Bundesliga
Thomas Müller: Eine Legende des FC Bayern - aber wo sortiert er sich im Ranking der Größten ein?
- Veröffentlicht: 02.09.2024
- 13:51 Uhr
- Justin Kraft
Thomas Müller hat Legendenstatus beim FC Bayern München - so wie zahlreiche andere Spieler auch. Wo sortiert sich der "Raumdeuter" im Vergleich zu anderen Legenden des FCB im Ranking ein?
Achtung, jetzt wird es emotional, hitzig, vielleicht sogar etwas dreckig. Denn seien wir mal ehrlich: Es gibt wenig, das Fußball-Fans derart auseinandertreibt wie Debatten darüber, welche Legende jetzt in einem Ranking vor der anderen steht.
Thomas Müller ist beim FC Bayern München längst Teil dieser Debatten. Mit seinem 710. Pflichtspiel für den FCB hat er am Sonntag einen Rekord aufgestellt, der noch sehr lange Bestand haben wird. Seine Titelsammlung spricht zudem für sich.
Nur gab es beim Rekordmeister auch noch andere Jahrgänge, die große Erfolge aneinanderreihten. Neben Müllers Generation sind vor allem die Siebziger zu nennen. Hinzu kommen erfolgreiche Achtziger und die starke, wenn auch etwas kurzweilige Zeit rund um die Jahrtausendwende.
Nur wenige Klubs in Europa blicken auf derart viele Topspieler und Legenden zurück, wie der FC Bayern. Es kann also kaum etwas Unklugeres geben, als ein Ranking der zehn größten Legenden des FCB. Zumal mindestens zehn weitere außen vor bleiben, die bei einigen Fans vermutlich einen Platz weit oben in der Tabelle sicher hätten. Wer will sich dem Aufschrei schon aussetzen?
Das Wichtigste in Kürze
Also gut: Hier kommen sie. Die Spieler, die es nach hitzigen und emotional geführten Diskussionen in der ran-Redaktion geschafft haben, unter die besten Zehn zu kommen. Erfolg, Bedeutung und auch Fannähe haben bei der Definition eine wesentliche Rolle gespielt. Doch wo landet Thomas Müller?
Platz 10: Franck Ribery
Als Ribery in München seine ersten Gegner ausdribbelte, wusste man beim FC Bayern: Der Mann wird nur schwer zu halten sein. Außer, ja außer man kommt selbst wieder in die höchste Kategorie Europas. Niemand ist größer als der Klub, heißt es an der Säbener Straße oft. Ribery war recht lange größer als sein Arbeitgeber. Der Franzose verfügte über Fähigkeiten, die auf der Welt nur wenige hatten.
Der FC Bayern aber zog sich unter anderem an ihm wieder nach oben, gewann 2013 das Triple und zahlreiche weitere Titel. Riberys Zeit verging wie im Rausch. Auch weil es den Fans so viel Spaß machte, ihm zuzusehen. Auch die Geschichten neben dem Platz haben dazu geführt, dass es nie langweilig wurde. Ribery war und ist ein Publikumsliebling, gar ein Publikumsmagnet.
Für Spieler wie ihn zahlen Fans Eintritt in den Stadien. Er war über viele Jahre eine der Hauptattraktionen der erfolgreichsten Bayern-Generation. So einer muss es doch in die Top-10 schaffen.
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Platz 9: Oliver Kahn
Bei den Torhütern muss es doch aber einfacher sein. Wie viele absolute Legenden kann ein Klub schon zwischen den Pfosten erlebt haben? Nun. Oliver Kahn mag unumstritten einer der besten Torhüter in der Geschichte des Fußballs sein. Aber mit Sepp Maier und Manuel Neuer gibt es mindestens zwei weitere, die ihren Platz in den Top-10 verdient hätten. Spoiler: Einer der beiden wird nicht dabei sein.
Kahn könnte, schaut man allein auf seine Leistungen, noch höher platziert sein. Der Titan hatte lediglich das Pech, dass er in einer Zeit im Tor des FC Bayern stand, in der das allerhöchste Niveau nur ganz selten erreicht wurde - und das mit allem Respekt. Die Generation Kahn lässt sich nur schwer mit der Generation von Gerd Müller und Franz Beckenbauer oder der Generation "Lahmsteiger" vergleichen. Dafür fehlen schlicht die Konstanz (mannschaftlich gesehen) und der eine oder andere Titel.
Aber im Mannschaftssport gibt es manchmal eben doch die einzelnen Spieler, die ein Team auf eine höhere Stufe hieven können. Bei Kahn war das zweifellos der Fall. Ohne ihn hätten die Bayern womöglich nicht die Champions League im Jahr 2001 gewonnen.
