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Bundesliga-Relegation - VfB Stuttgart vs HSV: Markus Babbel exklusiv: "Mislintat ist in Stuttgart über das Wasser gelaufen"
- Aktualisiert: 01.06.2023
- 20:01 Uhr
- ran.de/Dominik Kaiser
Der VfB Stuttgart und der HSV treffen im ersten Relegationsspiel (20:15 Uhr live in SAT.1, auf ran.de und joyn) aufeinander. Markus Babbel spricht bei ran offen über das "Desaster", weil seine beiden Ex-Klubs um den letzten Platz in der Bundesliga kämpfen und warum der VfB Stuttgart sich hinterfragen muss.
Von den Relegationsspielen berichtet Dominik Kaiser
ran-Experte Markus Babbel war in der Bundesliga als Spieler für den VfB Stuttgart und den Hamburger SV, bei den Schwaben sogar als Trainer aktiv. In der Relegation (20:15 Uhr live in SAT.1, auf ran.de und joyn) treffen seine beiden Ex-Klubs nun aufeinander.
Mit ran spricht er über das besondere Duell, die Entwicklung beider Vereine und wieso der Nicht-Aufstieg für den HSV kein Drama wäre.
ran: Herr Babbel, wie erleben Spieler und Verantwortliche diese Relegationsspiele?
Markus Babbel: Da muss man ehrlich sein, Freude kommt da bei niemanden auf. Es liegt ein immenser Druck auf die Trainer und Spieler. Alle wissen, was da auf dem Spiel steht und es riesige Probleme gibt, wenn vor allem der Klassenerhalt nicht gelingt. Dabei geht es um mehr als den Sport. Es geht oft um Arbeitsplätze auf den Geschäftsstellen, es geht um Fans, die mitleiden und Klubs, die eventuell in Nöte kommen. Dabei geht es um zu viel!
ran: Wie sehen Sie die Geschehnisse in Sandhausen, als der HSV für sechs Minuten aufgestiegen war?
Babbel: Ich war froh, dass der Schiedsrichter den Mut hatte, so lange nachspielen zu lassen. Es gab sehr viele Unterbrechungen und Behandlungen, die Nachspielzeit war für mich also korrekt angesetzt. Ich bin ein Fan davon, dass es so gehandhabt wird. Hamburg war mental schon auf die Relegation eingestellt. Aber natürlich konnte niemand erahnen, welch eine emotionale Achterbahnfahrt da auf sie wartet. Du feierst und dann wird es dir wieder entrissen, das ist sehr hart.
ran: Glauben Sie, dass die Hamburger über diese Enttäuschung bis zum Anpfiff hinwegsehen können?
Babbel: Wenn ich es jemanden zutraue, dann Tim Walter und Jonas Boldt! Der HSV nimmt gefühlt jeden Schmerz mit, den er mitnehmen kann. Und trotzdem gehen sie ihren Weg unbeirrt weiter. Sie haben endlich wieder eine Verbundenheit und Enge mit den Fans und dem Umfeld geschaffen. Die Fans identifizieren sich zu 100 Prozent mit Verein und Mannschaft. Ihnen ist es gelungen, wieder Ruhe in den Klub zu bringen, dass selbst "Edelfans" wie Herr Kühne sich zurückhalten und den Weg mitgehen. Ich sehe das erste Mal seit Jahren eine Entwicklung und habe ein gutes Gefühl.
ran: Aber ist der Verein nicht dennoch zum Aufstieg verdammt?
Babbel: Selbst, wenn es wieder in die Hose geht, wird der eingeschlagene Weg weitergehen. Und ich bin mir sicher, dass diese Hartnäckigkeit früher oder später auch mit dem Aufstieg belohnt werden wird!
ran: Der HSV spielt seine zweite Aufstiegsrelegation in Folge. Könnte der knapp verpasste Erfolg aus dem Vorjahr ein Vorteil für die Spiele gegen den VfB Stuttgart sein?
Babbel: Im letzten Jahr habe ich den HSV sogar noch einen Tick besser als Hertha BSC gesehen. Für die kommenden Spiele ist Stuttgart individuell die klar stärkere Mannschaft. Wichtig ist, welche Lehren die Hamburger aus dem letzten Jahr gezogen haben. Jeder Schaden muss einen Nutzen haben. Im ersten Spiel waren sie damals sehr clever und haben auch verdient gewonnen. Im Rückspiel haben sie viel zu viele Fehler gemacht.
ran: Welche genau?
