Trainer im Dilemma
FC Bayern München - Thomas Müller spielt(e) immer: Lobt Tuchel die Bayern-Ikone weg?
- Aktualisiert: 06.07.2023
- 05:26 Uhr
- ran.de/Marie Schulte-Bockum
Thomas Tuchel lobt Thomas Müller auf Bayerns Pressekonferenz stolze sechs Minuten lang in den Himmel. Für einen Startelf-Einsatz gegen Manchester City reicht es aber nicht. Lobt der neue Trainer die Vereinsikone aus München weg?
27 Minuten lang dauert Bayerns Pressekonferenz vor dem Mainz-Spiel. Ganze sechs Minuten - also 22% der Gesamtzeit - spricht Thomas Tuchel dabei nur über ein Thema. Besser gesagt, Tuchel spricht nur über eine Person.
Es geht dabei im Presseraum an der Säbener Straße nicht etwa um Oliver Kahn oder Dayot Upamecano. Tuchel spricht sechs Minuten lang über Thomas Müller, den er in den Champions-League-Spielen gegen Manchester City erst spät einwechselte.
"Ich bin selber großer Thomas-Müller-Fan. Diese Undefinierbarkeit in Weltklasse-Ausprägung ist ganz besonders", so Tuchel über die FCB-Ikone.
Lobt Thomas Tuchel gar Thomas Müller aus München weg?
Tuchel weiter: "Ich bin erstmal der, der am härtesten darunter leidet. Seine Reaktion war überragend, weil Thomas am Ende Sportler ist."
Ein Schelm, der sich dabei Böses denkt. Ein Schelm, der sich bei Tuchels Müller-Lob an Pep Guardiolas "super, super, super" Bayern-Ersatzspieler und seinen Wunsch nach "Tausend Dantes" erinnert fühlt.
Lobt Tuchel gar Müller aus München weg? Das glaubt jedenfalls Didi Hamann. In seiner "Sky"-Kolumne kritisiert der Ex-Nationalspieler Tuchel dafür, Müller in beiden Champions-League-Spielen gegen Manchester City nur von der Bank gebracht zu haben.
"Dass Tuchel ihn erst nach Mane eingewechselt hat, war für mich ein Schlag ins Gesicht von Thomas Müller. Ein Spieler, der eine Woche zuvor einem anderen ins Gesicht geboxt hat, kommt vor dem Gesicht des FC Bayern ins Spiel," schreibt Hamann.
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Didi Hamann: "Thomas Müller nächste Saison kein Bayern-Spieler mehr"
Ein nettes Ohrfeigen-Wortspiel von Hamann. Aber der TV-Experte lässt nicht nach, geht in seiner Kolumne noch einen Schritt weiter. Hamann: "Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Unter Tuchel wird Thomas Müller nächste Saison kein Bayern-Spieler mehr sein." Rumms.
Wenig überraschend sieht Tuchel das Dilemma ganz anders. Jedenfalls wettert er in der Pressekonferenz gegen "Experten, die ihr bestimmt auch schreiben lassen könnt, dass Müller jetzt Sechser oder Neuner machen soll". Eine Hamann-Schelte? Oder einfach nur Müller-Schutz?
Dem Journalisten, der sich im breiten bayerischen Dialekt nach Müllers Wohlbefinden und Einsatzchancen erkundigt, versichert Tuchel jedenfalls, einzig und alleine der Gegner sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass Müller gegen ManCity zunächst auf der Bank saß.
Tuchel weiter: "Im Kern würde ich heute sagen, bei uns beiden ist alles gut." Ob Müller das auch so empfindet?
Schließlich wurde vor nicht allzu langer Zeit in München mit Niko Kovac ein Baum gefällt, weil Müller unter diesem nicht gedeihen und wachsen konnte.
"Müller spielt immer" unter Van Gaal und Guardiola, Kovac scheitert
Andere ehemalige Bayern-Trainer navigierten das Müller-Dilemma schlauer als Kovac. Unvergessen bleibt Louis van Gaals "Müller spielt immer"-Versprechen, welches der Niederländer seinem damals 19-jährigen Schützling in aller Öffentlichkeit gab. Auch Guardiola setzte Müller fast immer in der Startelf ein.
Dabei hatte Guardiola auf Müllers bevorzugten Rasenregionen die Qual der Wahl. Im zentralen Mittelfeld standen Bastian Schweinsteiger, Thiago, Xabi Alonso oder Javi Martinez parat, im offensiven Mittelfeld Xherdan Shaqiri und Mario Götze, im Sturm waren eigentlich das Robbery-Flügel-Gespann und Robert Lewandowski gesetzt.
Doch irgendwo dazwischen, in bester Messi-bei-Barca-Manier, fand Pep so gut wie immer ein Startelf-Plätzchen für seinen Müller.
Im Bundesliga-Titelkampf wird sich Müllers wahre Rolle noch zeigen
Tuchels Wortwahl bei der Pressekonferenz war in vielerlei Hinsicht sehr weise. Bayerns Trainer streichelt in aller Öffentlichkeit das Ego des Publikumslieblings. Er versichert der Sportpresse, "nur" gegen ManCity hätte Müller nicht in die Elf gepasst; gegen die anderen sechs Viertelfinalisten hätte er gestartet. Damit hat Tuchel erst einmal Ruhe.
Ob die Tuchel-Rhetorik bloß Kommunikationsstrategie ist, oder der Wahrheit entspricht, werden die nächsten Wochen zeigen. Ein Gegner des Kalibers Manchester City wartet zwar nicht mehr auf die Bayern.
Sechs titelentscheidende Spiele werden es trotzdem. Mal schauen, wie oft Tuchel Müller in diesen Wochen in die Startelf beordert.