Platz 8: Arjen Robben
Vielleicht gilt das auch für Arjen Robben - nur auf das Jahr 2013 bezogen. "Mr. Wembley" bekam von den Fans sogar ein eigenes Lied gewidmet: "Wir haben den Cup gewonnen, den Thron erklommen, der Arjen hat's gemacht!" Noch heute schallt das Lied immer mal wieder durch die Südkurve.
Und woran lässt sich besser messen, ob jemand den Legendenstatus erreicht hat, als am Standing bei den Fans? Der Niederländer wurde nicht immer so geliebt. Auch das gehört zur Geschichte dazu. Aber erzählt man die Geschichte vom Aufstieg unter Louis van Gaal bis hin zum Champions-League-Sieg 2013, so erzählt man sie fast schon gezwungenermaßen sehr nah am persönlichen Pfad von Robben entlang.
Der Linksfuß erlebte in diesen vier Jahren viele Rückschläge. Von Verletzungen bis zum Versagen in wichtigen Momenten. Mit dem Finaltor ausgerechnet gegen den Rivalen Dortmund katapultierte er sich aber endgültig in den Legendenorbit Münchens. Gemeinsam mit Ribery verzauberte er viele Fußballfans. Und seinem Kollegen hat er neben der besonderen Erzählung seiner Geschichte vielleicht auch den einen oder anderen großen Crunchtime-Moment voraus.
Platz 7: Karl-Heinz Rummenigge
Wenn es bisher noch zustimmendes Kopfnicken oder leichte Zweifel gegeben haben sollte, so wird es spätestens jetzt haarig. Karl-Heinz Rummenigge? Der hatte doch einige seiner besten Jahre in Italien! Und überhaupt: Seine beiden Titel im Europapokal der Landesmeister (1975 und 1976) holte er doch in eher untergeordneter Rolle.
Widersprechen können wir dem nicht, aber wir können auch einiges entgegensetzen: Rummenigge war der prägende und absolut unersetzliche Topstürmer bei den Bayern, der nach dem Rausch bis Mitte der Siebziger für einen Übergang in eine neue erfolgreiche Ära sorgte.
Wie Kahn hatte er das Pech, über viele Jahre in einem Team zu spielen, das vom Leistungsniveau her nicht an die ganz großen Bayern-Mannschaften heranreichte.
Müller verschenkt Jubiläums-Schuhe an Fans
Und doch absolvierte er insgesamt 422 Pflichtspiele für den FCB, kam dabei auf 217 Tore und 69 Vorlagen, führte die Bayern 1982 mit sechs Treffern ins Finale im Europapokal der Landesmeister und war auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere schlicht einer der besten Stürmer der Welt und der Geschichte.
Rummenigge wurde 1980 sogar zu Europas Fußballer des Jahres gewählt, wurde im selben Jahr Europameister - und dass er 1984 nach Italien wechselte, ist auch kein großes Argument gegen sein Vermächtnis.
Denn dank der umgerechnet 5,5 Millionen Euro, die die Bayern von Inter Mailand erhielten, konnte sich der verschuldete Klub sanieren. Erstmals hatte Manager Uli Hoeneß finanziellen Spielraum. Unter anderem Lothar Matthäus und Roland Wohlfarth kamen von diesem Geld. Das gehört zur Legendenbildung bei Rummenigge einfach dazu.
Platz 6: Lothar Matthäus
Und wenn wir schon bei Matthäus sind, können wir die Geschichte gleich fortführen. Denn die Bayern waren endgültig zurück an der Spitze des deutschen Fußballs, nachdem sie zwischen 1974 und 1984 nur zwei Titel gewinnen konnten. Mit Matthäus als Herzstück gelang dem FCB der Titel-Hattrick zwischen 1985 und 1987, außerdem erreichte man 1987 auch das Finale im Europapokal der Landesmeister.
Die Achtziger-Generation war eine sehr starke und auch erfolgreiche, weil ihr der ganz große Wurf nie gelang, wird sie oftmals unterschätzt. Matthäus aber entwickelte sich in München endgültig zum Weltklasse-Spieler - und wechselte bereits 1988 zu Inter Mailand.
Er würde wohl kaum hier auftauchen, wäre er 1992 nicht nach München zurückgekehrt. Es folgten weitere Titel wie der UEFA Cup 1996 oder die vier Meistertitel zwischen 1994 und 2000. Im Champions-League-Finale 1999 verpasste Matthäus allerdings seine persönliche Krönung. Auch deshalb reicht es bei einem der besten Fußballer der Geschichte "nur" zu einem sechsten Rang.
