Bundesliga
FC Bayern im Tief - Thomas Helmer schreibt Titel für Münchner ab: "Müde und überspielt"
- Aktualisiert: 20.02.2025
- 15:22 Uhr
- Andreas Reiners
Der FC Bayern läuft seiner Form hinterher. Ex-Kapitän Thomas Helmer will nicht nur schwarzmalen, hält aber auch einen Champions-League-Heimsieg für unrealistisch.
Das Interview führte Andreas Reiners
Es war bereits im Vorfeld klar, dass der Februar beschwerlich für den FC Bayern, aber auch wegweisend würde.
Inzwischen ist auch klar, dass sich die Münchner in einem Tief befindet. Es ist keine Ergebniskrise, denn die Mannschaft hält in der Bundesliga Titelverteidiger Bayer Leverkusen auf einem beruhigenden Acht-Punkte-Abstand.
Und in der Champions League steht der FCB im Achtelfinale.
Doch die Art und Weise, wie die Bayern sich durch die englischen Wochen quälen, sorgt für Diskussionen.
Ist der FC Bayern so überhaupt reif für den "Titel dahoam?" Ist der nur ein unrealistischer Traum? Und wie geht es weiter?
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Der Ex-Nationalspieler und langjährige Bayern-Kapitän Thomas Helmer sieht im ran-Interview zwar noch keine Krise, aber einen gefährlichen Trott. Und er hält den Traum vom Champions-League-Triumph in der Allianz Arena für nicht für realistisch.
Das Wichtigste in Kürze
FC Bayern: Was ist mit den Münchnern los?
ran: Thomas Helmer, die letzten Wochen waren für die Bayern durchaus beschwerlich, das Weiterkommen gegen Celtic Glasgow holprig. Was ist mit den Münchnern los?
Thomas Helmer: Leverkusen war überragend, das muss man klar sagen. Es war aber befremdlich, dass die Bayern keine Torchancen kreiert haben, dass die Offensive nicht funktioniert hat. Aber sie haben immerhin dagegengehalten. Gegen Celtic war ein bisschen Glück dabei. Die Bayern sind in der Liga acht Punkte vorne, dazu im Achtelfinale. Ergebnistechnisch gibt es da nichts zu meckern. Dass man nicht jedes Spiel super spielen kann, ist ganz normal. Keine Frage: In der Champions League spielen sie insgesamt eine nicht so gute Saison. Wobei man gesehen hat, dass Feyenoord auch weiterkommt. Aston Villa hat sich direkt qualifiziert. Sie haben also auch ganz gute Gegner erwischt. Aber ja: Sie müssen deutlich besser spielen und sich steigern.
ran: Wo und warum hat die Mannschaft den spielerischen Faden verloren? Sorgte das 0:3 bei Feyenoord für einen Knick?
Helmer: Ein richtiger Knick war das nicht. Sie wirken müde, ein bisschen überspielt. Leverkusen hatte das Tief relativ früh in der Saison, deshalb sind die Bayern auch so weit weg. Jetzt stecken die Bayern in einem kleinen Tief. Hinzu kommt vor allem defensiv das Problem, dass Dayot Upamecano und Minjae Kim quasi jedes Spiel machen. Das ist schon nicht ohne. Vincent Kompany wechselt ungerne in der Abwehr. Das erschwert das Ganze ein bisschen. Es fehlten aber auch lange die Alternativen.
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ran: Ist das eine normale Schwächephase? Oder sehen Sie bereits Anflüge einer Krise?
Helmer: Nein, ich sehe noch keine Krise. Es ist ein deutlicher Warnschuss für die Bayern, dass man wieder mehr machen, wieder mehr intensivieren, an bestimmten Dingen mehr arbeiten muss. An der Offensive, um auch die Defensive mehr zu entlasten. Wenn man also die richtigen Schlüsse zieht, das dann auch umsetzt und wieder zu besserer Form findet, dann war es gut, dass es so gelaufen ist. Man darf aber bloß nicht in dem Trott weitermachen. Es ist sehr gefährlich, wenn man erstmal in diesem Trott drin ist. Da müssen sie sich wieder herausspielen und herauskämpfen.
ran: Wie macht man das am besten?
Helmer: Sie haben es bisher immer geschafft, die Gegner viel stärker unter Druck zu setzen. Das war vor allem in den beiden letzten Spielen nicht zu sehen. Das müssen sie wieder ändern. Eigentlich sind die Bayern generell gut aufgestellt. Und die Jungs sind alle so erfahren und so gut - das werden sie schon schaffen.
ran: Inwieweit ist jetzt auch Kompany gefordert? Wo muss er vor allem ansetzen?
