Stranzl: "Wir setzen uns im Winter zusammen!"
- Aktualisiert: 14.10.2013
- 18:26 Uhr
- ran.de/Andreas Kötter
Mit dem 2:0-Sieg über den BVB hat sich Borussia Mönchengladbach im ersten Tabellendrittel festgesetzt. Im Exklusiv-Interview mit ran.de-Reporter Andreas Kötter spricht Abwehrchef Martin Stranzl über die gegensätzliche Sichtweise, mit der Profis und Außenstehende ein und dasselbe Spiel betrachten, über seine Rolle als Fels in der Brandung und über seine mögliche Zukunft bei Borussia.
ran.de: Herr Stranzl, Länderspielwochen sind immer auch die Möglichkeit, einmal kurz innezuhalten und ein kleines Fazit zu ziehen; wie fällt Ihres nach einem Viertel der Saison aus?
Martin Stranzl: Der aktuell vierte Platz ist eine schöne Momentaufnahme. Aber so früh in der Saison sind die Teams in diesem Bereich der Tabelle auch noch sehr nah beisammen. Wer am Ende immer noch dort oben stehen möchte, der muss aber auch auswärts punkten. Deshalb würde ich bezüglich unserer Performance bisher von 'durchwachsen' und von 'ups and downs' sprechen. Es gab Spiele, die wir sehr gut gestaltet und in denen wir auch gepunktet haben. Aber es gab auch solche, in denen wir zwar mindestens ordentlich gespielt, aber eben keine Punkte eingefahren haben. Und es gab das Heimspiel gegen Dortmund,...
ran.de: ...wo dem Betrachter von außen bis zur Halbzeit Angst und Bange um die Borussia werden musste...
Stranzl: Fakt ist, dass wir zunächst nicht unser gewohntes Spiel aufziehen konnten, weil die Dortmunder sehr gut, sprich sehr hoch stehend gepresst haben. Aber solche Spiele bzw. Halbzeiten gibt es nun mal. Ich erinnere an unser Spiel in Hoffenheim, bei dem die Statistik auch klar für uns gesprochen hat, wir dort aber dennoch verloren haben. Ich denke, dass unsere Mannschaft noch immer in der Entwicklung begriffen ist, und wir die Balance zwischen Dominanz, Ballbesitz, Tormöglichkeiten kreieren und Torabschluss auf der einen und einer defensiven Kompaktheit auf der anderen Seite noch feiner justieren müssen. Die Dortmunder etwa beherrschen dieses Umkehrspiel nahezu perfekt und haben das bis in die zweite Halbzeit hinein auch sehr gut gemacht.
ran.de: Wie nimmt man in der Pause eine solche erste Halbzeit als Beteiligter wahr; befürchtet man - ähnlich wie viele Zuschauer - schon ein Debakel?
Stranzl: Nein. Wenn du auf dem Platz stehst, hast du eine ganz andere Wahrnehmung als vielleicht von der Tribüne aus oder vor dem Fernseher. Deshalb war dieser Spielverlauf bis zur Halbzeit für uns auch nicht niederschmetternd. Im Gegenteil: Uns war von vorneherein bewusst, dass Dortmund sehr viel Druck machen würde. Wir haben uns das Leben durch zu viele Ballverluste allerdings schwerer als nötig gemacht. Trotzdem hatte der BVB eigentlich nur zwei hundertprozentige Chancen, durch Hummels und durch Reus. Das andere waren Distanzschüsse aus 16 oder 20 Metern, bei denen man nicht von 'hundertprozentiger Chance' sprechen kann. In der vergangenen Saison sind die Dortmunder drei-, viermal allein auf Marc (Marc-André ter Stegen; d. Red.) zugelaufen. Davon konnte diesmal aber wirklich nicht die Rede sein.
ran.de: Wird das in der Halbzeitpause vom Trainer oder von einem Führungsspieler wie Ihnen genauso auch kommuniziert?
Stranzl: Natürlich habe ich den Jungs gesagt, dass die Dortmunder dieses Tempo, das sie in der ersten Halbzeit gegangen sind, kaum über 90 Minuten werden halten können. Entsprechend lautete die Maßgabe des Trainers, dass wir jetzt versuchen müssen, selbst auch höher zu stehen und etwas variabler zu spielen. Und ich denke, dass uns das - je länger das Spiel gedauert hat - auch immer besser gelungen ist. Schon mit der Chance von Oscar (Oscar Wendt; d. Red.), als er den Ball knapp neben den Pfosten gesetzt hat, hätten wir in Führung gehen können. Und nach der doppelten Bestrafung durch den Elfmeter und den Platzverweis von Hummels wurde es für den BVB immer schwerer, noch einmal zurückzukommen.
ran.de: Einige Medien haben ter Stegen als einzigen Retter in diesem Spiel ausgemacht und etwa Ihre Rolle als Turm in der Schlacht ignoriert; ärgert Sie diese Sichtweise?
