Bundesliga
FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt - Sportdirektor Timmo Hardung warnt: "Man kann das innerhalb weniger Monate wieder einreißen"
- Veröffentlicht: 21.02.2025
- 20:36 Uhr
- Andreas Reiners
Am Sonntag tritt Eintracht Frankfurt beim FC Bayern an (ab 17:30 Uhr im Liveticker). Wir haben uns vorher mit Eintrachts Sportdirektor Timmo Hardung über wilde Transferphasen, die faszinierende Stürmer-Bilanz und einen Angriff auf die Bayern unterhalten und warum sich die Eintracht etwas bei NFL, NHL und NBA abschaut.
Das Interview führte Andreas Reiners
Ein Angriff auf die Bayern? So weit will Timmo Hardung dann doch nicht gehen.
Auch wenn sich Eintracht Frankfurt in der Spitzengruppe festgesetzt hat. Dritter sind die Frankfurter, die damit auf Kurs Champions League liegen.
Doch Tabellenführer Bayern ist vor dem direkten Duell am Sonntag (ab 17:30 Uhr im Liveticker) im Rahmen des 23. Bundesliga-Spieltags 13 Punkte weg.
"Wir sind ein erfolgshungriger und ambitionierter Klub, aber ein Angriff auf die Bayern ist sehr unrealistisch. So etwas würde nur möglich sein, wenn Bayern selbst viele falsche Entscheidungen trifft. Also eher, wenn Bayern sich uns annähert, als dass wir sie einholen", sagte Eintrachts Sportdirektor Hardung im ran-Interview. Man wolle den eigenen Weg gehen, sagte er.
Über diesen Weg haben wir mit ihm gesprochen, aber auch über wilde Transferphasen, die faszinierende Stürmer-Bilanz, interessante Märkte und die Wandlung zu einem "hippen" Klub. Und warum sich die Eintracht etwas bei NFL, NHL und NBA abschaut.
Das Wichtigste in Kürze
Eintracht Frankfurt: Der besondere Nervenkitzel
ran: Timmo Hardung, der Transfer von Michy Batshuayi hat Sie stundenlang in Atem gehalten. Haben Sie Ihren Job am Abend des Deadline Day gegen 20 Uhr kurz mal verflucht? Oder sind das genau die Momente, für die man Sportdirektor wird?
Timmo Hardung: Nein, verflucht habe ich das auf keinen Fall. Natürlich war es extrem knapp, aber darin liegt auch ein gewisser Reiz. Es war eher ein Nervenkitzel – die Herausforderung, in einer Drucksituation einen kühlen Kopf zu bewahren und keine Fehler zu machen. Denn im Fußballgeschäft geht es in diesen Momenten um relativ viel. In der freien Wirtschaft würde man sich für solche Entscheidungen deutlich mehr Zeit nehmen, aber bei uns sind die Regularien und Statuten nun mal so, dass wir mit diesen engen Deadlines arbeiten müssen. Das gehört zum Business und zum Markt und am Ende hat der Transfer geklappt.
ran: Ist das ein Extrembeispiel oder läuft das heutzutage durchaus öfter so wild ab?
Hardung: Ich würde es nicht als 'wild' bezeichnen. Wir haben unsere internen Prozesse eingehalten und sind unserer Linie treu geblieben – auch unter Zeitdruck. Der entscheidende Punkt ist, in solchen Momenten nicht in Panik zu verfallen oder Abläufe zu überspringen. Das kann kontraproduktiv und auch sehr gefährlich sein. Aber Sie haben recht: In den letzten Jahren sieht man vermehrt, dass Transfers erst auf den letzten Drücker finalisiert werden. Das liegt vor allem am Faktor Zeit. Eine näher rückende Deadline zwingt alle Beteiligten, ihre Karten irgendwann offen auf den Tisch zu legen.
ran: Mathys Tel hat die Eintracht nicht bekommen. Wie lange ärgern Sie sich über Transfer-Niederlagen?
