Topspiel der Bundesliga
FC Bayern München: Darum steht Thomas Tuchel vor Leverkusen-Spiel unter Druck
- Aktualisiert: 10.02.2024
- 17:40 Uhr
- Martin Volkmar
Nach mehr als zehn Monaten im Amt wird die Kritik an der Arbeit von Thomas Tuchel und seinem manchmal gereizten Auftreten lauter. Allerdings haben Mannschaft und Führungsebene bei Bayern einen gehörigen Anteil an der anhaltenden Unruhe. Eine Analyse.
Von Martin Volkmar
Es ist gut zehneinhalb Monate her, als Bayern München zuletzt bei Bayer Leverkusen antrat.
Wie diesmal auch hatten die Münchner eine ruhige Trainingswoche hinter sich, während die Rheinländer noch ein anstrengendes Spiel in den Knochen hatten – damals die Europa League, diesmal das DFB-Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart (3:2).
Beim Werksklub hätte man nichts dagegen, wenn sich die Geschichte wiederholen würde.
Denn vergangene Saison gewannen die Gastgeber überraschend 2:1 gegen die Münchner, die wenige Tage später bekanntlich Julian Nagelsmann rausschmissen.
Doch unter dem beinahe zeitgleich ernannten Nachfolger Thomas Tuchel ist es beim erfolgsverwöhnten Rekordmeister nur bedingt besser geworden, worauf viele Experten vor dem Spitzenspiel am Samstagabend in der BayArena (ab 18:30 Uhr im Liveticker) hinweisen.
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Matthäus: "Bayern hat viel Luft nach oben"
"Die Ergebnisse sind gut, aber es mangelt an der Attraktivität des Fußballs, die man von dieser stark besetzten Bayern-Mannschaft erwarten kann, auch trotz der zahlreichen Verletzungsausfälle", sagte etwa Lothar Matthäus der „Bild".
Der Serienmeister habe da "noch viel Luft nach oben", ergänzte der Rekordnationalspieler: "Ich bin der Ansicht, dass sich Bayern unter Tuchel fußballerisch nicht so weiterentwickelt hat, wie es sich viele Fans erwartet haben, unter anderem auch ich."
Dabei kann sich die Münchner Ausbeute von 50 Punkten durchaus sehen lassen, mit einem Sieg in Leverkusen kann der zwei Zähler bessere Tabellenführer abgelöst werden. Doch spielerisch sehen viele Kritiker – auch unter den Fans - keine Weiterentwicklung, gerade bei den mühsamen Vorstellungen in diesem Jahr.
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Tuchel: Immer wieder Zoff mit Experten
Entsprechend dünnhäutig reagierte Tuchel schon mehrfach in Richtung der Experten, allen voran Matthäus und Dietmar Hamann. Etwa nach dem 4:0 im Herbst in Dortmund und auch nach dem 3:1-Arbeitssieg gegen Mönchengladbach am vergangenen Spieltag.
Für Beobachter ein sichtbares Zeichen, dass Tuchel unter Druck steht – wegen des Leverkusener Höhenflugs unter dem in München nach wie vor verehrten Xabi Alonso, dem wenig begeisternden Fußball, der anhaltend hohen Fehlerquote und der permanenten öffentlichen Kritik an seiner Arbeit und seinem – manchmal vielleicht zu ehrlichen – Auftreten.
Hinzu kommen die regelmäßigen Durchstechereien aus Verein und Kabine, die den selbst ernannten "Kontrollfreak" massiv nerven.
Tuchel: Auch bei Niederlage in Leverkusen kein Rauswurf
Klar ist, dass der Wind bei einer Niederlage in Leverkusen und dann bereits fünf Punkten Rückstand deutlich rauer werden würde. Gleichwohl spricht aktuell sehr wenig für ein ähnliches Szenario wie im März beim Nagelsmann-Rauswurf.