Stranzl: Nein. Man hat mich auch gefragt, ob Marc sich bei uns beschwert hätte, weil er so oft eingreifen musste. Dabei gibt es für einen Keeper nichts Besseres als mit einigen Distanzschüssen gefordert zu werden. Dann ist er hellwach, ist drin im Spiel und kann sich über diese Paraden das notwendige Selbstvertrauen holen. Im Übrigen wissen wir bei Borussia aus der jüngeren Vergangenheit, dass jeder gebraucht wird, egal ob er nun die Nummer 1 auf dem Trikot trägt oder die 18. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass in der Saison, in der wir Vierter wurden, irgendeiner schlecht abgeschnitten hätte. Jeder Spieler hat damals in den Medien großes Lob bekommen, keiner ist außen vor geblieben. Deshalb betone ich im Mannschaftskreis auch immer wieder, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, wenn wir als Mannschaft erfolgreich sein wollen.
ran.de: Sprechen wir dennoch über Ihre Leistung; es kann doch nicht nur Ihren langen Beinen geschuldet sein, dass Sie kaum einen Zweikampf verlieren...
Stranzl: Ich habe schon relativ lange Beine (lacht). Als Kind war ich hypermobil, ein Spagat war damals zum Beispiel überhaupt kein Problem für mich. Auf dem Platz merkt man das heute noch, etwa wenn ich mit einer Grätsche auch an einen Ball komme, der eigentlich unerreichbar scheint. Da hilft mir meine große "Spannweite" sehr. Natürlich spielt gerade beim Timing aber auch die Erfahrung eine große Rolle. Wo eine Aktion früher vielleicht wegen schlechten Timings mit einem Foul von mir geendet hat, kann ich das heute vermeiden.
ran.de: Gegen Ihren ehemaligen Mannschaftskameraden Marco Reus haben Sie ein taktisches Foul bewusst in Kauf genommen und damit eine Rote Karte riskiert; ist Ihnen diese Gefahr in einem solchen Moment bewusst?
Stranzl: Ja. Das weiß du in diesem Augenblick. Wir hatten drei Minuten zuvor das 1:0 erzielt und hätten den BVB mit einem Gegentor wieder stark gemacht. Also musste ich das Risiko eingehen. Niemand will seinen Gegenspieler bewusst verletzen. Also habe ich Marco an Schulter und Bein gestreift, so dass er aus dem Tritt gekommen ist und nicht mehr aufs Tor zulaufen konnte.
ran.de: Sie sind mittlerweile schon länger verletzungsfrei und verfügen über die Erfahrung einer langen Karriere; ist das aktuell Ihre beste Phase?
Stranzl: Sagen wir es so: Ich fühle mich gut, es macht großen Spaß, und es freut mich natürlich sehr, dass meine Leistungen von der Mannschaft, von den Verantwortlichen und auch vom Umfeld so gut aufgenommen werden. Ob das wirklich die beste Phase meiner Karriere ist, das sollen andere entscheiden. Für mich ist wichtig, dass der Körper mitspielt und mir der Fußball weiter großen Spaß macht. Und damit das noch eine Weile so bleibt, arbeite ich sehr gewissenhaft mit unserem Fitnesstrainer zusammen. Jeder in diesem Geschäft weiß aber auch, dass sich mit einer schweren Verletzung die Dinge von einer Minute auf die nächste ändern können.
ran.de: Eine schwere Verletzung hat sich gegen Dortmund Ihr Innenverteidiger-Kollege Alvaro Dominguez zugezogen, er wird bis in die Winterpause ausfallen; wie schwer wiegt das?
Stranzl: Das ist bitter. Zum Glück verfügen wir mit Roel (Roel Brouwers; d. Red.) aber über einen weiteren Innenverteidiger, der keine Anlaufzeit braucht und sofort da ist, wenn er ins Spiel kommt. Das hat Roel nicht nur gegen Dortmund, sondern bereits in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Zudem hat auch Havard (Havard Nordtveit; d. Red.) schon Innenverteidiger gespielt. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass es größere Schwierigkeiten geben könnte.
ran.de: Nachdem Sie eigentlich schon im vergangenen Sommer zurück in die österreichische Heimat wollten, haben Sie sich mittlerweile gemeinsam mit einem Freund in Düsseldorf mit der Automobil-Manufaktur "2.0 Automotive" ein zweites Standbein aufgebaut...
Stranzl: Die Entscheidung für die kommenden Jahre doch hier zu bleiben, hat in erster Linie mit meinen Kindern zu tun. Meiner Frau und mir ging es darum abzuwarten, ob unser Sohn einen Platz in der gewünschten Schule bekommt oder nicht. Viele Kinder wurden auf andere Schulen verteilt, wir aber hatten das Glück, dass Elias aufgenommen wurde. Erst als das feststand, konnte ich mit Max (Max Eberl, Borussias Sportdirektor; d. Red.) darüber sprechen, eine weitere Saison bei Borussia zu bleiben. Jetzt ist die Situation so, dass wir Elias natürlich nicht nach nur einem Jahr aus seiner vertrauten Umgebung nehmen wollen. Er soll die Grundschule hier auf jeden Fall bis zum Ende besuchen. Das ist für meine Frau und mich auch kein Problem. Wir fühlen uns hier sehr wohl, und es haben sich auch echte Freundschaften entwickelt.
ran.de: Das heißt, dass auch diese Saison nicht Ihre letzte bei Borussia sein muss?
Stranzl: Max hat bereits gesagt, dass wir uns im Winter einmal zusammensetzen. Es war immer verabredet, dass wir von Jahr zu Jahr schauen, ob die Vorstellung des Vereins und meine Vorstellung noch zusammen passen. Ich denke, wir werden das in aller Ruhe besprechen und dann auch eine gute Lösung finden.