Hardung: Im Fußball führt man unzählige Gespräche – das ist ein Stück weit auch Fleißarbeit. Es geht darum, sich Informationen zu sichern, denn Informationen schaden nur dem, der keine hat. Von daher ist es ganz wichtig, im Bilde zu sein, wie die jeweiligen Ausgangssituationen sind. Trotzdem bleibt das Geschäft oft undurchsichtig. Manchmal passt es aus unserer Sicht perfekt, aber eine andere Partei sieht es anders – und dann klappt ein Transfer eben nicht. Das passiert des Öfteren, deswegen ärgere ich mich persönlich nicht lange über verpasste Transfers. Es gehört zum Job, dass nicht jeder Spieler, mit dem man sich beschäftigt, am Ende auch kommt. Ein Transfer ist ein komplexes Puzzle: Es gibt viele Faktoren, die zusammenpassen müssen, es ist viel Arbeit – und das oft in einem engen Zeitfenster, auch an anderen Tagen als am Deadline Day.
ran: Wie hart sind die Bayern als Verhandlungspartner?
Hardung: Das kommt grundsätzlich immer darauf an, um wen es geht. Grundsätzlich kann ich mich an keinen Spieler erinnern, der zwingend zu uns wollte, bei dem die Bayern aber abgelehnt haben, weil sie nicht mit uns reden wollten. Das läuft alles professionell und kollegial ab.
ran: Auch bei Omar Marmoush lief alles professionell und kollegial ab. Haben Sie einen bevorzugten Verhandlungspartner?
Hardung: Natürlich gibt es in der Branche viele bekannte Gesichter. Viele Sportdirektoren auf meiner Ebene kenne ich persönlich, Markus Krösche hat natürlich Verbindungen zu Geschäftsführern und Vorständen anderer Klubs. Es hilft, wenn man eine persönliche Ebene hat. Trotzdem ist man normalerweise mit seinem Verhandlungspartner nicht befreundet. Am Verhandlungstisch geht es nicht darum, nett zu sein und Freunde zu machen, sondern darum, die Interessen von Eintracht Frankfurt bestmöglich zu vertreten – genauso wie unser Gegenüber für seinen Spieler oder seinen Verein kämpft. In der Regel läuft das sachlich und professionell ab. Natürlich gibt es "schwarze Schafe", bei denen es persönlich oder unsauber wird, aber das sind Einzelfälle. Grundsätzlich geht es darum, für beide Seiten eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. Eine Verhandlung ist nichts, bei dem eine Seite die andere über den Tisch ziehen sollte – es sollte für beide Parteien einen Mehrwert geben.
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ran: Welche Bilanz ziehen Sie nach der Transferperiode?
Hardung: Die Bilanz fällt positiv aus. Wir waren letztlich etwas aktiver als ursprünglich geplant, aber das ist im Fußball nichts Ungewöhnliches. Im Oktober oder November kann man zwar Prognosen abgeben, aber letztlich sind das immer hypothetische Überlegungen. Selbst im Dezember ist es schwer vorherzusagen, wie sich ein Transferfenster entwickelt. Der Markt ist dynamisch, und man ist immer auch von externen Faktoren abhängig – sei es durch eigene Spieler, die sich verändern wollen, oder durch Gelegenheiten, die sich plötzlich ergeben. Deshalb ist es wichtig, auf Unvorhergesehenes bestmöglich vorbereitet zu sein. Dass sich in den letzten Wochen noch einiges bewegt hat, gehört dazu und ist deshalb auch völlig normal.
ran: Wahi und Batshuayi sollen die Lücke füllen, die Omar Marmoush hinterlassen hat. Was zeichnet beide aus?
Hardung: Wir haben mit beiden Spielern bewusst unterschiedliche Profile verpflichtet. Elye Wahi ist ein junger Stürmer, der noch Entwicklungspotenzial hat, aber bereits in zwei Vereinen eine starke Torquote nachgewiesen hat. Seine Art, Tore zu erzielen, seine Zielstrebigkeit und Abschlussqualität passen gut zu unserer Spielweise. Natürlich ist die Bundesliga eine größere Herausforderung als die Ligue 1, aber wir wissen, worauf es ankommt, und sind überzeugt, dass er sich schnell anpassen wird. Seine Dynamik und seine Laufwege passen gut zu den Räumen, in die wir unsere Stürmer bringen wollen.
ran: Und Batshuayi?
