Hertha BSC lockt
Nach Bobic-Abschied von Eintracht Frankfurt: Der Königstransfer gefährdet sein Reich
- Aktualisiert: 02.03.2021
- 20:01 Uhr
- ran.de/Tim Brack
Sportvorstand Fredi Bobic hat seinen Abschied von Eintracht Frankfurt in der Sendung "Sportschau Thema" bestätigt. Die Nachrichten kommen für den Klub zur denkbar ungünstigen Zeit - Hertha BSC könnte bald frohlocken.
München - Der Empfang war eines Königs nicht würdig.
Die Frankfurter Fans begrüßten den neuen sportlichen Regenten der Eintracht mit einem Vergleich aus der untersten Schublade der Traditionalisten: "Bobic passt zu Frankfurt wie Fußballtradition zu Red Bull", war auf einem Banner der Ultras zu lesen.
2016 waren die Vorbehalte gegen den neuen Sportvorstand Fredi Bobic riesig in der Fanszene. Verwunderlich war das kaum, der VfB Stuttgart hatte Bobic eineinhalb Jahre zuvor regelrecht vom Hof gejagt, weil man unzufrieden war mit seinem Kurs. Bobics Renommee als sportlicher Lenker war entsprechend zweifelhaft.
Rund fünf Jahre später kann festgehalten werden: Bobic passt zu Frankfurt wie Brause zu Red Bull. Er ist der Königstransfer. Und nach seinem in der Sendung "Sportschau Thema" verkündeten Abschied zum Sommer ist ein Fazit mehr als angebracht.
Unruhe in einer aussichtsreichen Frankfurter Saison
Aufsichtsratschef Philip Holzer ließ in einer offiziellen Mitteilung des Vereins folgendes verlauten: "Fredi Bobic ist vor drei Wochen auf mich zugekommen und hat mich über seine Überlegungen bezüglich einer Auflösung seines bis zum 30. Juni 2023 laufenden Vertrages nach dem Ende der laufenden Saison informiert."
Und weiter: "Wir haben verabredet, entsprechende Gespräche über einen Verbleib oder einen vorzeitigen Wechsel zu führen und darüber im Sinne des sportlichen Erfolgs der Eintracht absolutes Stillschweigen zu wahren. Die Gespräche sind gegenwärtig noch nicht abgeschlossen und werden erst nach der nächsten Aufsichtsratssitzung Mitte März fortgesetzt."
Bereits in den vergangenen Wochen vermied Bobic stets ein Bekenntnis zur Eintracht.
Bobic ähnlich wie einst Kovac
Die Spekulationen um eine Trennung brachten Unruhe und erinnern an die Situation um Trainer Niko Kovac, bei dem während der Saison bekannt wurde, dass er zum FC Bayern wechseln würde. Damals polterte Bobic laut über diesen Umstand. Nun gab er selbst keine glückliche Figur ab.
Der Königstransfer gefährdet sein mühsam errichtetes Reich.
Denn für die Frankfurter ist Bobics Abschied nach fünf erfolgreichen Jahren ein harter Schlag. Der Begriff Architekt wird im Fußball oft überstrapaziert, im Fall von Bobic ist er angebracht, der 49-Jährige leistete eine gewaltige Aufbauarbeit in Frankfurt.
Als er bei der Eintracht anheuerte, hatte diese gerade die Relegation überlebt. Nun spielt sie ihre beste Saison seit der Einführung der Dreipunkte-Regel, die Champions-League-Plätze sind in Reichweite. Der Marktwert des Kaders stieg in Bobics Zeit von rund 77 auf 207 Millionen Euro.
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Bobic bastelt ein buntes Team
Bobic hat mit seinen Transfers Bankkonten und Geschichtsbücher gleichermaßen gefüllt. 2018 gewann Frankfurt den DFB-Pokal, der erste große Titel nach 30 Jahren, samt dem ersten großen Zitat seit 30 Jahren ("Brudaaa, schlag den Ball lang", Ante Rebic).
