Bundesliga
FC Bayern vorm Topspiel: Qual der Wahl! Wem vertraut Thomas Tuchel in der Innenverteidigung?
- Aktualisiert: 08.02.2024
- 09:57 Uhr
- Justin Kraft
Thomas Tuchel hat im Spitzenspiel der Bundesliga gegen Bayer 04 Leverkusen die Qual der Wahl: Alle vier Innenverteidiger des FC Bayern München sind wohl einsatzbereit. Auf welche Konstellation setzt er nun?
Gerade haben sich Eric Dier und Matthijs de Ligt aufeinander eingespielt, da kehren Dayot Upamecano und Min-jae Kim schon wieder zurück. Thomas Tuchel hat am Wochenende die Qual der Wahl.
Doch für wen wird sich der erfahrene Übungsleiter entscheiden? In jedem Fall ist die Situation für den 50-Jährigen ein Segen. Musste er in der aktuellen Spielzeit oft genug improvisieren, so kann er nun zwischen unterschiedlichen Spielern mit ganz verschiedenen Qualitäten abwägen und entscheiden.
ran wirft einen Blick auf einige der wahrscheinlichsten Optionen und analysiert, welche Spieler womöglich die besten Karten haben.
FC Bayern: Mit Eric Dier in das Topspiel?
Dass Eric Dier und Matthijs de Ligt noch nicht optimal zusammen funktionieren, ist logisch und normal. Interessanterweise lag das aber kaum am Neuzugang. Der Engländer wusste mit all seiner Erfahrung und Abgeklärtheit zu überzeugen. Stellungsspiel, Zweikampfführung, aber auch das Spiel mit dem Ball hinterließen Eindruck.
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Dier spielte in seinen bisher 225 Bundesliga-Minuten laut dem Datenanbieter "FBref" 2,8 Seitenverlagerungen pro 90 Minuten. Angesichts der insgesamt sehr kleinen Stichprobe sollte das nicht überbewertet werden, doch die Statistik sticht im Vergleich zu den 0,63 von Upaemecano, den 0,62 von Kim und vor allem zu den 0,12 von de Ligt heraus.
Warum das so wichtig ist? Weil den Bayern genau diese Qualität in den Spielen ohne Dier häufig fehlte. Das Spiel wurde häufig zu kleinteilig verlagert, weshalb Gegner sich immer wieder darauf einstellen konnten. Eine schnelle Diagonalverlagerung kann die schnellen Angriffsspieler in vielversprechende Angriffssituationen bringen.
Gleichwohl ist Dier kein vertikaler Aufbauspieler. 2,8 progressive Pässe pro 90 Minuten sind deutlich schwächer als der Wert von de Ligt (5,8), Kim (6,1) und Upamecano (7). Aber genau diese Ruhe und gleichzeitig das Auge dafür, in der richtigen Situation das Spiel schnell zu machen, tat den Bayern gut.
Gegen Leverkusen aber wird man wohl einen anderen Spielverlauf erwarten müssen als zuletzt. Das Pokalspiel der Werkself gegen Stuttgart gab einen ersten Eindruck. Das Tempo wird sehr hoch sein. Womöglich zu hoch für einen Spieler wie Dier?
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Matthijs de Ligt: Chance beim FCB genutzt?
De Ligt hatte in diesem Winter die große Chance, sich wieder festzuspielen und seinen Stammplatz zurückzuerobern, den er in der vergangenen Saison noch hatte. Doch so richtig überzeugend war der Niederländer nicht. Wenngleich er sich vor allem im letzten Spiel gegen Borussia Mönchengladbach verbessert und stabilisiert zeigte, so war er zuvor für den einen oder anderen Gegentreffer mitverantwortlich.
Gerade sein Stellungsspiel war hier und da ein Problem, hin und wieder sorgte er dafür, dass die Abseitsfalle nicht funktionierte. Doch es gibt auch Aspekte, die für ihn sprechen. Rein statistisch gesehen, ist er der beste Zweikämpfer des FCB – wobei die Stichprobe ähnlich wie bei Dier sehr gering ist. Neun von elf Zweikämpfen am Boden konnte er für sich entscheiden. Bei den geblockten Schüssen ist er mit 1,11 pro 90 Minuten auf dem zweiten Rang hinter Kim (1,3).
De Ligt hat in seiner ersten Saison als Stammspieler unter Beweis stellen können, dass er ein herausragender Zweikämpfer ist. Eine Qualität, die es gegen Bayer Leverkusen brauchen könnte. Dass er gegen Gladbach selbst ein Tor erzielen konnte, dürfte ihm geholfen haben. Zuletzt baute er spürbar Selbstvertrauen auf.
Ihn jetzt - angesichts des erst frisch genesenen Upamecano und des kürzlich vom Asien Cup zurückgekehrten Kim - auf die Bank zu setzen, könnte eine folgenschwere Entscheidung mit Blick auf den kommenden Sommer sein. Nicht umsonst kursierten mehrfach Gerüchte über einen vorzeitigen Abschieds des Niederländers.
Die große Frage ist, ob Tuchel darauf vertraut, dass der 24-Jährige im Stellungsspiel sicherer agieren kann als in einigen Partien zuvor.
Dayot Upamecano: Bayerns bester Aufbauspieler
Mit Dier und de Ligt hatten die Münchner zuletzt zwei Spieler auf dem Feld, die nicht als begnadete Aufbauspieler gelten. Sie agieren kaum zügig nach vorne, wählen eher die sichere Variante. Das fiel gegen tiefstehende Gegner kaum ins Gewicht, weil die Mittelfeldspieler ohnehin oft anspielbar waren.