Hardung: Michy bringt dagegen eine andere Komponente ins Spiel: Er ist physischer, kantiger – eine klassische Nummer 9. Er geht dorthin, wo es wehtut, bindet Gegenspieler und hat in verschiedenen Top-Ligen konstant Tore erzielt. Außerdem kennt er die Herausforderung, sich in einem neuen Land und bei einem neuen Klub schnell zurechtzufinden. Das sollte ihm helfen, sich bei uns rasch einzufinden. Insgesamt ergänzen sich die beiden Neuzugänge mit den Stürmertypen, die wir bereits haben, und machen uns variabler. Wir sind überzeugt, dass sie unsere Offensive weiterbringen werden.
Eintracht Frankfurt: Eine beeindruckende Stürmer-Bilanz
ran: Die jüngere Stürmer-Bilanz ist dabei faszinierend. Irgendeiner schafft immer den Durchbruch. Auffällig ist auch, dass Spieler explodieren, die es woanders nicht geschafft haben. Was zeichnet die Eintracht da aus?
Hardung: Es gibt kein geheimes Erfolgsrezept, das man einfach kopieren könnte. Aber ein entscheidender Punkt ist, dass wir genau analysieren, wo die größten Stärken eines Stürmers liegen und wie sie zu unserer Spielweise passen. Unser Ziel ist es, den jeweiligen Stürmer in die richtigen Positionen zu bringen – in die Räume, in denen er mit seinen individuellen Qualitäten gefährlich werden kann. Das gesamte Team spielt dabei eine Rolle, aber am Ende ist es meist der Stürmer, der die Chancen verwerten sollte. Nehmen wir Batshuayi als Beispiel: Er ist ein physischer Stürmer, der auch mal mit dem Kopf erfolgreich sein kann, der Bälle abschirmt und klatschen lässt, wodurch andere in Abschlussposition kommen. Es geht also immer um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Beispielsweise gesehen bei unserem Treffer gegen Mönchengladbach.
ran: Seit Jahren gehört die Eintracht fast durchgängig zur Bundesliga-Spitzengruppe, spielt international und hat Titel geholt. Was macht der Klub, der begrenzte Möglichkeiten hat, richtig?
Hardung: Wir versuchen, den Kader so zusammenzustellen, dass sich die Stärken der einzelnen Spieler ideal ergänzen – nicht nur im Sturm, sondern auf allen Positionen. Wir wollen dem Trainer unterschiedliche Fähigkeiten zur Verfügung stellen, damit er flexibel auf verschiedene Gegner und Spielsituationen reagieren kann. Dazu kommt ein durchdachtes kurz-, mittel- und langfristiges Kader-Management. Das umfasst die Altersstruktur der Mannschaft, die richtigen Karriere-Schritte der Spieler, gezielte Scouting-Strategien in bestimmten Märkten und eine ausgewogene Vertragsgestaltung. Die Mischung aus Erfahrung, Expertise, potenzieller und nachgewiesener Qualität ist für uns ein Schlüssel, der die Wahrscheinlichkeit steigert, dass wir als Klub erfolgreich sein können.
ran: Klingt einfach – aber wie schafft man es, diesen Standard langfristig zu halten?
Hardung: Es braucht Jahre, um gesund zu wachsen und sich als Klub eine stabile Basis und eine gewisse Stellung zu erarbeiten – aber man kann das innerhalb weniger Monate wieder einreißen und enorm an Stabilität verlieren. Deshalb ist es entscheidend, durchgängig saubere Prozesse und klare Entscheidungsmechanismen zu haben. Ein gesundes Streitklima innerhalb des Managements ist dabei ebenso wichtig wie eine durchdachte Strategie. Wir müssen tagtäglich eine Vielzahl an unvollkommenen Entscheidungen treffen – das ist in unserem Job unvermeidlich. Wir versuchen, die bestmöglichen Informationen zu sammeln, aber es gibt immer Variablen und Zufälle, die wir nicht vorhersehen können. Deswegen ist auch nicht jede Entscheidung richtig. Trotzdem versuchen wir über diese Mechanismen, die wir implementieren, die Chance zu erhöhen, zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen.
