2:4-Klatsche in Bochum
Bayern München erlebt sein Deja-vu: Defensiv-Desaster mit Ansage
- Aktualisiert: 12.02.2022
- 20:45 Uhr
- ran.de / Marcus Giebel
Der FC Bayern München ist auf dem besten Weg zum zehnten Meistertitel nacheinander. Daran ändert auch der böse Ausrutscher von Bochum nichts. Wobei der eine Vorgeschichte hatte - und Joshua Kimmich rätseln lässt.
München - In den letzten Minuten der Demütigung von Bochum musste der FC Bayern München dann auch noch den süffisanten Abschiedsgruß über sich ergehen lassen. "Ihr könnt nach Hause fahr'n", schallte es dem Team von den Rängen des Ruhrstadions entgegen.
Ein Evergreen in der Bundesliga - nur der Rekordmeister hört diese Zeilen selten. Weil er zumeist obenauf ist.
Doch nicht an diesem Nachmittag, an dem der forsche Aufsteiger VfL Bochum beim 4:2 die Unzulänglichkeiten der Bayern gnadenlos ausnutzte.
Kimmich betont "Einstellung und Körpersprache"
Teilweise erinnerten die 90 Minuten an die 0:5-Schmach des Spitzenreiters in der zweiten Pokalrunde bei Borussia Mönchengladbach. Auch Joshua Kimmich, der dem Team die "schlechteste Saisonleistung" attestierte, erlebte ein Deja-vu.
"Wir haben alle Tugenden vermissen lassen. Uns passiert das nicht zum ersten Mal. Da müssen wir schon aufpassen, mit so einer Einstellung und Körpersprache", legte der konsterniert wirkende Nationalspieler im "Sky"-Interview den Finger in die Wunde: "Das hat nicht viel mit Plan oder Taktik zu tun, sondern mit der Art, wie man das Spiel angeht."
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Neuer-Vertreter Ulreich machtlos
Die immer häufiger bemühte Kopffrage also. Haben die Münchner den VfL etwa auf die leichte Schulter genommen? Nach dem Motto: Schnell noch die Pflichtaufgabe mit möglichst wenig Aufwand erledigen, bevor es in der Champions League bei RB Salzburg (Mi., ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) ans Eingemachte geht.
Das Fehlen von Kapitän Manuel Neuer nach der Knie-OP kann als Grund kaum angeführt werden, denn zu halten hatte dessen Vertreter Sven Ulreich bei den vier Toren nichts. Dafür ließen sich dessen Vorderleute ein ums andere Mal düpieren.
Upamecano kam, sah und patzte
Beim 1:1 durch Christopher Antwi-Adjei blieben Dayot Upamecano und Nikas Süle nur Statistenrollen.
Der Franzose verursachte auch den Handelfer, den Jürgen Locadia verwandelte.
Und dann waren da noch die beiden Traumtore von Cristian Gambia, der zuvor Kingsley Coman tunnelte, und Gerrit Holtmann, der Upamecano zum Finale der privaten Lehrstunde böse narrte.
Fertig war das 1:4 zur Halbzeit aus Sicht des Krösus. Ein Desaster, ein defensiver Offenbarungseid. Vier Gegentore in den ersten 45 Minuten - das war den Bayern in der Bundesliga seit fast einem halben Jahrhundert nicht mehr passiert.
Nagelsmann selbstkritisch
Der völlig indisponierte Upamecano war erstmals seit seiner Corona-Infektion um den Jahreswechsel in die Startelf gerutscht. Denn Julian Nagelsmann setzte gegen die pfeilschnellen Bochumer Flügelspieler Holtmann und Antwi-Adjei erstmals nach drei Spielen wieder auf eine Viererabwehrkette.
"Die Idee in der ersten Hälfte war nicht gut", gestand der Bayern-Trainer bei "Sky", monierte aber auch: "Wir haben das sehr langsam, sehr träge gespielt." Er korrigierte diesen Kniff zur Pause, schickte den zuletzt starken Corentin Tolisso für den Ex-Leipziger auf den Platz. Doch da war der Schaden eben schon angerichtet.
