Maurizio Gaudino über die Fans von Eintracht Frankfurt: "Schade, dass so etwas passiert"
- Aktualisiert: 15.03.2023
- 19:39 Uhr
Mit Eintracht Frankfurt gewann Maurizio Gaudino 1994 im UEFA-Cup gegen die SSC Neapel. Vor dem Rückspiel der Frankfurter im Achtelfinale der Champions League in Neapel (Mittwoch ab 20:30 Uhr im Liveticker) spricht der frühere Mittelfeldspieler über die Chancen auf ein Wunder, den Ausschluss der Fans und Finalduelle gegen Diego Maradona.
Maurizio Gaudino spielte in seiner Karriere dreimal gegen die SSC Neapel.
Zweimal in den UEFA-Cup-Finals mit dem VfB Stuttgart 1989 (1:2, 3:3) und mit Eintracht Frankfurt im gleichen Wettbewerb 1994.
Der Mittelfeldspieler, dessen Familie aus Neapel stammt, spielte von 1993 bis 1997 für die Hessen. Das Rückspiel im Achtelfinale der Champions League zwischen der SSC Neapel und der Eintracht (Mittwoch ab 20:30 Uhr im Liveticker) ist deshalb eine ganz besondere Partie für den fünfmaligen deutschen Nationalspieler.
Im Interview mit ran spricht Gaudino über die Chancen der Eintracht auf ein Wunder nach dem 0:2 im Hinspiel, den Ausschluss der Fans und seine Erinnerungen an die Finalspiele gegen Diego Maradona 1989.
ran: Maurizio Gaudino, Ihre Familie stammt aus Neapel, ihr Bruder lebt dort. Wem drücken Sie im Spiel der SSC Neapel gegen Eintracht Frankfurt die Daumen?
Maurizio Gaudino: Mein Bruder drückt Neapel ganz fest die Daumen. Ich versuche neutral zu sein, das habe ich auch schon vor dem Hinspiel gesagt. Der Bessere soll gewinnen. Ich war beim Hinspiel in Frankfurt im Stadion und habe mich danach mit den Fans unterhalten. Die waren sich alle einig, dass Neapel eine Klasse stärker war als die Eintracht und das wirklich alles zusammenkommen muss, um eine Chance gegen Neapel zu haben.
ran: Hat es Sie überrascht, wie sehr die Eintracht Neapel beim 0:2 im Hinspiel unterlegen war?
Gaudino: Eigentlich nicht. Ich verfolge selbstverständlich auch die italienische Liga. Natürlich helfen das finanzielle Theater von Juventus Turin und gewisse Probleme von AC Mailand und Inter Mailand Neapel dabei, die Liga zu dominieren. Aber sie dominieren auch, weil Trainer Luciano Spalletti es geschafft hat, die Spieler taktisch weiter zu entwickeln. Er lässt ein System spielen, in das die Spieler perfekt reinpassen. Das ist wirklich eine große Qualität und hat nichts mit der Schwäche der Serie A zu tun. Es war schon in den ersten Spielen der Champions League zu sehen, wie stark Neapel ist. Und dass bei Frankfurt schon im ersten Spiel alles hätte passen und bei Neapel einiges hätte schiefgehen müssen, damit die Eintracht Paroli bieten kann. Neapel ist sehr hungrig in diesem Wettbewerb, das hat sich auf dem Platz widergespiegelt.
ran: Ist Neapel für Sie ein Favorit, die Champions League zu gewinnen?
Gaudino: Auf jeden Fall sind sie ein Geheimfavorit. Am Wochenende haben sie 2:0 gegen Atalanta Bergamo gewonnen. Gegen eine Mannschaft, die um die Champions-League-Plätze mitspielt und die aufgrund von sehr guter Arbeit in den letzten Jahren vorne dabei ist. Direkt vor dem Champions-League-Spiel gegen die Eintracht so als Sieger vom Platz zu gehen, spricht für die Dominanz und die Klasse von Neapel.
ran: Denken Sie, die Eintracht hat trotzdem eine Chance, das Wunder zu schaffen und doch noch weiterzukommen?