Eintracht Frankfurt: Das macht eine gute Verhandlung aus
ran: Frankfurt hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren einen Transferüberschuss von 141 Millionen Euro erzielt – Platz eins in der Bundesliga. Was macht eine gute Verhandlung aus?
Hardung: Verhandlungen sind ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren, von denen nicht alle in unserer Hand liegen. Ein entscheidender Punkt ist die Nachfrage auf der Gegenseite: Wie dringend benötigt ein Klub wie Paris Saint-Germain einen Stürmer? Oder ein Verein wie Manchester City – wäre Omar Marmoush für sie eine interessante Option oder sehen sie ihn als unverzichtbaren Transfer? Diese Faktoren beeinflussen maßgeblich die Verhandlungsposition des Käufers – ob sie sagen: "Wäre ganz cool, ihn zu haben", oder "Er ist der Mann, den wir brauchen, koste es, was es wolle". Das kann den Preis in die Höhe treiben. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Dazu gehört eine strategische Kaderplanung: Wie sind die Vertragskonstellationen unserer Spieler? Wie können wir unsere Gehaltsstruktur ausbalancieren, ohne Spieler überzubezahlen? Wir müssen auch immer überlegen, ob ein Verkauf wirklich notwendig ist oder ob es sinnvoller ist, einen Spieler zu halten – so wie wir es im Sommer mit Marmoush entschieden haben.
ran: Wie schafft man es in dem Zusammenhang, einen Klub "hip" zu machen, damit Spieler sich bewusst für Eintracht Frankfurt entscheiden?
Hardung: Indem wir Rahmenbedingungen schaffen, die uns als Verein besonders machen. Ein entscheidender Faktor ist unser Track Record – also die Erfolgsgeschichten von Spielern, die sich bei uns enorm weiterentwickelt haben. Eintracht Frankfurt hat sich als Klub einen Namen gemacht, der Talente fördert und ihnen durch Vertrauen und tägliche Arbeit den nächsten Karriereschritt ermöglicht. Spieler wie N'Dicka, Kamada, Kolo Muani, Lindström oder Marmoush sind beste Beispiele dafür. Sie alle haben sich bei uns stark weiterentwickelt und sind entweder geblieben oder konnten sich für höhere Aufgaben empfehlen. Wir können unseren Spielern eine attraktive sportliche Perspektive bieten: Die Bundesliga ist ein spannender Wettbewerb mit großartigen Stadien und einer hohen Lebensqualität abseits des Platzes. Unsere Heimspiele sind fast immer ausverkauft, wir spielen regelmäßig international – das sind alles Faktoren, die für Eintracht Frankfurt sprechen.
Bundesliga-Transfergerüchte: Wildert Eintracht Frankfurt für einen neuen Offensiv-Spieler bei der Konkurrenz?
ran: Sie haben die Märkte angesprochen. Welche sind am interessantesten bzw lukrativsten, was Potenzial, Können und auch Charakter angeht?
Hardung: Wir beobachten den globalen Markt. Im Fokus stehen vor allem Märkte, die regelmäßig talentierte Spieler hervorbringen. Frankreich ist dabei ein interessanter Markt, weil dort viele junge Talente früh viel Spielzeit bekommen und eine starke fußballerische Ausbildung genießen. Die Benelux-Länder machen teilweise einen sehr guten Job. Die Spieler passen von der Kultur und Mentalität her gut nach Deutschland. Skandinavien ist ebenfalls ein spannender Markt. Der südamerikanische Markt ist teilweise schon sehr überhitzt und undurchsichtig. Trotzdem versuchen wir auch da die Augen offen zu halten, falls es eine Möglichkeit gibt, die uns sinnvoll erscheint. Darüber hinaus haben wir in Frankfurt immer wieder vielversprechende Talente aus Bosnien, Kroatien oder Serbien verpflichtet, die sich bei uns gut entwickelt haben. In Nordamerika gibt es ebenfalls interessante Spieler, die mit ihrer Athletik und Dynamik zunehmend in den Fokus rücken.
ran: Welche Rolle spielt der hiesige Markt?