Babbel: Wenn ich meinen Spielstil habe, muss ich ihn in solchen Entscheidungsspielen anpassen. Wenn mich der Gegner hoch anpresst, brauche ich nicht jeden Ball hinten raus spielen. Dann schlage ich in den ersten zehn Minuten lange Bälle, um die erste Druckphase des Gegner zu überstehen. So komme ich in eine Partie und kann dem Gegner mein Spiel dann aufzwingen. Aber es bringt nichts, den eigenen Stil auf Biegen und Brechen durchzuziehen und dann mit wehenden Fahnen unterzugehen.
ran: Generell spielen mit dem HSV (als Spieler) und dem VfB Stuttgart (als Spieler und Trainer) zwei Ex-Klubs von Ihnen gegeneinander. Wie geht es Ihnen damit?
Babbel: Für mich ist das ehrlicherweise ein emotionales Desaster. Ich war schon als kleines Kind HSV-Fan und habe die Spiele des Klubs immer verfolgt und dann zwei Jahre dort spielen dürfen. Beim VfB Stuttgart hatte ich fünfeinhalb fantastische Jahre, fühle mich jetzt noch dort wahnsinnig wohl, wenn ich dorthin komme. Es ist schade, dass es einen von beiden erwischen wird. Aber so ist Fußball, ein Ergebnissport.
ran: Der VfB Stuttgart brauchte drei Trainer, um sich in Relegation zu retten. Wie sehen Sie die Entwicklung dort?
Babbel: Es war zwischendrin wirklich zum Haare raufen! Der Klub hat eine Entwicklung genommen, die ich nie für möglich gehalten hätte. 2007 wurde Stuttgart Deutscher Meister, spielte auch die Jahre danach fast immer international. Und jetzt stehen sie bereits vor dem dritten Abstieg binnen kürzester Zeit. Und das ist kein Zufall mehr! Mit Alex Wehrle haben Sie jetzt einen Top-Mann dazu bekommen, der es geschafft hat, die Reibereien mit dem Präsidium zu beenden. Thomas Hitzelsperger hatte vorher ja eine lange Fehde, unter der der Verein litt.
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ran: Also liegt die Hauptverantwortung dafür bei Wehrles Vorgänger Sven Mislintat?
Babbel: Sven Mislintat ist in Stuttgart gefühlt über das Wasser gelaufen. Jeder meinte, dass er die absolute Wahrheit sagt. Viel zu lange hat er die Mär der tollen Mannschaft aufrechterhalten. Letztes Jahr ist man gerade noch so von der Schippe gesprungen und jetzt steht man wieder am Abgrund. Wenn man in drei Jahren zweimal kurz vor dem Abstieg steht, kann ja etwas mit dieser Mannschaft nicht stimmen! Misllintat konnte mehrere Jahre ohne Aufsicht und Nachfragen schalten und walten. Wenn das Team das riesige Potenzial hätte, von dem er immer erzählte, wäre der Klub nicht in dieser Situation. Dieser Fehler wurde zum Glück korrigiert und mit Wehrle ein sehr fähiger Mann dazu geholt, der den Klub jetzt zusammen mit dem Präsidenten wieder in die richtige Richtung lenkt.
ran: Glauben Sie, die Spieler können mit dem Druck in den beiden Spielen umgehen?
Babbel: Die Spieler müssen jetzt endlich mitziehen. Es ist auffällig, dass das Team immer dann funktioniert, wenn die Not am größten ist. Komischerweise können sie dann marschieren und fighten. Aus meiner Sicht ist das Hauptproblem, dass sie zu schnell zufrieden sind, obwohl sie noch gar nichts erreicht haben. Dabei hat die Bundesliga mit Union Berlin und Freiburg gezeigt, was möglich ist, wenn du jede Woche über deine Grenzen gehst. Und niemand kann mir erzählen, dass diese Mannschaften deutlich besser besetzt sind als der VfB Stuttgart. Dieses Team hat ein Mentalitätsproblem. Sie machen exakt das, was gerade gebraucht wird, aber keinen Zentimeter mehr. Und auch deswegen sind sie jetzt in dieser Situation.
ran: Welche Folgen hätte ein erneuter Abstieg für den VfB Stuttgart?
Babbel: Der Verein wird immer stark sein. Der VfB hat so viel Power und Energie, dass er sich immer berappeln wird. Aber es wirft dich trotzdem um Jahre zurück. Ich kann es nicht verstehen, wenn Menschen sagen: "Geh in die 2. Liga und bau neu auf!" Bullshit! Du musst eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen, hast weniger Einnahmen und ein sofortiger Wiederaufstieg ist wahrlich nicht einfach. Sie müssen versuchen in der Liga zu bleiben und endlich ihre Lehren aus den vergangenen Jahren ziehen.