Platz 5: Philipp Lahm
Ab dem fünften Platz befinden wir uns in der obersten Region, die die Weltklasse zu bieten hat. In diesen Teil des bayerischen Fußball-Olymps schaffen es nur Spieler, die neben ihrer fußballerischen Qualität auch das Quäntchen Glück hatten, sich mit den wichtigsten Titeln des Klubfußballs zu dekorieren.
Einer davon ist Philipp Lahm, der wegen seiner fast schon unspektakulären Spielweise oftmals gar nicht mehr so präsent ist, wenn es um die besten Fußballer der Geschichte geht. Doch der Außenverteidiger blickt auf eine unglaubliche Karriere zurück. Acht Meisterschaften, sechs Pokalsiege und das Triple in der Saison 2012/13 - damals bereits als Kapitän des FC Bayern.
Lahm war beeindruckend konstant - was ihn beispielsweise auch von seinem langjährigen Begleiter Bastian Schweinsteiger unterscheidet. Dessen Karriere war emotionaler, aber entsprechend auch wechselhafter. Sein Weltklasse-Peak war deutlich kürzer als bei anderen Legenden.
Dass sich die Leute an Lahms Fehler erinnern, liegt daran, dass er nur sehr selten welche gemacht hat. Es gab auf der Welt nie einen Spieler, der das Geschehen als Außenverteidiger derart kontrollieren konnte wie er. Kein Wunder, dass Pep Guardiola ihn zeitweise im Mittelfeld eingesetzt hat.
Lahm zählt zu den besten Fußballern, die je das Trikot des FC Bayern getragen haben. Auch wenn die Interviews nicht immer zwingend das Beste waren, was die Bayern-Fans je gehört haben. Aber das ist zum Glück kein Kriterium.
Platz 4: Manuel Neuer
Was ist besser als ein Champions-League-Titel? Richtig. Zwei. Manuel Neuer hat in seiner Karriere alles gewonnen, was es zu gewinnen gab - okay, fast alles. Vor allem aber hat er das Spiel auf seiner Position revolutioniert. So wie er war kein Torhüter zuvor. Seine Fähigkeiten mit dem Ball am Fuß, sein vorausschauendes und mutiges Herauslaufen, wenn Gegner in Kontersituationen liefen - Neuer war zu seinen besten Zeiten der wohl spektakulärste Torhüter der Geschichte.
Zwischen 2013 und 2020 wurde er von der IFFHS fünfmal als Welttorhüter ausgezeichnet, außerdem bekam er den Award als Torhüter der Dekade 2011-2020. 2015 stand er zudem in der Verlosung für den Ballon d'Or. Am Ende wurde er knapp hinter Lionel Messi Dritter. Cristiano Ronaldo gewann.
Neuer kam als verhasster Schalker, weil er dort in der Ultraszene verankert war. Er wird eines Tages als Legende gehen. Als eine der größten der Vereinsgeschichte.
Platz 3: Thomas Müller
Thomas Müller war gewiss nie verhasst und immer absoluter Publikumsliebling bei den Bayern - und nun ist auch klar, wo wir den gebürtigen Oberbayer einordnen. Seine Karriere überschneidet sich zu großen Teilen mit der von Neuer. Müller aber erlebte noch ein bisschen mehr, debütierte bereits 2008 unter Jürgen Klinsmann für die Münchner - und wechselte anschließend fast zur TSG Hoffenheim.
Unter Louis van Gaal startete er schließlich durch. Seine Zahlen seit der Saison 2009/10 sind schlicht beeindruckend. In seinen 710 Pflichtspielen erzielte Müller 245 Tore, bereitete 269 vor und war ungefähr alle 100 Minuten direkt an einem Tor beteiligt. In 15 Spielzeiten landete er nur ein einziges Mal bei unter 20 Torbeteiligungen (2023/24), nur viermal bei unter 30 (2016/17, 2018/19, 2022/23, 2023/24). In allen anderen Spielzeiten gelang ihm ein "Double-Double", um einen Basketballbegriff etwas abzuwandeln: mindestens zehn Tore und zehn Assists in allen Wettbewerben.
Das ist nur eine von vielen verrückten Statistiken, die Müllers herausragende Karriere unterstreichen. In der Legendenelf des FC Bayern heißt es deshalb: Müller spielt immer.