Hardung: Trotz der internationalen Orientierung ist es für uns essenziell, den deutschen Markt nicht aus den Augen zu verlieren. Unser Nachwuchsleistungszentrum spielt dabei eine zentrale Rolle. Wir sehen es als unsere Aufgabe, einen Beitrag zur Entwicklung des deutschen Fußballs zu leisten – sowohl durch Talente aus unserer Region als auch durch gezielte Transfers über die Grenzen des Rhein-Main-Gebiets hinaus.
ran: Trotz allem haben die Bayern, Leverkusen und RB andere Möglichkeiten als Klubs wie die Eintracht. Wie will sich die Eintracht in den kommenden Jahren positionieren?
Hardung: Wir wissen genau, wo wir stehen und welche Rahmenbedingungen für uns gelten. Wir haben keinen Mäzen, keine große Firma oder einen Investor, der uns mal eben zwei schlechte Transferperioden ausgleicht. Wir können in einem einzigen Transferfenster nicht annähernd so viel Geld ausgeben wie die ganz großen Klubs, um eine schlechte Hinrunde mal eben auszugleichen – und das ärgert uns auch nicht. Stattdessen freuen wir uns über unsere Stärken, die nicht nur finanzieller, sondern auch emotionaler Natur sind. Wir versuchen, unsere Arbeit bestmöglich zu machen, sportlich und wirtschaftlich gesund zu sein, gesund zu bleiben und ein Stück weit auch gesund zu wachsen. Das sind kleinere Schritte, weil wir versuchen, sie in einem gegebenen Rahmen zu gehen. Das ist vielleicht von außen gar nicht so sichtbar. Manchmal hast du eine glücklichere Saison, manchmal eine unglücklichere. Das gehört zum Fußball dazu. Die Frage ist, wie der langfristige Trend aussieht. Und der sollte positiv sein.
ran: Was muss zusammenkommen, damit der Trend mal so richtig nach oben ausschlägt? Ist ein Angriff auf die Bayern realistisch?
Hardung: Wir sind ein erfolgshungriger und ambitionierter Klub, aber ein Angriff auf die Bayern ist sehr unrealistisch. So etwas würde nur möglich sein, wenn Bayern selbst viele falsche Entscheidungen trifft. Also eher, wenn Bayern sich uns annähert, als dass wir sie einholen. Wir gehen unseren eigenen Weg und wissen genau, wo wir herkommen, das darf man nie vergessen. Es gibt viele mahnende Beispiele von Klubs, die sich übernommen oder überschätzt haben, die zu viel wollten - sei es durch externen Druck oder Entscheidungsträger, die sich in Träumereien verloren haben. Da wollen wir einen anderen Weg gehen und nicht das gleiche Schicksal erleiden.
Eintracht Frankfurt: Die Bayern als Vorbild?
ran: Schauen Sie sich denn bei Ihrer Arbeit bei der Konkurrenz etwas ab? Zum Beispiel beim FC Bayern?
Hardung: Um mir etwas abzuschauen, bin ich zu weit weg. Da müsste ich mit Christoph Freund und Max Eberl in einen deutlich engeren Austausch gehen. Der FC Bayern ist eine Erfolgsgeschichte, die sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, eng verbunden mit Uli Hoeneß, der Pionierarbeit geleistet und so den Klub mittel- und langfristig sehr gut aufgestellt hat. Aber was Bayern damals gemacht hat, ist für uns heute nicht mehr eins zu eins übertragbar. Das ist der Punkt, den man mitnehmen kann: Dass man die Dinge nicht so macht, weil sie im Fußball schon immer so gemacht wurden, sondern versucht, neue innovative Impulse zu setzen, neue Erkenntnisse einzuholen und Entscheidungen vielleicht ein bisschen anders zu treffen, mal andere Wege zu gehen. Ich bin beispielsweise auch in anderen Sportarten unterwegs, in der NBA, NHL oder der NFL. Ich tausche mich mit General Managern aus, um zu sehen, ob sich von ihrer Arbeit etwas für den Fußball ableiten lässt.
ran: Was kann die Eintracht von der NFL oder NBA lernen?