Leverkusen aber wird hoch pressen und den Druck auf den Spielaufbau der Bayern hochhalten. Upamecano ist auf dem Papier die beste Lösung für das Münchner Aufbauspiel. Mit 8,1 Pässen pro 90 Minuten ins Angriffsdrittel hat er rund 1,6 mehr auf dem Konto als de Ligt (6,4) und auch mehr als Kim (6,1) und Dier (3,6). Seine Passquote ist trotz hoher Vertikalität in seinem Spiel die beste (94,1 Prozent). Dier hat mit 92,1 Prozent die schlechteste.
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Viel interessanter ist aber, dass Upamecano dabei alle Distanzen meistert. Unterteilt wird dabei in Kurzpässe (zwischen 4,5 und rund 14 Metern), mittellange Pässe (zwischen 14 und rund 27 Metern) und lange Pässe (mehr als 27 Meter). Die Angaben sind dabei etwas krumm, weil sie im Originalwert in Yards gemessen werden. In den ersten beiden Kategorien schneiden alle Innenverteidiger der Bayern in etwa gleich ab. Upamecano hat mit 96,5 Prozent die beste Kurzpassquote, de Ligt spielt die präzisesten mittellangen Bälle (96,7 Prozent).
Dabei bewegen sich alle Spieler aber in einem mittleren 90er-Wert. Bei den langen Pässen wird es jedoch deutlich. Upamecano liefert hier immer noch mit 89,7 Prozent ab. 9,79 seiner 10,9 langen Pässe pro 90 Minuten kommen an. De Ligt (6,17/8,15; 75,8 Prozent), Dier (5,6/8; 70 Prozent) und Kim (4,18/6,1; 68,5 Prozent) distanziert er damit locker. Auch bei anderen Statistiken, die die Progressivität seines Spiels unterstreichen führt er deutlich. Upamecano geht gern ins Risiko und macht seinen Job dabei genauer, als ihm vielerorts unterstellt wird.
Für Tuchel ist es deshalb eigentlich eine einfache Entscheidung, den Franzosen nach seiner Genesung wieder aufzustellen. Doch trotz aller Zahlen bleibt ein großer Zweifel: So gut Upamecano in den meisten Spielen einer jeden Saison auch ist, so sehr bleibt in Erinnerung, dass er in Topspielen unter Druck gern mal den einen oder anderen katastrophalen Auftritt hinlegte. In Gladbach, in Manchester, in Frankfurt – alles keine Glanzmomente, jeweils gegen Gegner mit hohem Pressing. Kann er Leverkusen mit seiner Qualität also vor Herausforderungen stellen – oder wird die Werkself ihn derart unter Druck setzen, dass er fehleranfällig wird?
Min-jae Kim: Mit dem Abwehrmonster gegen Leverkusen?
Bleibt noch Kim. Nachdem Südkorea bei der Asienmeisterschaft im Halbfinale gegen Jordanien ausgeschieden ist (0:2), kehrte der Innenverteidiger inzwischen zum FC Bayern zurück. Genau zum richtigen Zeitpunkt.
Kim ist vermutlich der zentrale Verteidiger des FCB, bei dem am erwartbarsten ist, wie er performen wird. In der Hinrunde erlaubte auch er sich den einen oder anderen Fehler. Gerade durch seine aggressive Art zu verteidigen, öffnet er hin und wieder Räume hinter sich, die bespielt werden können.
Mit 2,12 abgefangenen Pässen pro 90 Minuten steht er deutlich vorm Rest, der sich zwischen 0,85 (Upamecano) und 1,2 (Dier) bewegt. Kim sucht aktiv die Zweikämpfe. Das ist eine wichtige Eigenschaft in der Abwehr der Münchner. Gleichzeitig verliert er dabei ab und an die taktische Disziplin.
Gerade im Topspiel gegen Leverkusen kann sich Tuchel aber darauf verlassen, dass der 27-Jährige über seine Grenzen gehen wird. Eine Mentalität, die wichtig werden könnte – und die ihn damit automatisch zum Startelfkandidaten macht.
FC Bayern vor richtungsweisendem Duell: Was macht Tuchel?
Mit Blick auf die Statistiken und die Hierarchie innerhalb des Kaders ist Dier trotz guter Leistungen wohl ein Kandidat für die Bank. Tuchel wird gerade bei de Ligt eine sehr schwere Entscheidung treffen müssen – wenn er nicht überraschend erstmals in dieser Saison auf eine Dreierkette setzt. Gegen ein offensivstarkes Leverkusen sicher eine Option. Ansonsten waren Upamecano und Kim bisher aber aus guten Gründen das Stammduo der Saison.
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Zwölf Partien haben die beiden in der Bundesliga absolviert. Zwar hagelte es dabei auch 14 Gegentore, aber mit anderen Konstellationen lässt sich das nicht vergleichen, weil diese kaum über drei Spiele hinauskommen. Zumal die Anzahl der tatsächlich kassierten Gegentore etwas höher ist, als anhand der zugelassenen Torchancen erwartbar gewesen wäre. Gegentreffer aufzurechnen wäre also wenig zielführend.
In der Bundesliga haben die Bayern in 20 Partien erst 16 Expected Goals zugelassen. Laut dem Datenanbieter "Squawka" lässt in Europas Top-5-Ligen kein Team weniger Expected Goals pro Spiel zu als die Bayern (0,68) – Elfmeter ausgeklammert. Das spricht einerseits für Tuchel. Andererseits aber auch für die vielen verschiedenen Konstellationen, die er bisher in der Innenverteidigung einsetzte und einsetzen musste.
Und so wird vieles darauf ankommen, welche der dargelegten Stärken der Spieler für Tuchel gegen Leverkusen am interessantesten sind – und welche Schwächen er am wenigsten gebrauchen kann.