Champions League
BVB: VAR, Regeln, Nachziehbein und Co.: Holt die Profis mit ins Boot - ein Kommentar
- Aktualisiert: 21.02.2024
- 11:21 Uhr
- Andreas Reiners
Der von Mats Hummels verursachte Foulelfmeter in Eindhoven sorgt für jede Menge Diskussion. Der springende Punkt dabei: Profis sollten bei der Regelfindung mitwirken. Ein Kommentar.
Nachziehbein.
Wow. Was für ein Wort, was für eine Kreation. Kandidat Nummer eins für das Unwort des Jahres im Fußball. Direkt aus den Untiefen eines staubigen Fußball-Regelwerks entsprungen. Man kann die starre Funktionärs-Attitüde förmlich heraushören.
Gleichzeitig ist es aber die treffendste Beschreibung für eine Elfmeter-Situation, die Abwehrspieler Mats Hummels beim 1:1 von Borussia Dortmund bei der PSV Eindhoven auf die Palme brachte. Den ganzen BVB eigentlich.
Was das Dilemma ziemlich gut beschreibt.
Denn es stimmt, dass Hummels beim Tackling gegen Malik Tillman mit dem rechten Fuß zuerst den Ball trifft, dann aber eben mit dem Nachziehbein, also mit dem Bein, dass er bei einer Grätsche anatomisch automatisch nachziehen muss, damit es nicht bricht, seinen Gegenspieler abräumt.
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Kann man geben, muss man aber nicht
Den Elfmeter kann man geben, muss man aber nicht. Erklärte Ex-Schiedsrichter Wolfgang Stark bei Amazon Prime Video. Es hängt auch von der Linie des Schiedsrichters ab, ob er eher eine lange Leine lässt oder kleinlicher pfeift. Wenn man ihn gibt, ist er allerdings keine so klare Fehlentscheidung, dass der VAR eingreifen könnte.
Alles klar?
Manuel Gräfe hatte auf eine X ganz andere Meinung, er erklärte, das sei ein normaler Kontakt nach dem Ballspielen. Und nannte es eine "Farce".
Oder anders gesagt: Hummels regt sich zu Unrecht auf. Und auch zu Recht.
Eine komplett unbefriedigende Situation. Vor allem für den Fußball. Für die Fans. Und den BVB. Der sollte nach dem 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel vor allem die eigenen sportlichen Hausaufgaben machen, denn mit so einem Gesamtauftritt spielen die Dortmunder im Rückspiel mit dem Feuer. Solche Wutausbrüche wirken dann immer ein Stück weit unsouverän, weil das aktuelle Regelwerk diese Bewertung durch den Schiedsrichter zulässt.
Punkt. Nein, Ausrufezeichen.
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Diskussion mit verschiedenen Facetten
Doch die Diskussion hat vielleicht auch ihr Gutes. Sie hatte nämlich nicht nur Feuer, sondern auch Facetten.
Denn der Vorwurf von Hummels, die Schiedsrichter seien durch den VAR schlechter geworden, ist vielleicht ein bisschen zu hart, im Kern aber nicht falsch. Vielleicht passt es besser, wenn man sagt, dass er die Art und Weise der Unparteiischen, das Spiel zu leiten, verändert hat. Die Referees sind zögerlicher, nicht mehr so entscheidungsfreudig, vielleicht auch unkonzentrierter. Das doppelte Netz sichert ab, doch dabei verlassen sie sich hier und da womöglich zu sehr auf den VAR.
Ein einfacheres Regelbuch (das Handspiel lässt grüßen) kann dabei helfen.
Für Hummels wiederum ist das Nachziehbein nämlich "eine Erklärung, die nur aus dem Regelbuch kommen kann, nicht aus dem Profifußball. Nachziehbein, nachdem ich drei Minuten vorher den Ball gespielt habe, bei aller Liebe!", wetterte er.
Diesen Strafstoß würde "kein Profi auf der Welt" pfeifen. Fakt ist auch: Können diese Diskussionen so lange und intensiv geführt werden, stimmt etwas nicht. Vor allem dann nicht, wenn der Zuschauer sie nicht mehr versteht.
Die richtige Regel-Balance finden
Und das ist der springende Punkt. Wenn das Regelwerk eine ärgerliche, realitätsferne oder diskussionswürdige Entscheidung ermöglicht, müssen die Regeln angepasst werden. Ja, das ist immer ein Drahtseilakt, denn mit zu vielen Modifikationen, Restriktionen und Sanktionen kann man einen Sport auch kaputt reglementieren.
Doch genau dafür sollten Profis mit ins Boot geholt werden, wie von Hummels gefordert. Ein Verteidiger kann Argumente anführen, warum dieses Tackling ein sauberes ist. Ein Stürmer, warum ein Elfmeterpfiff zwingend nötig ist.
Und im Idealfall trifft man sich in der Mitte. Und findet eine Lösung, die sich mehr nach Fußball und weniger nach Nachziehbein anhört.