Hardung: Das betrifft vor allem Stadionkonzepte und Marketingstrategien. Ein Verein hat verschiedenste Abteilungen, die alle für sich nach dem Maximum streben und sich entwickeln wollen. Wenn man sich mit General Managern in der NFL oder NBA austauscht, wie sie ihr Team führen, was sie für Prozesse im Scouting haben, im Recruitment, wie sie ihren Trainer suchen – da kann es immer etwas geben, das man sich abschauen kann. Und mit ein bisschen Kreativität kommt man dann auf neue Ideen. Das versuche ich bei meiner Arbeit einfließen zu lassen.
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ran: Verhandlungsgeschick, Stressresistenz, ein glückliches Händchen – was braucht ein Sportdirektor am meisten?
Hardung: Es gibt nicht das eine perfekte Profil. So wie Spieler unterschiedliche Stärken haben, gibt es auch verschiedene Sportdirektoren-Typen. Ich habe für mich versucht, mich so breit wie möglich aufzustellen, mich stetig weiterzuentwickeln und eine gute Feedback-Kultur zu pflegen. Kritik zuzulassen, aus Erfahrungen zu lernen – das gehört dazu. Ein wirtschaftliches Grundverständnis ist enorm wichtig, gerade wenn man einen Klub langfristig wettbewerbsfähig halten will. Ein Sportdirektor darf nicht nur kurzfristig auf den Kader und den aktuellen Erfolg schauen, sondern muss auch mittel- und langfristige Strategien entwickeln – sei es in der Infrastruktur, der Nachwuchsarbeit oder der Kaderplanung. Gleichzeitig ist Führungskompetenz gefragt. Wir arbeiten mit vielen Experten, die ihren Freiraum brauchen, aber trotzdem Leitlinien benötigen. Ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter wachsen und sich entwickeln, ist essenziell. Und was vor allem hilft, ist die Erfahrung in diesen Bereichen.
ran: Bringt Sie in einer Transferperiode etwas aus der Ruhe?
Hardung: Natürlich gibt es stressige Situationen, gerade bei Eintracht Frankfurt haben wir schon einige sehr intensive Transferphasen erlebt. Aber am Ende geht es darum, trotz aller Hektik den Überblick zu behalten und Ruhe zu bewahren. Und man sollte nie das Wesentliche aus den Augen verlieren: Was ist das Ziel? Was ist die beste Entscheidung für Eintracht Frankfurt? Montagabend, Deadline-Day – das war natürlich nervenaufreibend, der Druck war enorm. Aber genau dafür sind wir hier: um in diesen Momenten die Ruhe zu bewahren und die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Wie kaputt ist das Fußball-Geschäft?
ran: War denn der Abgang von Randal Kolo Muani ihr "schlimmster" Transfer bislang?
Hardung: Ob es der schlimmste Transfer war, weiß ich nicht. Aber das Verhalten des Spielers gehörte sicherlich nicht zu den Sahnestücken des Profifußballs. Der eigentliche Transfer zu Paris verlief am Ende jedoch sehr professionell. Wir standen unter enormem Zeitdruck, es ging um eine hohe Summe Geld, und als Paris schließlich auf uns zukam, um den Deal doch noch umzusetzen, wurde es eine rein geschäftliche Entscheidung. Ab diesem Moment war der Prozess sehr strukturiert und professionell. Der Spieler selbst hatte damit dann nichts mehr zu tun.
ran: Man sagt oft, der Fußball sei kaputt – was die Summen und das Geschäft drumherum angeht. Sie sind mittendrin - wie sehen Sie das? Ist das alles Wahnsinn oder ist das eben das Geschäft?
Hardung: Beides ein Stück weit. Natürlich wirken diese Summen surreal. Aber wenn man die wirtschaftliche Seite betrachtet – die TV-Gelder, Sponsorenverträge, Merchandising, Ticketing – dann ist es das Geld, das im Fußball generiert wird. Und wenn so viel Geld in den Fußball fließt, dann steigen zwangsläufig auch die Preise für Spieler. Dann sind das die Preise und dann ist es - wie Sie es sagen - eben das Geschäft.