Gaudino: Es gibt immer eine Chance! Ein Fußballspiel muss immer erst gespielt werden. Natürlich wird es schwer ohne Randal Kolo Muani, der im Angriff fehlen wird. Neapel spielt wie gesagt sehr souverän und ist es auch gewohnt, vor so einem Publikum zu spielen. Nach dem Sieg im Hinspiel haben sie überhaupt keinen Druck und können die Eintracht aus einer verstärkten Defensive kommen lassen. Aber natürlich besteht immer eine Chance, auch in so einem Spiel weiterzukommen.
ran: Was muss die Eintracht dafür tun?
Gaudino: Die Eintracht muss geduldig sein. Sie können das Spiel nicht in den ersten 30 Minuten entscheiden, sondern müssen die komplette Spieldauer nutzen. Sie müssen versuchen, Neapel zu locken und in der Hälfte des Gegners, 10, 15 Meter hinter der Mittellinie, zu attackieren. Die Spieler müssen zweikampfstark sein. Das gilt immer in der Champions League, aber besonders gegen Neapel. Sie dürfen sich nicht rausziehen und auskontern lassen.
ran: Wie schwer wiegt es, dass die Eintracht wohl ohne Fans auskommen muss?
Gaudino: Ich denke, es wäre wie in Frankfurt geworden. Dort wurde der Block der Auswärtsfans von den Eintracht-Fans überstimmt. Das wäre jetzt in Neapel nicht anders gewesen, denke ich. Ein Bollwerk wie bei einem Heimspiel hätte die Eintracht nicht hinter sich gehabt. Dafür ist das Stadion in Neapel einfach zu groß und die neapolitanischen Fans sind zu laut. Aber für die Fans wäre es natürlich schön gewesen, Neapel und das Stadion zu sehen. Es ist schade, dass so etwas passiert. Es geht immer mehr in die Richtung, dass ein paar Idioten, die sich auf die Mütze hauen, solche Auswärtsfahrten von normalen Fans in Gefahr bringen. Am Ende kommt es dahin, dass es irgendwann überhaupt keine Auswärtsfans mehr gibt. Das wäre traurig für den Fußball. Traurig ist aber auch, dass die Stadt Neapel nicht in der Lage ist, knapp 3.000 Fans sicher ins Stadion und wieder nach Hause zu bringen.
ran: Sie haben in Ihrer Karriere dreimal gegen die SSC Neapel gespielt. Die größten Spiele waren die UEFA-Cup-Finals 1989 mit dem VfB Stuttgart gegen Diego Maradona. Wie sind ihre Erinnerungen daran?
Gaudino: Das sind Erinnerungen, die ich niemals vergessen werde. Mit dem VfB ins UEFA-Cup-Finale zu kommen, war eine einmalige Sache. Meine Familie kam aus Neapel. Ich bin zwar in Deutschland geboren, meine Brüder aber alle in Neapel. Als kleiner Junge habe ich immer die Sommerferien in Neapel verbracht und Spiele im damaligen Stadio San Paolo geschaut. Die Verbundenheit ist sehr groß. Und dann im Finale gegen Neapel zu spielen, ein Tor schießen zu dürfen und gegen den großen Diego Maradona spielen zu dürfen, war etwas ganz Besonderes. Das kann man auch nicht mit dem Spiel mit Frankfurt gegen Neapel vergleichen. Mit der Eintracht waren wir 1994 mit der SSC Neapel auf Augenhöhe. Wir haben sie dann ja auch geschlagen. Aber im UEFA-Cup-Finale 1989 war es fast unmöglich gegen Neapel mit Maradona zu gewinnen.
ran: Im November 1994 haben Sie im UEFA-Cup mit der Eintracht das Hinspiel im Waldstadion gegen die SSC Neapel gewonnen, beim Rückspiel waren Sie nach der Suspendierung durch Jupp Heynckes nicht mehr dabei. Haben Sie damit abgeschlossen, oder ärgert sie das noch immer?
Gaudino: Die Mannschaft hat ja trotzdem gewonnen und kam glücklicherweise weiter. Es ist schade, dass es so passiert ist. Aber damit habe ich schon lange abgeschlossen.