Denn eigentlich wollen die Bayern-Bosse mit Tuchel weitermachen, der bereits der siebte Chefcoach an der Säbener Straße seit Pep Guardiolas Abschied 2016 ist. Allerdings gilt es auch als sicher, dass er dazu mindestens einen von noch zwei möglichen Titeln holen muss, ansonsten dürfte die Zusammenarbeit spätestens im Sommer trotz Vertrags bis 2025 enden.
Gleichwohl findet man Insider, die Tuchel trotz der angesprochenen Defizite nach wie vor für den richtigen Mann halten. Vor allem, weil er nach ihrer Meinung nur bedingt etwas für die Probleme kann.
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Hauptprobleme: Mannschaft, Kaderplanung, Unruhe
Die Hauptverantwortung sehen sie vielmehr bei der Mannschaft, die ihr vermeintliches Potenzial seit Monaten nicht auf den Platz bringen kann, sowie der über Jahre verfehlten Kaderplanung bei Bayern und der anhaltenden Unruhe in der Führungsebene.
Gerade die ersten beiden Punkte hängen miteinander zusammen. 2019 zahlte der damalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic 80 Millionen Euro für Neuzugang Lucas Hernandez und stattete ihn offenbar mit dem zweithöchsten Vertrag hinter Robert Lewandowski aus, womit er rund fünfmal so viel verdient haben soll wie zuvor bei Atletico Madrid.
Da dies aufgrund verschiedener Leaks bekannt wurde, sollen danach fast alle Leistungsträger bzw. ihre Berater eine Erhöhung in den Gehaltsbereich von rund 20 Millionen Euro pro Jahr gefordert haben – und in den meisten Fällen stimmten Salihamidzic und Co. zu, um nicht noch mehr Spieler ablösefrei zu verlieren wie etwa David Alaba, Niklas Süle oder den einstigen Rekord-Zugang Corentin Tolisso.
Nach dieser Logik ist die Konsequenz daraus in der vergangenen und dieser Saison zu sehen: Zu viele hoch bezahlte Profis, eigentlich als Unterschiedsspieler verpflichtet, zeigen seit Monaten extrem schwankende Leistungen oder tauchen ab.
Bei einigen Profis stimmt Preis-Leistungsverhältnis nicht
Offenbar ist man auch in der Führungsebene mittlerweile der Ansicht, dass bei einigen das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr stimmt. Weshalb Tuchels Überlegungen, sich von Stammkräften zu trennen, nach der Saison konkreter werden dürften – wenn der Trainer dann noch das Sagen hat.
Denn im Klub herrscht laut übereinstimmenden Informationen offenbar schon seit längerem eine angespannte Stimmung, auch in der Führung.
Seit der Trennung von Salihamidzic und Oliver Kahn versucht Ehrenpräsident Uli Hoeneß, der nach wie vor die Fäden im Hintergrund in der Hand hält, demnach sein Erbe neu zu regeln – unter anderem mit der in Kürze erwarteten Installierung seines Vertrauten Max Eberl als Sportvorstand.
Nicht nur die "Süddeutsche Zeitung" warf daher die Frage auf, warum Eberl erst nach dieser Winter-Transferperiode kommt, nachdem Sportdirektor Christoph Freund erst unmittelbar nach der vergangenen Sommer-Transferperiode eingestellt wurde – obwohl beide eigentlich federführend bei der Personalplanung sein müssen.
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Wenig überzeugende Performance des Transferausschusses
Stattdessen legte damals der achtköpfige Transferausschuss abgesehen vom Rekordwechsel von Harry Kane eher keine gute Performance hin, so dass Tuchel am Ende mehrere Defensivspieler fehlten und das Team in der Hinrunde aufgrund von Verletzungen mehrmals mit dem "letzten Aufgebot" antreten musste.
Manche Kenner bezweifeln sogar, ob Tuchel überhaupt zu Bayern gekommen wäre, wenn er all dies vorher gewusst hätte. Daher müsse man dem Trainer seine immer wieder auftretende Gereiztheit ein Stück weit nachsehen – auch wenn ihm selbst bewusst sei, dass am ehesten mit überzeugenden Erfolgen wieder Ruhe einkehren wird.
Am besten schon in Leverkusen.