Bester Vorlagengeber in Europa
Bayer Leverkusen: Florian Wirtz verzaubert die Liga - und bald den FC Bayern?
- Aktualisiert: 08.02.2024
- 09:47 Uhr
Florian Wirtz ist aktuell der Unterschiedsspieler bei Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen. Im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den VfB Stuttgart zeigte er erneut seine Weltklasse. Er verzaubert nicht nur die Liga, sondern womöglich bald den FC Bayern München.
Von Kai Esser
Es war nicht oft in dieser Saison der Fall, dass Bayer 04 Leverkusen mit dem Rücken zur Wand stand.
Zum bis dato letzte Mal geschah es beim zweiten von insgesamt drei Aufeinandertreffen in der Saison 2023/24 mit dem VfB Stuttgart im Viertelfinale des DFB-Pokals. Die Stuttgarter waren mindestens ebenbürtig, teilweise sogar besser und führten berechtigterweise mit 2:1 in der BayArena.
Es sind diese Momente, die sehr gute Spieler von Weltklasse-Spielern unterscheiden. Momente, wenn es einen Funken in der Mannschaft und auf den Rängen braucht. Momente, auf denen in dieser Saison der Name Florian Wirtz steht. Und der immer noch erst 20-Jährige gehört in dieser Spielzeit zweifelsfrei zur Kategorie Weltklasse.
Wirtz fordert nicht nur immer den Ball, egal wie es steht, er weiß auch stets etwas damit anzufangen. Erst bereitete er mit einem hervorragend getimten Pass in die Spitze auf Amine Adli das 2:2 vor, in der 90. Minute sorgte er mit einer punktgenauen Flanke auf seinen Kapitän Jonathan Tah für den 3:2-Siegtreffer. Kurzer Pass, langer Pass, Flanke, Abschluss. Das Repertoire des offensiven Mittelfeldspielers scheint grenzenlos.
Es waren seine Pflichtspiel-Assists Nummer 14 und 15. Kein anderer Spieler in Europas Top-Ligen kommt auf mehr als zwölf. Das alleine unterstreicht seine Wichtigkeit und Genialität.
Das Wichtigste zum DFB-Pokal
Bereits am zwischenzeitlichen 1:1 war der Zehner mehr oder minder beteiligt. Weil sich gleich drei Stuttgarter auf den am Strafraumrand lauernden Wirtz konzentrierten, hatte Robert Andrich im Rückraum genug Platz um den Ball im Toreck zu versenken. Dass der 97-fache Bundesligaspieler besonders ist, weiß mittlerweile beinahe jeder - nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Florian Wirtz: Dank Alonso auf der nächsten Stufe
Es sind die Instinkte, die man nicht lernen und schon gar nicht trainieren kann, die den Nationalspieler von Anderen abheben. Sein Trainer Xabi Alonso nahm bereits - wohl ungewollt - einen Messi-Vergleich vor. "Warum ist Lionel Messi so gut?", fragte er einst rhetorisch, nachdem er auf seinen Zehner angesprochen wurde. "Weil er die einfachen Dinge perfekt macht. Diese Fähigkeit hat auch Florian."
Das wohl größte Lob, das man von einem zweifachen Champions-League-Sieger und Weltmeister, der selbst im Mittelfeld agierte, bekommen kann.
Leverkusen unter Alonso spielt, wie der Spanier früher selbst gespielt hat. Abgeklärt, mit Übersicht, furchtlos, immer mit einer Lösung für die Situation im Kopf und der Fähigkeit, diese auch zu verwirklichen. "Wir halten immer an unserem Plan fest", sagte der Spanier nach dem Sieg über RB Leipzig (3:2), bei dem die Werkself auch eine halbe Stunde lang eher den Freischwimmer mimte und trotzdem am Ende gewann.
Bereits zu Spielerzeiten verstand der heute 42-Jährige, dass man Freigeister eben Freigeister sein lassen muss. Genau so einer ist Wirtz. "Xabi gibt mir viele Freiheiten auf dem Platz und hat immer einen Tipp parat, wie ich mich verbessern kann", erklärte er im "Sportbuzzer"-Interview.
Alonso dürfte der Letzte sein, der sich gegen eine grandiose Idee oder ein grandioses Dribbling des gebürtigen Kölners erwehrt. Manchmal, so schien es beispielsweise bei Wirtz' Treffer gegen den SC Freiburg, ist der Spanier wohl selbst überrascht von seinem Schützling. Fast schon müßig zu erwähnen, dass dieses Kunststück kürzlich zum Tor des Jahres ausgezeichnet wurde. "Er ist eben ein Genie", kommentierte Alonso die Auszeichnung nur. Das war übrigens weit nachdem er ihn in einem Atemzug mit Messi nannte.
