Champions League
FC Bayern München: Das ist Tuchels größte Baustelle
- Aktualisiert: 10.04.2023
- 15:25 Uhr
- ran.de / Caroline Blüchel
Auch wenn sich der FC Bayern in der Bundesliga beim SC Freiburg für das Pokal-Aus revanchieren konnte, bereitet vor dem Viertelfinale der Champions League gegen Manchester City ein Blick auf die Chancenverwertung große Sorgen. Thomas Tuchel übt sich noch in Zweckoptimismus.
Von Carolin Blüchel
Wenn ein Innenverteidiger den Sieg einfährt, wirft das in der Regel kein gutes Licht auf die Offensivabteilung einer Mannschaft. Schon beim Pokal-Aus gegen den SC Freiburg hatte mit Dayot Upamecano ein Abwehrspieler für den einzigen Treffer der Bayern gesorgt.
Bei der Revanche in der Bundesliga wenige Tage später war es Matthijs de Ligt, der dem FCB per Sonntagsschuss den hochverdienten Dreier bescherte.
Allein die Nachspielzeit verdeutlichte die aktuell größte Baustelle des Rekordmeisters: die vermaledeite Chancenverwertung. Serge Gnabry (92.), Ryan Gravenberch (93.) und nochmal Pfosten Gnabry (94.) – im Minutentakt verzweifelten die Münchner an sich selbst und SC-Keeper Mark Flekken.
In Abwesenheit von Eric Maxim Choupo-Moting (Knieverletzung) vergaben schon in der regulären Spielzeit Gnabry, Sadio Mane und Leroy Sane größte Möglichkeiten kläglich.
Tuchel mit Durchhalteparolen
"Das Gute ist: Es waren die richtigen Leute in den richtigen Positionen. Die Effizienz wird zurückkommen", referierte Trainer Thomas Tuchel nach Abpfiff. Es klang ein wenig nach Durchhalteparole und Schönrederei.
Denn die mangelnde Effektivität hatte schon Vorgänger Julian Nagelsmann Kopfzerbrechen bereitet.
Gut, gegen den BVB bejubelten die Bayern gleich vier Tore – allerdings mit tatkräftiger Unterstützung von Dortmund-Keeper Gregor Kobel und einem kollektiven BVB-Zusammenbruch nach dem ersten groben Torwart-Schnitzer.
Immer wenn es knapp wird, flattern bei den Bayern in dieser Rückrunde die Nerven. Sieht bis zum Strafraum noch alles leicht und spielerisch aus, gelingt der letzte Pass bzw. der Abschluss zu selten. Oder - wie in den letzten beiden Partien – gar nicht.
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Tuchel zufrieden mit der Einstellung seiner Spieler
"Ich finde es schon gut, dass wir nicht negativ wurden und gehadert haben", sagte Tuchel angesichts der vielen vergebenen Möglichkeiten. "Damit bin ich sehr zufrieden."
Warum der neue Coach so kleine Brötchen backt? Die Antwort gibt eine Szene aus dem Topspiel gegen Dortmund vor einer Woche. Als Sane eine gute Chance vergab und darauf mit Enttäuschung reagierte, rief Tuchel ihm zu: "Kopf hoch, Kopf hoch!"
Eine auf den ersten Blick womöglich unbedeutende Situation, die ran-Reporter Stefan Kumberger hautnah miterlebte, die auf den zweiten Blick aber immens wichtig ist.
FC Bayern und seine sensiblen Zauberkünstler
Denn Bayern hat zwar fußballerisch absolute Weltklassespieler in den eigenen Reihen. Mit Mane, Sane oder Gnabry aber auch einige sensible Ballkünstler, die sich von Misserfolgen oft zu leicht beeindrucken und frustrieren lassen. Von Gnabry und Sane ist das hinlänglich bekannt, jetzt kommt auch noch Weltstar Mane dazu.