Auch die Auftritte in der Europa League, die die Eintracht-Fans zu ihrer Spielwiese machten und die Mannschaft nur knapp nicht zu ihrem Wettbewerb (Aus im Halbfinale).
Der Erfolg war aus der Not geboren. Bobic und das Team um den scheidenden Sportdirektor Bruno Hübner und Chefscout Ben Manga, den Bobic aus Stuttgarter Zeiten kennt, suchten bis dahin eher unbekannte Spieler (Luka Jovic, Ante Rebic) oder Abgeschriebene (Filip Kostic, Kevin-Prince Boateng) und bastelten eine bunte Truppe, die eine Fußballsprache spricht: harte Arbeit.
Bobics gut gefülltes Adressbuch half bei der Umgestaltung. Er ist bekannt dafür, gut vernetzt zu sein. "Es macht mir Freude, alte Kontakte zu pflegen und neue Menschen kennenzulernen", sagte er einmal in "Top Magazin".
Als Profi war er selbst ein Vielgereister. Geboren im ehemaligen Jugoslawien, verschlug es ihn nach Stuttgart, Dortmund, Bolton, Hannover, Berlin, Rijeka. Als Fußball-Funktionär ging er erste Schritte in Bulgarien bei Burgas. Bobic ist multilingual, spricht neben Deutsch, Serbokroatisch und Englisch auch etwas Französisch.
Bobic setzt auf Vertraute
Immer wieder tauchen auch alte Bekannte bei neuen Stationen auf. Neben Chefscout Manga lotste Bobic auch Kostic aus Stuttgart nach Frankfurt. Teammanager Thomas Westphal kam aus Leipzig, kennt Bobic aber aus gemeinsamer Hannoveraner Zeit. Zu einer jüngeren Beziehungen dürfte die zu DFL-Chef Christian Seifert gehören, die beiden sollen ein enges, fast freundschaftliches Verhältnis pflegen.
Auch an diesem Umstand lässt sich ablesen, dass Bobic parallel zu seinem Klub die Wandlung vom Fast-Absteiger zur Spitzenkraft vollzog. In der Bundesliga zählt er zu einem der tonangebenden Managern.
Zuletzt war Bobic auch als Fußballchef beim Red-Bull-Konzern im Gespräch, aber dort passt er so gut hin wie, naja, Fußballtradition. Das liegt weniger an den Konzernfußballern, sondern an der weiteren Option, die Bobic hat: Hertha BSC.
Der Hauptstadtklub sehnt sich nach der Trennung von Sport-Geschäftsführer Michael Preetz nach Führung. Bobic, der in seinem früheren Leben als Stürmer zwei Saisons für die Hertha auflief, zurück in seinem alten Jagdgebiet, das wäre schon etwas. Und eine bunt gemischte Mannschaft mit Arbeitsmoral wie in Frankfurt ließe sich auch vortrefflich nach Berlin verpflanzen.
Warmer Empfang in Berlin für Bobic
Bobics Ruf würde auch zu den ambitionierten Zielen der Berliner passen, eine Führungskraft im deutschen Fußball zu werden. Allerdings sind die Probleme des Großstadtklubs gerade größer als die Träume. In dieser Spielzeit flirtet der Verein trotz der größten Investitionen im deutschen Fußball mit dem Abstieg.
Die Voraussetzungen im Vergleich zu Frankfurt sind trotzdem deutlich besser dank Investor Lars Windhorst. Für Bobic wäre der Schritt nach Berlin nicht nur einer der Karriere, sondern auch einer des Herzens. Er bezeichnet Berlin als seine Heimat. Seine Frau lebt dort.
Eines ist sicher, in Berlin würde ihn die Fans wohl eher mit Knicks und Kusshand begrüßen – wenn nicht gerade Pandemie wäre.
Und ob der verkündete Abschied aus Frankfurt königlich ausfällt, darf bezweifelt werden.
Tim Brack
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