Platz 2: Franz Beckenbauer
Und doch gibt es immer noch zwei, die man wohl vor ihm ansiedeln muss. Da wäre zunächst die Lichtgestalt. Hätte man die Aufgabe, die heutige Generation vom Fußball der damaligen Generation zu überzeugen, indem man einen Fußballer von damals in die heutige Zeit transferiert, so hätte man mit Franz Beckenbauer wohl die besten Karten.
Leichtfüßig, schnell, technisch überragend - Beckenbauer ließ Gegenspieler auf höchstem Niveau aussehen, als spielte er gerade in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen einen unterklassigen Gegner. Das brachte ihm damals auch Vorwürfe der Arroganz ein. Doch diese liefen bei ihm ins Leere.
Beckenbauer gelang in seiner Karriere alles und das Fußballvolk folgte ihm nahezu blind. Sogar für das sprichwörtliche "Kaiserwetter" wurde er verantwortlich gemacht - wenn auch halb im Scherz. Aber eben nur halb.
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Bei einer Niederlage wurde ihm wegen seines oftmals viel zu sauberen Trikots vorgeworfen, er habe sich nicht genug angestrengt. Bei einem Sieg hingegen wurde er dafür gefeiert, dass er sich kaum anstrengen musste.
Irgendwie fiel Beckenbauer mit seiner eleganten Spielweise aus der Zeit. In einer Fußballkultur, in der Kämpfen, Schwitzen und Laufen die obersten Tugenden waren und bis heute eigentlich noch sind, lief er leichtfüßig durchs Leben.
Beckenbauer war der eleganteste Fußballer, den das Land je gesehen hat. Und mit dem FC Bayern sammelte er nebenbei noch den einen oder anderen Titel.
Platz 1: Gerd Müller
Jener Franz Beckenbauer begründete aber selbst einst, warum es noch einen anderen Spieler in der Geschichte des FC Bayern gibt, den man über ihm ansiedeln kann, gar muss. "Ohne den Gerd Müller säßen wir alle nicht hier", sagte er einmal in einer Aufsichtsratssitzung des FCB. Der "Bomber" ist damit, will man noch etwas in der überspitzen Rhetorik verweilen, quasi gottgewählt.
Doch Spaß beiseite: Müller gewann mit den Bayern nicht nur alles, er gewann die ganzen Titel auch noch als absoluter Schlüsselspieler. 68 Tore in 77 Partien in europäischen Vereinswettbewerben waren über viele Jahrzehnte hinweg das Nonplusultra. Seine 40 Treffer in der Bundesliga-Saison 1971/72 waren bis zur Rekordsaison von Robert Lewandowski (41 Tore) Spitzenwert. Beide holten zudem sieben Torjägerkanonen, was ebenfalls Bestwert ist. In 427 Bundesliga-Partien traf Müller 365-mal. Bis heute Rekord. Sein Schnitt von 26,07 Toren pro Saison in 14 Bundesliga-Spielzeiten ist unerreicht.
Das sind nur einige seiner Bestmarken. In insgesamt 613 Pflichtspielen für den FC Bayern kommt Müller auf 570 Tore und 103 Vorlagen. Über seine vielleicht wichtigsten Tore wird allerdings kaum gesprochen: In der Saison 1963/64 erzielte er in der Regionalliga Süd 33 Tore und legte in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga sechs weitere nach. Die Bayern spielten fortan erstklassig und legten den Grundstein für spätere Erfolge. Und Müller? "Wir würden uns heute noch in einem Holzhüttl umziehen, wenn der Gerd nicht gekommen wäre", sagte Beckenbauer an anderer Stelle einmal.
Thomas Müller: Teil der ganz Großen
Und so ist Namensvetter Thomas Müller irgendwie auch eine Folge aus der Geschichte, die Gerd einst geprägt hat. "Ich kann das nur wiederholen, was Uli Hoeneß schon oft gesagt hat: Der Größte ist einfach Gerd Müller, weil ohne den würde es vielleicht diesen Klub in der Form gar nicht geben", betonte Thomas Müller nach seinem 710. Pflichtspiel für die Münchner.
Er selbst weiß aber auch ganz genau: "Wenn ich schaue, wo der Verein vor 15 Jahren war, als ich begonnen habe und wo er jetzt steht, auch was die internationale Präsenz betrifft, dann habe ich schon gut mitgeholfen, den Verein nach vorne zu bringen."
Den Gerd müsse man über ihn stellen, sagte er mit einem Augenzwinkern: "Aber die Anderen, da müssen wir diskutieren." So hitzig und emotional, wie das bei solchen Debatten wohl einfach üblich ist.