Fußball
Urs Meier kritisiert Antonio Rüdiger nach Clasico-Ausraster: "Der Verband muss hier ein klares Zeichen setzen"
- Aktualisiert: 28.04.2025
- 11:12 Uhr
- Chris Lugert
Antonio Rüdiger verliert die Nerven, der BVB gewinnt umstritten und Harry Kane sieht eine folgenschwere gelbe Karte wegen einer vermeintlichen Kleinigkeit. Urs Meier ordnet die strittigen Entscheidungen des Wochenendes ein.
von Chris Lugert
Es war ein ereignisreiches Fußball-Wochenende mit einigen strittigen Schiedsrichterentscheidungen. Im Copa-Clasico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid (3:2 n.V.) rastete Nationalspieler Antonio Rüdiger kurz vor Schluss komplett aus, warf einen Gegenstand Richtung Referee Ricardo de Burgos Bengoetxea und beleidigte ihn auch noch.
Im Vorfeld der Partie hatte Real bereits die Integrität des Schiedsrichters angezweifelt und ein Video mit Zusammenschnitten von angeblichen Fehlentscheidungen veröffentlicht, die zu Lasten der Madrilenen getroffen wurden. De Burgos Bengoetxea reagierte auf der Pressekonferenz vor dem Duell emotional auf die Vorwürfe. Mittlerweile hat auch der DFB eine Reaktion auf den Ausraster von Antonio Rüdiger gezeigt.
Doch auch in der Bundesliga ging es hoch her. Der FC Bayern gewann zwar souverän mit 3:0 gegen Mainz 05, verlor aber Harry Kane für das womöglich entscheidende Auswärtsspiel bei RB Leipzig, in dem die Meisterschaft fix gemacht werden könnte. Kane sah seine fünfte Gelbe Karte, weil er nach einem aus seiner Sicht unberechtigten Foulpfiff von Schiedsrichter Bastian Dankert aus Verärgerung zu lange den Ball festhielt. Danach kritisierte der Stürmer den Unparteiischen scharf.
Ein Last-Minute-Drama gab es unterdessen in Sinsheim, als Borussia Dortmund höchst umstritten in der Nachspielzeit mit 3:2 gewann. Dem Siegtor von Waldemar Anton war ein Zweikampf zwischen Carney Chukwuemeka und Oliver Baumann vorausgegangen, bei dem beide zusammenprallten. Die TSG-Offiziellen waren außer sich und sahen ein Foulspiel, Trainer Christian Ilzer sprach von einer "Skandalentscheidung".
ran hat mit dem früheren FIFA-Schiedsrichter Urs Meier über die Themen gesprochen.
Das Wichtigste in Kürze
Urs Meier: Rüdiger muss mindestens drei Spiele gesperrt werden
ran: Herr Meier, Antonio Rüdiger ist im Clasico komplett ausgerastet und warf unter anderem einen Gegenstand in Richtung von Schiedsrichter de Burgos Bengoetxea. Gibt es dafür irgendeine Entschuldigung?
Urs Meier: Schlussendlich gab es auch noch andere Spieler, die in derselben Lage waren wie Rüdiger. Also warum da Rüdiger so extrem ausgerastet ist, weiß ich nicht. Ich kann mir nur vorstellen, weil das Ganze halt einfach im Vorfeld vor diesem Spiel schon aufgekocht wurde vonseiten von Real Madrid. Und dann ist natürlich dieses 3:2 in der Verlängerung. Das war dann schon Frust pur, aber das entschuldigt nicht, dass er so ausgerastet ist. Er war ja kaum mehr zu halten. Das habe ich auf diesem Niveau selten so erlebt.
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ran: Welche Konsequenzen sollte es für Rüdiger geben?
Meier: Anscheinend hat er ja irgendeinen Gegenstand Richtung Schiedsrichter geworfen, das geht natürlich überhaupt nicht. Das sind einfach solche Sachen, bei aller Emotionalität, bei allem Druck, den die Spieler haben, aber ich sage immer wieder dasselbe: Sie haben auch eine Vorbildfunktion. Alles, was gegen die Offiziellen ist - also Schiedsrichter, Assistenten und so weiter - geht einfach nicht und das muss schon bestraft werden. Ich denke, unter drei Spiele Sperre wird sich das nicht ausgehen. Der Verband muss hier ein klares Zeichen setzen und seine Schiedsrichter schützen. Da darf es auch keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Klubs geben. Hier geht es auch um Glaubwürdigkeit.
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ran: Wie bewerten Sie die Leistung des Schiedsrichters gestern im Clasico?