Helmer: Das Gute ist, dass er selbst gespielt hat. Er kennt die Situation in- und auswendig. Er kann sich in die Spieler hineinversetzen. Er weiß genau, was sie jetzt brauchen. Ich würde an seiner Stelle vor allem schauen, dass die Jungs sich ausruhen können. Groß etwas beibringen muss ich denen als Trainer in dieser Situation nichts mehr. Da geht es vor allem darum, ausgeruht zu sein, wenn mit Eintracht Frankfurt am Sonntag wieder ein schwerer Gegner wartet.
FC Bayern nur noch europäisches Mittelmaß?
ran: Wie bedenklich ist es bei den jüngsten Auftritten, dass es offensiv eher überschaubar war, was die Kreativität angeht?
Helmer: Das ist definitiv ungewohnt. Die Null bei Bayern vorne ist mehr als ungewöhnlich, gegen Celtic waren es ja auch fast 94 Minuten, da kam oft der letzte Pass nicht an. Die Schotten waren aber auch überraschend gut. Aber das ist natürlich auch keine Mannschaft, die die Champions League gewinnt.
ran: Ist der FC Bayern europäisch also nur noch Mittelmaß?
Helmer: Nein, das ist zu hart. Man sieht, wie schwierig und kompliziert die Champions League in dieser Saison ist. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Atalanta gegen Brügge rausfliegt, immerhin haben sie letztes Jahr die Europa League gewonnen. Milan ist auch raus, Juve ebenso - die Serie A blutet ganz schön. Und es wird sicherlich noch die eine oder andere Überraschung geben. Aber die Bayern sind im Moment nicht in der Form, um die Champions League zu gewinnen.
ran: Wie realistisch ist dieser ausgerufene "Titel Dahoam", der Traum vom Triumph im eigenen Stadion, denn überhaupt noch?
Helmer: Das Ziel muss man so formulieren, diesen Traum müssen sie haben. Aber aktuell ist es nicht realistisch. Letztes Jahr wäre es einfacher gewesen. Klubs wie der FC Liverpool oder Real Madrid sind einfach verdammt stark.
ran: Im Achtelfinale warten jetzt Bayer Leverkusen oder Atletico Madrid. Wie sehen Sie die beiden Konstellationen?
Helmer: Das sind beide ganz unangenehme Gegner. Gegen Leverkusen wäre es ein völlig offenes Spiel. Aber ich glaube, dass Leverkusen den Bayern nicht besonders liegt, das hat man in den letzten Duellen deutlich gesehen. Aber Atletico ist unter Trainer Diego Simeone auch sehr, sehr eklig zu spielen, dazu sind sie national ganz vorne dabei. Ich denke trotzdem, dass es für die Bayern besser wäre, wenn sie gegen Atletico spielen.
Thomas Helmer: Weiterkommen kann die Mannschaft tragen
ran: Was ist in der Champions League Ihrer Meinung nach realistisch für die Bayern?
Helmer: Die Gegner werden nach dem Achtelfinale, wenn sie das überstehen, nicht einfacher. Es ist aber ganz schwer vorherzusagen, weil sie sich aus dem Formtief wieder herauskämpfen können, und dann wäre es eine andere Ausgangsposition. Ich sage nur: Wer es am Ende schafft, hat es verdient.
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ran: Leon Goretzka meinte nach dem Spiel gegen Celtic, das seien Momente, die eine Mannschaft durch so eine Saison tragen können. Redet man sich das damit ein bisschen schön oder stimmt das tatsächlich?
Helmer: Das stimmt tatsächlich. Die Spieler merken ja auch, dass das ein schwieriges Spiel ist. Dass man in der Situation, in der man sich befindet, nicht ganz frisch ist. Und alle erwarten, dass man locker weiterkommt. Doch dann wird es plötzlich schwierig. Und wenn man das erfolgreich übersteht und weiterkommt, dann trägt das eine Mannschaft für den Rest der Saison.
ran: Kann so eine Formdelle in der Bundesliga trotzdem noch gefährlich werden?
Helmer: Da müsste auch Leverkusen alles gewinnen. Das alleine wird schon sehr schwer. Es sind zwar noch zwölf Spiele, es sind noch 36 Punkte. Aber das kann ich mir bei der Klasse der Mannschaft wirklich nicht vorstellen.