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Der 20-Jährige hat es neben seiner unglaublichen individuellen Qualität auch seinem Trainer zu verdanken, dass er den Sprung in die Weltspitze geschafft hat. "Ich fühle mich unter ihm extrem wertgeschätzt, ich spüre sein Vertrauen - das ist mir gerade als junger Spieler total wichtig", schwärmte Wirtz.
Magier Florian Wirtz: Verzaubert er auch den FC Bayern?
Nach der gemeisterten Bewährungsprobe gegen exzellent aufgelegte Stuttgarter und dem damit verbundenen Einzug ins Halbfinale des Pokals wird es jedoch nicht einfacher für Wirtz und Bayer 04: Am Samstag kommt der FC Bayern München ans Autobahnkreuz Leverkusen (ab 18:30 Uhr live im Ticker).
Ziemlich sicher dürfte der offensive Mittelfeldspieler Thomas Tuchel, dem Trainer der Bayern, bereits schlaflose Nächste bereitet haben. Wie kann man so einen unberechenbaren Spieler stoppen? Ein Spieler, der mit solch einer Präzision arbeitet, wie man es nur selten auf diesem Niveau und in dieser Konstanz sieht. Sein Einfluss auf das Leverkusener Spiel lässt sich nicht nur in Statistiken messen, Magie ist schließlich nur schwer greifbar. Und zaubern soll er auch gegen den Rekordmeister.
Wenn es nach vielen Fans der Münchner geht, dann wird das Aufeinandertreffen am 21. Spieltag der vorerst letzte Auftritt für Wirtz gegen die Bayern sein - weil er dann ab Sommer für die Bayern den Taktstock schwingt. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus malte sich mit Jamal Musiala, Leroy Sane und eben Wirtz bereits eine Offensive aus, "die an Genialität und Geschwindigkeit weltweit ihresgleichen" suchen würde.
Auch der Protagonist selbst will "irgendwann den Weg weiter gehen." Dass Wirtz seine gesamte Karriere unter dem Bayer-Kreuz verbringt, scheint so utopisch wie dass die Bundesliga auf einmal die Premier League in Sachen Einnahmen überholt.
Freilich, nach dem einstigen FCB-Kredo "Die besten deutschen Spieler müssen beim FC Bayern spielen" kommt man schon lange nicht mehr um die Personalie Florian Wirtz herum. Allerdings empfiehlt Matthäus, der zuvor noch von einem deutschen Trio Infernale im Bayern-Dress träumte, einen langsamen Karriereweg. "Ich würde ihm raten, noch bis 2026 in Leverkusen zu bleiben." Völlig unverständlich ist diese Empfehlung nicht. Wirtz wäre nicht der Erste, dem ein Wechsel zum Klassenprimus mehr schaden als helfen könnte.
Wirtz und Leverkusen: Kein Druck und keine Eile für einen Wechsel
Vor allem, weil der Druck im Süden der Republik ein ganz anderer ist. Während der Meistertitel in Leverkusen das mit weitem Abstand größte Erfolgserlebnis der 120-jährigen Vereinsgeschichte wäre, werden Meisterschaften in München höchstens mit Beifall beklatscht und als absolutes Mindestziel ausgegeben.
Keinen Druck hat derweil Sportdirektor Simon Rolfes. Der verkündete im Winter bereits, dass es keinen kurzfristigen Wirtz-Abgang geben würde. Der Vertrag des Nationalspielers läuft noch bis 2027 - ohne Ausstiegsklausel. Wenn die Bayern das rheinische Juwel also haben wollen, müssen sie den jüngst aufgestellten Transferrekord von Harry Kane über rund 100 Millionen Euro wohl nicht nur brechen, sie müssen ihn womöglich deutlich überbieten. Vor allem, da sich der Youngster bei der Europameisterschaft im eigenen Land mutmaßlich weiter ins Schaufenster stellen könnte. Auch bei denen, die die Bundesliga nur sporadisch verfolgen.
Für den Moment spielt "das Genie" Wirtz noch in Leverkusen. Und ob er in irgendeiner Zukunft beim FC Bayern aufschlägt, darüber denkt er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht nach.
Wenn Wirtz im Moment an die Bayern denkt, dann nur, weil er sie am Samstag schlagen will.