Meier: An sich war die Leistung des Schiedsrichters eigentlich gut, irgendwo zwischen Note 2 und 3. Er hatte kaum große Fehler drin, und den einen kurz vor Schluss bei dem Elfmeter hat er ja richtigerweise dank des Videoassistenten korrigiert. Dass er dann gegen Raphinha auch noch nachträglich die Gelbe Karte wegen einer Schwalbe gegeben hat, war auch gut. Das wird ja oft vergessen bei solchen Korrekturen. Allerdings war seine Kommunikation im Spiel nicht gut. Er hat viel zu viel geredet und mit seiner Art keine Ruhe ins Spiel gebracht. Das ist so ein Schiedsrichter, mit dem müsste man noch an seiner Körpersprache arbeiten.
Urs Meier fordert besseren Schutz für Schiedsrichter
ran: Real hat vor dem Spiel ein Video über den Schiedsrichter veröffentlicht. Mit Fairplay hat das ja nichts zu tun.
Meier: Überhaupt nicht. Aber wenn es nicht läuft, versucht man, mit so etwas einen Nebenkriegsschauplatz zu erstellen. Allerdings gibt man der Mannschaft damit schon im Vorfeld eine Argumentationsmöglichkeit und man hetzt die Spieler und das Umfeld auf. Das ist nicht gut. Das gibt es aber leider in verschiedenen Ländern. Ich habe gerade in der Türkei ein Spiel besucht, da war es genau dasselbe. Die Verbände müssen ihre Schiedsrichter einfach besser schützen.
ran: Wie kann man das erreichen?
Meier: Erstmal ist es wichtig, dass gewisse Sachen bestraft werden. In Italien wurde früher alles, was im Vorfeld eines Spiels gegen einen Schiedsrichter gesagt wurde - ob auf Pressekonferenzen oder dergleichen - sanktioniert und mit einer Geldstrafe belegt. Das hat dazu beigetragen, dass nichts gesagt wurde. Wenn man das allerdings so laufen lässt und nicht bestraft, warum sollten sie es dann unterlassen? Jose Mourinho hat das früher immer gemacht, später wurde er sogar kopiert. Es hieß dann, er sei clever gewesen. Vielleicht war es ja clever, aber es war unsportlich. Solche Unsportlichkeiten dürfen nicht durchgehen und ein starker Verband weiß, wie er das sanktionieren kann. Wir müssen die Glaubwürdigkeit in die Schiedsrichter und die Institutionen stärken.
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ran: Real beschwerte sich ja auch über das Schiedsrichtersystem in Spanien an sich und nannte es "korrupt". Sie selbst leben ja in Spanien. Ist da etwas dran oder sind das haltlose Vorwürfe?
Meier: In Spanien gibt es immer wieder solche Themen, angebliche Verstrickungen zwischen Videoassistenten und Vereinsmitarbeitern. Dadurch entstehen Unsicherheiten, es werden Unwahrheiten in den Medien transportiert. Und gibt es dann einmal strittige Entscheidungen, Elfmeter oder dergleichen, dann hat man seine Bestätigung. Es gibt einfach eine Unruhe im gesamten spanischen Schiedsrichterwesen, dadurch fehlt die Glaubwürdigkeit. Und das ist nicht gut. Wenn jemand glaubt, der Schiedsrichter sei nicht neutral, dann gibt es diese elendigen Diskussionen. Und die müssen gestoppt werden. Vielleicht muss man mal aufräumen und es müsste womöglich sogar jemand aus dem Ausland kommen, der Reputation hat und das ganze Schiedsrichterwesen neu aufstellt.
BVB-Treffer gegen Hoffenheim irregulär? "Hätte es auch laufen lassen"
ran: Schauen wir nach Deutschland. Beim Spiel zwischen Hoffenheim und Dortmund sorgte der Siegtreffer von Waldemar Anton für heftige Diskussionen. War es für sie zuvor ein Foul von Chukwuemeka an Baumann?
Meier: Ich muss eher sagen, nein. Ich hätte es auch laufen lassen. Der Torwart hat im Strafraum keinen Bonus. Baumann stellt seine Hände rein, bei einem anderen Spieler wäre es das Bein gewesen. Wenn es dann im Nachgang zu einem Kontakt kommt, dann ist es so. Fußball ist ein Kontaktsport, da kann das passieren. Es war auch kein gestrecktes Bein vom Dortmunder Spieler. Für mich spielt Chukwuemeka den Ball, und auch wenn er ihn nicht gespielt hätte, wäre es einfach ein unglücklicher Zusammenprall gewesen. Es ist ein Prellball, Chukwuemeka hat die Füße unten, Baumann hat die Hände unten, alles wunderbar. So wird heute Fußball gespielt.
