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Bundesliga

Stegemann, Aytekin und Co.: So hat der VAR die Schiedsrichter verändert

  • Aktualisiert: 03.05.2023
  • 13:15 Uhr
  • ran.de
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© IMAGO

Diskussionen um den VAR gibt es, seit es ihn gibt, also seit 2017. Experte Alex Feuerherdt ("Collinas Erben") verrät aber auch, wie er die Schiedsrichter selbst verändert hat.

Von Andreas Reiners

Er ist ein Rettungsfallschirm. Ein Netz mit doppeltem Boden. Ein Anker. Ein Helfer in der Not.

Die deutschen Schiedsrichter wollen auf den Video Assistant Referee (VAR) deshalb nicht mehr verzichten, denn er hat ihr Leben auf dem Platz in den vergangenen Jahren verändert, aber auch enorm erleichtert. Zumindest auf den ersten Blick.

"Alle Schiedsrichter, mit denen man spricht, sagen: 'Das bewahrt uns vor den ganz klaren Fehlentscheidungen'", sagt Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt ("Collinas Erben") im Gespräch mit ran.

Interessant dabei: Das Geschrei nach Fehlentscheidungen trotz VAR wie am Freitag beim 1:1 zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund ist immer groß, Referee Sascha Stegemann fühlte sich nach dem nicht gegebenen Elfmeter nach einem Foul an Dortmunds Karim Adeyemi "beschissen", er entschuldigte sich beim BVB.

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Zahlen sprechen nicht für schlechtere Leistungen

Doch zur Wahrheit gehört auch: "Die Zahl der unberechtigten Eingriffe des VAR ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, die Zahl der korrigierten Fehler ist zudem nicht gestiegen. Es gab also weder mehr Eingriffe aufgrund von mehr Fehlern der Schiedsrichter, noch mehr falsche oder fehlende Eingriffe durch den VAR", sagt Feuerherdt. Die Zahl der Gesamt-Eingriffe liegt mit Ausnahme der Saison 2020/21 zudem auf einem ähnlichen Niveau, in der vergangenen Saison waren es mit 84 Eingriffen die wenigsten seit der Einführung.

Trotzdem hat sich durch Rettungsfallschirm VAR bei den Schiris etwas verändert. 

Das passiert eher unterbewusst, ist eine Kopfsache, und zufrieden sind die Referees mit der Entwicklung selbst nicht. "Selbst wenn die Zahlen stimmen, muss man festhalten, dass die VAR-Existenz etwas mit der Art und Weise, Fußballspiele zu leiten, macht", sagt Feuerherdt. 

Denn natürlich hat man im Hinterkopf, dass es da jemanden gibt, der einem im Zweifelsfall den Hintern retten kann.  

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"VAR verändert die Art und Weise der Spielleitung"

"Und das verändert die Art und Weise der Spielleitung, die Konzentration, bestimmte Prozesse im Entscheidungsmanagement und damit die Entscheidungsfreudigkeit, dass möglicherweise nicht mehr ganz so aktiv entschieden wird", so Feuerherdt.  

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Nicht mehr so schnell zum Beispiel, oder anders, ohne den allerletzten Fokus, die allerletzte Konzentration. Dass man als Schiedsrichter das Spiel laufen lässt oder auch pfeift und sich dann darauf verlässt, dass der VAR eingreift, wenn es falsch gewesen ist.  

Doch manchmal ist es nun mal so, dass man ziemlich verlassen ist, wenn man sich auf jemanden verlässt. 

Doch das passiert nicht absichtlich, das alles sind menschliche Reaktionen auf den "Luxus", dass es eine Art zweite Chance gibt. Die hat aber nicht nur Vorteile, denn "dass die Schiedsrichter zugeben, dass sie sich manchmal zu sicher fühlen oder in der Konzentration oder Entscheidungsfindung nachlässig werden, ist definitiv ein Problem", so Feuerherdt: "Man hat bei allen Diskussionen und der berechtigten Kritik deutlich weniger Fehlentscheidungen, aber die VAR-Existenz hat die Art und Weise des Pfeifens nicht immer zum Guten verändert."

Daran müssen die Referees ohne Frage arbeiten.

Trotzdem: Natürlich ist das Ballyhoo nach dem Spiel am Freitag in gewisser Weise berechtigt, es gehört aber auch zum äußerst diskussionsfreudigen und hoch emotionalen Element des deutschen Fußballs mit 80 Millionen Experten dazu. Dass Stegemann wegen Drohungen Strafanzeige gestellt hat, ist die hässliche Seite, die heutzutage leider auch Teil des Spiels geworden ist. 

Fehlentscheidungen sorgen für mehr Aufmerksamkeit

Es ist allerdings auch eher die Regel als die Ausnahme, dass die wenigen Fehlentscheidungen für mehr Aufmerksamkeit und Ärger sorgen als die Fälle, die der VAR erfolgreich ausbügelt. Das wird gerne unterschlagen, und "man darf dabei auch nicht vergessen, wie die Stimmungslage war, als der VAR eingeführt wurde", sagt Feuerherdt. 

Klar ist: Die Adeyemi-Szene hätte einen weiteren Aufschrei nach dem VAR zur Folge gehabt, wenn es ihn noch nicht geben würde.

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Zwar sieht Feuerherdt kein grundsätzliches Problem im Schiedsrichterwesen, weder qualitativ, noch was den VAR angeht. Doch Fakt ist auch, dass es von DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich Ende 2022 eine Menge Kritik an den deutschen Referees gab, er sprach damals von einer Krise.

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Basis in der Krise

In der befindet sich vor allem auch die Basis. 2008 gab es in Deutschland noch 80.000 Schiedsrichter, jetzt sind es noch 50.000. "Das ist dramatisch, das ist schlimm", sagt Feuerherdt, der als Schiedsrichter-Lehrwart in Köln weiß, wie es um den Nachwuchs bestellt ist. 

"Das hat nicht nur mit Gewalt in den unteren Ligen zu tun. Es ist auch fehlende Wertschätzung, von vielen Seiten, dass die Anerkennung und auch Aufstiegsmöglichkeiten fehlen", so der Experte. Und klar: "Je weniger Schiedsrichter man in der Breite hat, desto weniger hat man auch, die Spitzen-Schiedsrichter werden können."