Bundesliga
VfB Stuttgart: Sebastian Hoeneß beweist mit seiner Vertragsverlängerung Demut und Weitsicht - ein Kommentar
- Aktualisiert: 08.03.2024
- 19:38 Uhr
- Chris Lugert
Sebastian Hoeneß wurde mit dem FC Bayern München und mit Bayer Leverkusen in Verbindung gebracht, jetzt aber bekannte sich der 41-Jährige langfristig zum VfB Stuttgart. Ein Coup für die Schwaben und eine gute Entscheidung von Hoeneß. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Im Normalfall verzichten Vereine bei Pressemitteilungen zu Vertragsverlängerungen auf allzu viel Pathos. Große Freude wird zwar durchaus ausgedrückt, meist aber überwiegt der professionelle PR-Sprech.
Der VfB Stuttgart wich bei der Bekanntgabe der weiteren Zusammenarbeit mit Trainer Sebastian Hoeneß von dieser Linie ab. "Ich kann es ohne Umschweife sagen: Die vorzeitige Verlängerung des Vertrages mit Sebastian Hoeneß ist für unsere weitere sportliche Entwicklung von derartiger Bedeutung wie aktuell keine andere Personalie im Verein", lässt sich Sportdirektor Fabian Wohlgemuth zitieren.
Ein Verein ist größer als seine handelnden Personen, heißt es so gerne. Doch es gibt Ausnahmen. Dass der VfB seinen Trainer verbal auf ein so hohes Podest stellt, kommt dabei nicht von ungefähr.
Binnen eines Jahres hat sich Hoeneß zu einer der heißesten Aktien auf dem deutschen Trainermarkt entwickelt. Im April 2023 übernahm er einen VfB Stuttgart, der um das sportliche Überleben in der Bundesliga kämpfte und rettete den Klub in der Relegation.
In den Monaten darauf musste er mit ansehen, wie gleich drei absolute Säulen der Mannschaft den Verein verließen. Kapitän Wataru Endo, Linksverteidiger Borna Sosa und Konstantinos Mavropanos wurden verkauft. Es kamen günstige, damit qualitativ aber auch schwächere Spieler. Doch Hoeneß hatte einen Plan.
Das Wichtigste zum VfB Stuttgart
Statt über die verlorene Qualität zu jammern, baute er ein Team, das kurz davor steht, in die Champions League einzuziehen. Stuttgart spielt den vielleicht attraktivsten Fußball der gesamten Bundesliga, und das ohne die gehypten Einzelkönner und Supertalente.
Hoeneß macht die Spieler besser
Wo andere Trainer in der Liga auf leicht sichtbare Qualität zugreifen können, damit aber unter den Erwartungen bleiben, schafft es der 41-Jährige, seine Spieler zu Leistungen zu bringen, die sie vielleicht selbst von sich nicht kannten. Hoeneß ist der Inbegriff eines Trainers, der seine Spieler besser macht.
Beispiel Chris Führich: Der Offensivspieler kam 2021 vom SC Paderborn und war zwei Jahre eher Mitläufer, bis Hoeneß kam. Inzwischen ist der 26-Jährige Nationalspieler und hat gute Chancen, auf den EM-Zug aufzuspringen.
Oder natürlich Serhou Guirassy. Beim 1. FC Köln war er einst gescheitert, über Amiens und Stade Rennes kam er nach Stuttgart und ist heute einer der erfolgreichsten Torschützen Europas.
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Kein Wunder, dass Hoeneß quasi überall gehandelt wurde, wo in absehbarer Zeit Trainerposten frei werden. Beim FC Bayern München war er im Gespräch, auch bei Bayer Leverkusen als möglicher Nachfolger von Xabi Alonso, sollte der Spanier gehen. Und wer rund um Stuttgart hätte es Hoeneß wirklich verübeln können, wenn er gegangen wäre?
Hoeneß muss als Trainer noch wachsen
Doch Hoeneß hat wieder einen Plan. Er verlängerte bis 2027 in Stuttgart. Eine Entscheidung, die großen Respekt verlangt. Die aber auch von Demut, Weitsicht und realistischer Selbsteinschätzung beim Neffen von Uli Hoeneß zeugt. Eigenschaften, die im Fußball immer seltener werden.
Hoeneß weiß, dass er als Trainer noch viele Jahre vor sich hat. Und er weiß, was ihm noch fehlt. Erfahrung auf internationaler Ebene zum Beispiel. Die große Spielerkarriere war ihm nicht vergönnt, er kann nicht von einem umfangreichen Erfahrungsschatz großer Europapokal-Nächte profitieren, der ihn mit einer Aura ausstattet, wie sie etwa Alonso hat.
Hoeneß muss noch wachsen, um als Trainer zu einer Respektsperson zu werden, die von den ganz großen Stars geachtet wird. Und um auch die Erwartungshaltung zu erfüllen, die etwa in München tagtäglich vorherrscht.
Die Vertragslaufzeiten der Bundesliga-Trainer: Sebastian Hoeneß verlängert in Stuttgart bis 2027
In Stuttgart hat er sämtliche Erwartungen nicht nur übertroffen, sondern zu Staub verwandelt. Er ist zur richtigen Zeit seiner Trainerkarriere am genau richtigen Ort. Beim VfB hat er einen Kader um sich, der ihm blind vertraut.
Für den nächsten Schritt ist immer noch Zeit
Und er kann auf die uneingeschränkte Rückendeckung der Verantwortlichen bauen. Jene Verantwortlichen, die Hoeneß überhaupt erst die Möglichkeit gegeben haben, sich derart in den Vordergrund zu bringen nach einem unschönen Ende in Hoffenheim. In gewisser Weise ist seine Vertragsverlängerung also auch Ausdruck einer Dankbarkeit, die er dem VfB schuldig ist.
Irgendwann wird es Rückschläge geben, bei einem Klub wie Stuttgart ist die nächste Krise nie weit weg. Doch auch diese wird ihn wachsen lassen, er wird den Klub aus den schlechten Zeiten führen und als besserer Trainer daraus emporsteigen.
Danach, womöglich auch mit einigen Champions-League-Spielen im Lebenslauf, ist immer noch Zeit für den nächsten Schritt. Bis dahin aber wird die Kombination Stuttgart/Hoeneß den Anhängern der Schwaben noch viel Freude bereiten.