Eine Stehaufmännchen-Mentalität, wie sie beispielsweise Thomas Müller seit über einem Jahrzehnt vorlebt, ist aber aktuell die einzige Chance, Torerfolge zu erzwingen, wenn es mit spielerischem Vermögen allein nicht klappt. Dessen ist sich auch Tuchel bewusst.
Tuchel nimmt Mannschaft in die Pflicht
"Wenn die Leichtigkeit fehlt und damit das Vertrauen, ist Fleißigsein gefragt. Dann musst du den Kopf nach unten nehmen und ackern und durchkämpfen", so der 49-Jährige bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass unsere Stürmer treffen, weil es nichts gibt, das besser hilft."
Wünschen, Hoffen, Bangen - mehr bleibt Tuchel derzeit nicht.
Mit Gnabry in der Spitze und Sane und Mane auf den Außenbahnen war Tuchel gegen Freiburg zwar im Großen und Ganzen zufrieden. Aber: "Es reicht nicht, alles taktisch und technisch zu lösen, sondern du brauchst auch das gewisse Etwas."
Hoffen auf Rückkehr von Choupo-Moting und Coman
Besonders am Dienstag im Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester City (ab 21 Uhr im Liveticker). Die Skyblues schossen den FC Southampton am Wochenende mit 4:1 ab.
Erling Haaland erzielte dabei sein 29. Und 30. Saisontor in der Premier League, Fallrückzieher-Treffer inklusive. Während der Norweger vor Selbstvertrauen nur so strotzt, sind die Bayern-Offensiven verunsichert.
Tuchel hofft, dass die angeschlagenen Kingsley Coman (Trainingspause am Sonntag) und Choupo-Moting doch rechtzeitig zurückkommen, "weil wir wirklich jedes Korn brauchen". Zweimal gegen City sei das höchste Level. "Schwerer geht es nicht", so der Coach, der aber auch einräumte, dass es zumindest beim Kameruner knapp werde.
Wie sehr fehlt Lewandowski?
Im Hintergrund braut sich derweil weiter Unruhe zusammen. Die ersten Fans diskutieren lautstark, ob in der entscheidenden Saisonphase nicht doch Robert Lewandowski schmerzlich vermisst werde.
Wird Tuchel Nagelsmanns Altlast zum Verhängnis? Der 35-Jährige war dem Vernehmen nach ein triftiger Grund, weshalb der Pole seine Zelte in München so unbedingt und so schnell abbrechen wollte. Das Training und die taktischen Ideen waren dem Stürmerstar zu kompliziert.
Obendrein war Nagelsmann nach ran-Informationen keiner, der wirklich um einen Lewandowski-Verbleib kämpfen wollte. Beim damaligen Trainer herrschte die Meinung vor, dass der Pole eben gehe müsse, wenn er es unbedingt wolle. Nagelsmann hatte spätestens im Sommer 2022 schlichtweg keine Lust mehr auf ewige Diskussionen und einen womöglich unzufriedenen Goalgetter.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: "Lewy" bekam seinen Willen und wechselte zum FC Barcelona.
So lange Choupo-Moting traf, fiel das nicht ins Gewicht. Jetzt aber, in Zeiten der bayerischen Ladehemmung, poppt der Lewandowski-Abschied plötzlich doch nochmal auf.
Übrigens: Auch für den Stürmer läuft es beim FC Barcelona nach starker Hinrunde in der Rückrunde überhaupt nicht mehr rund, sodass die hochverschuldeten Katalanen schon wieder über einen Verkauf nachdenken. Ist womöglich sogar eine Rückkehr nach München denkbar?
Tuchel als Psychologe gefragt
Zukunftsmusik, die für Tuchel momentan keine Rolle spielt. Viel mehr ist der Trainer jetzt als Psychologe gefragt.
Denn die Hoffnung allein, dass die Effizienz von selbst zurückkehrt, dürfte zu wenig sein.