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Meier: Absolut nicht. Ich verstehe, dass es wehtut, wenn man so verliert. Bei einer klaren Fehlentscheidung hätte der Videoassistent hier auch eingegriffen. Solche Sachen muss man dann auch einfach akzeptieren. Die verteidigende Mannschaft sieht das eher als Foulspiel, die angreifende Mannschaft eher nicht als Foul. Ich gehöre zu der Fraktion, die sagt, dass so etwas passieren kann und zum Fußball gehört. Für mich ist das ein korrektes Tor.
Gelbe Karte für Kane: Urs Meier widerspricht DFB-Boss
ran: In München gab es große Diskussionen um die Gelbe Karte für Harry Kane, der damit das Spiel in Leipzig und die mögliche Meisterschaftsentscheidung verpassen wird. Wie bewerten Sie die Situation?
Meier: Als Schiedsrichter sollte man im Prinzip schon wissen, wie viele Gelbe Karten die Spieler haben. In dieser Situation wäre mir eine klare Ansage an Kane viel lieber gewesen als die Karte. Thomas Müller sprach ja in einem Interview von "Fingerspitzengefühl". Natürlich muss Kane den Ball nicht festhalten und man kann 100 Argumentationen finden, warum die Gelbe Karte korrekt ist. Und natürlich muss der Spieler wissen, dass er den Ball nicht festhalten darf. Aber man muss doch auch nicht immer nach etwas suchen. Also ich bin da schon eher bei Thomas Müller. Ich glaube, dem Schiedsrichter war nicht bewusst, welche Konsequenzen die Gelbe Karte hat.
ran: Kane ärgerte sich ja auch über den Pfiff von Bastian Dankert zuvor wegen eines angeblichen Foulspiels an Jonathan Burkardt. War es überhaupt ein Foul?
Meier: Für mich war es ein Foulspiel, aber das sind solche Dinge, bei denen es die Spieler manchmal gar nicht merken. Man sollte eben mehr die Spiele so leiten, wie es zum Beispiel ein Manuel Gräfe am Schluss gemacht hat oder wie es auch heute ein Deniz Aytekin oder Felix Brych macht, mit Persönlichkeit. Wenn du das in einer gewissen Art machst, passiert das auch gar nicht.
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ran: Sie sagten, ein Schiedsrichter müsse wissen, wie viele Gelbe Karten ein Spieler hat. Marco Fritz, Leiter Evaluation, Beobachtungen und Regelauslegung beim DFB, sieht das anders. Er erklärte im "Sport1-Doppelpass", es sei ihm früher nicht so wichtig gewesen, wie viele Gelbe Karten ein Spieler hat, weil das keine Rolle für das aktuelle Spiel spielen dürfe.
Meier: Du solltest schon wissen, wenn du einem Spieler Gelb gibst und der sauer reagiert, warum er das macht. Wenn du das als Schiedsrichter nicht weißt, dann hast du in der Vorbereitung deine Hausaufgaben nicht gemacht. Das wäre ungefähr dasselbe gewesen, wie wenn ich bei der WM 2002 im Halbfinale zwischen Deutschland und Südkorea nicht gewusst hätte, dass Michael Ballack schon vorbelastet war. Natürlich wusste ich das. Das ist doch entscheidend, dass du weißt, verdammt noch mal, diese Gelbe Karte muss Hand und Fuß haben. Das heißt nicht, dass es kein Gelb geben soll, um Gottes Willen. Wenn es eine Gelbe Karte ist, dann ist es eine Gelbe Karte. Das war bei Ballack genau dasselbe. Aber die gebe ich dann nicht wegen Reklamation oder so etwas. Wenn du jemandem das WM-Finale nimmst, dann muss die Gelbe Karte so gelb sein, dass sie fast schon einen orangen Stich hat.
ran: Aber werden Spieler dann nicht unterschiedlich behandelt?
Meier: Du setzt die Messlatte dann einfach etwas höher und kommunizierst häufiger mit den Spielern. Im Falle von Kane sage ich ihm dann halt: Pass auf, du weißt, bei der nächsten Gelben spielst du kommenden Samstag nicht. Dann weiß er, was los ist.
ran: Kane findet die Regel in England, wonach ab 1. Januar eine Sperre erst nach der zehnten Gelben Karte folgt, besser als die deutsche. Was meinen Sie?
Meier: Na ja, wenn ein Spieler viele Gelbe Karten bekommt, dann sollte er sich aus meiner Sicht auch mal fragen, warum er so viele Gelbe Karten bekommt. Gerade als Stürmer. Ich finde die Regel in Deutschland gut so.