 3-4-3-System. Sein Spielsystem ist um die Stärken und Schwächen der Spieler gebaut. So sprintet der pfeilschnelle Rechtsverteidiger Jeremie Frimpong die Linie entlang, während der spielstarke Linksverteidiger Grimaldo sich häufig ins Mittelfeldzentrum bewegt.
Tuchel wiederum setzt auf ein 4-2-3-1. Sein System ist weniger an den Stärken und Schwächen der Spieler ausgerichtet. Bei ihm steht die Ausführung im Fokus. Kaum eine Bundesliga-Mannschaft baut derart sauber auf; fast immer positionieren sich die Spieler in einem 3-2-5 oder einem 2-3-5.
Tuchel nimmt dabei weniger Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten seiner Spieler, sondern orientiert sich an seinem Gegner. Leroy Sané etwa kommt stets auf jenem Flügel zum Einsatz, auf dem Tuchel beim Gegner Schwächen ausmacht. Während Alonsos Team meist durch das Zentrum attackiert, sucht Tuchels Mannschaft den Weg über die Außen.
Alonso und Tuchel: Unterschiedliche Charaktere
Der größte Unterschied zwischen beiden Trainern hängt mit ihrer Mentalität zusammen. Alonso hat beim 3:2-Sieg gegen Stuttgart missfallen, dass sein Team in der ersten Halbzeit ein zu hohes Tempo gegangen sei. Solche Analysen hört man öfter von ihm. "Kontrolle" und "Rhythmus" sind die Lieblingsworte des Spaniers, gerne nutzt er sie gemeinsam.
Tuchel hingegen wählt nach schlechten Spielen seines Teams andere Begriffe. Er kritisiert schon einmal die fehlende Mentalität seiner Spieler. Vor allem aber hadert Tuchel, wenn seine Spieler nicht die geforderte "Energie" auf das Feld bringen.
Wenn er über das Tempo seines Teams meckert, dann in anderer Form als Alonso: Wenn seine Spieler einmal Fahrt aufgenommen haben, sollen sie Angriffe nicht abbrechen. Das ist ein Unterschied zu Alonso, der am liebsten zu jeder Zeit den Rhythmus eines Spiels kontrolliert.
Totale Kontrolle gegen kalkulierten Kontrollverlust: So ließe sich das Duell beider Trainer zusammenfassen. Die Philosophien beider Trainer mögen ähnlich sein. Am Samstagabend wird sich zeigen, welcher Charakter sich durchsetzt.