Zwei Bochumer Treffer zurückgepfiffen
Es hätte sogar noch schlimmer kommen können: Kurz nach Wiederanpfiff bügelte Ulreich einen Patzer von Benjamin Pavard aus. Weiteren Treffern von Antwi-Adjei und Patrick Osterhage wurde wegen Abseitsstellungen die Anerkennung verwehrt.
Die Gastgeber malträtierten die bayerische Achillesferse regelrecht. Immer wieder stürmten sie über die Außenbahnen hinter die letzte Verteidigungslinie der hoch pressenden Münchner. Und fanden dort Platz en masse vor, so dass sie dort sogar problemlos den Mannschaftsbus hätten wenden können.
Hamann warnt Bayern: "Hinten musst du Zugriff bekommen"
Ganz klar: Defensiv boten die Bayern diesmal nicht einmal Bundesliga-Mittelmaß. Darüber lässt sich nicht hinwegsehen. Oder wie "Sky"-Experte Dietmar Hamann es formulierte: "Nagelsmann moderiert das wunderbar, er lässt die offensiv beste Mannschaft spielen. Aber hinten musst du irgendwann auch Zugriff bekommen."
Zwar ergaben sich für Robert Lewandowski noch Chancen, um sein Trefferkonto auf mehr als 26 Tore hochzuschrauben. Doch Kimmich sah eine "absolut verdiente Niederlage". Da wollte ihm auch niemand widersprechen.
Spaziergang zum Meistertitel als Problem?
Es war eine, die sich schon am Tag zuvor angebahnt hatte. Denn Nagelsmann offenbarte: "Wir haben gestern sehr schlecht trainiert. Wir sind zwar ein Spitzenteam, aber können den Schalter auch nicht so einfach umlegen."
Womöglich werden seine Profis zu den Brüdern Leichtfuß, weil der zehnte Meistertitel am Stück nur noch Formsache erscheint? Trotz des Ausrutschers bleibt ein höchst komfortabler Vorsprung. Borussia Dortmund würde selbst nach einem Sieg bei Union Berlin (So., ab 15:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) immer noch sechs Punkte zurückliegen.
Kimmich: "Hat jeder alles reingehauen?"
Da wäre es beinahe menschlich, sollte der Blick der Stars vor den entscheidenden Saisonwochen vor allem in Richtung Königsklasse gehen. Die Bundesliga hingehen als lästige Hausmannskost runtergewürgt werden.
Bayern-like wäre das freilich nicht. Zumal an der Säbener Straße beinahe schon jedes Unentschieden einer mittelschweren Krise geichzukommen scheint.
Entsprechend angefressen war Kimmich nach der vierten Liga-Pleite der Saison - der dritten nach eigener 1:0-Führung: "Da muss sich jeder einzelne fragen, ob er wirklich alles reingehauen hat. Es passiert uns zu oft und das kenne ich aus der Vergangenheit so nicht von uns."
Bayern verschwinden nach Abpfiff direkt in der Kabine
Diese Sätze sprudelten nicht etwa direkt nach Abpfiff aus dem "aggressive leader" heraus. Zunächst zogen sich die Bayern geschlossen in die Kabine zurück. Um die Emotionen runterzukühlen.
Es war ganz sicher besser so. Denn zwischen den höchst unzufriedenen Stars dürften klare Worte gefallen sein.
Dem Frust musste Luft gemacht werden. Eben nicht in aller Öffentlichkeit. Aber auch Kimmichs anschließende Stellungnahme machte deutlich, dass noch Redebedarf herrscht.
Womöglich schon auf dem Rückweg. Denn nach den Pflichtterminen am Ort der Schmach war es endlich so weit - die Bayern konnten nach Hause fahr'n.
Marcus Giebel
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