DFB-Elf vor Frankreich
DFB-Debütant Mittelstädt über seine Chancen auf die EM und die besondere Rolle von Thomas Müller
- Aktualisiert: 22.03.2024
- 14:32 Uhr
- Tobias Hlusiak
Maximilian Mittelstädt wurde von Bundestrainer Julian Nagelsmann als bester Linksverteidiger der Bundesliga geadelt. Im ran-Interview spricht der Stuttgarter darüber, wie er mit einem solchen Lob umgeht, die VfB-Combo beim DFB und wie er ganz persönlich seine Chancen auf die EM einschätzt.
Das Interview führte Tobias Hlusiak
Maximilian Mittelstädt spielt eine herausragende Saison beim VfB Stuttgart.
Seine erstmalige Berufung für die Nationalmannschaft kommt deshalb drei Monate vor der EM im eigenen Land alles andere als überraschend.
Gut möglich ist sogar, dass der Linksverteidiger sofort in die erste Elf rutscht.
Im exklusiven Interview mit ran spricht der 27-Jährige über die Rolle, die er im Kader von Julian Nagelsmann einnehmen soll, den allgegenwärtigen Thomas Müller und was er mit dem Trikot aus seinem ersten Länderspiel vorhat.
ran: Herr Mittelstädt, Bei Ihrer Anreise hier zur Nationalmannschaft haben Sie von einem Traum gesprochen, der in Erfüllung gegangen ist. Wie oft haben Sie sich in den vergangenen Tagen schon verwundert die Augen gerieben?
Maximilian Mittelstädt: Ich finde es toll, hier zu sein. Es erfüllt mich mit großem Stolz, etwas wahrgemacht zu haben, von dem ich schon als kleiner Junge geträumt habe. Ich fühle mich extrem wohl und wurde von den Jungs super aufgenommen. Jetzt möchte ich das mit Leistung zurückzahlen. Daran arbeite ich jeden Tag. Ich bin ja nicht nur hier, um Freundschaften zu schließen, sondern möchte der Mannschaft helfen und ihr mit meinem Einsatz auf dem Platz Energie geben.
ran: Die Mannschaft ist im ständigen Umbau. Ist trotzdem jemand da, der sich um die Neuen kümmert? Immerhin waren es diesmal eine ganze Menge…
Mittelstädt: Wir haben natürlich mit vier Spielern vom VfB Stuttgart einen guten Kern, den wir aus dem Alltag kennen. Deswegen war es für uns nicht schwer, Anschluss zu finden. Aber natürlich gibt es eine Menge erfahrene Spieler, die einen hier mit offenen Armen empfangen – wie zum Beispiel Thomas Müller. Er hat es geschafft, uns sofort ein gutes Gefühl und Leichtigkeit zu geben. Daran kann man sich dann gut orientieren. Das hat mich sehr gefreut und es gibt Sicherheit, solche Spieler im Team zu haben.
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ran: Ihre Reise zur Nationalmannschaft war unvorhersehbarerer, verschlungener als bei manch anderen Spielern. Haben Sie zwischendurch mal daran gezweifelt, dass Sie es schaffen?
Mittelstädt: Nicht direkt, aber ich war immer realistisch. Wir müssen uns ja nichts vormachen: Letztes Jahr sah es nicht unbedingt danach aus, als würde ich ein halbes Jahr später für die Nationalmannschaft nominiert werden. Trotzdem habe ich auch in schwierigen Zeiten immer an meine Fähigkeiten und mein Potential geglaubt und bin deswegen auch zum VfB Stuttgart gewechselt. Es ist ja klar, dass auch die persönliche Leistung anders bewertet wird, wenn man bei einem Absteiger spielt. An mir gezweifelt habe ich trotzdem nie.
ran: Wie sehr schauen Sie noch auf die Hertha, immerhin haben Sie über zehn Jahre für den Verein aus Ihrer Heimatstadt gespielt?
Mittelstädt: Als Berliner Junge sehe ich mir jedes Spiel an, wenn es zeitlich möglich ist. Torhüter Tjark Ernst ist ein sehr guter Freund von mir, wir sind so gut wie täglich in Kontakt. Der ist auch nach meinem Wechsel zum VfB nicht abgerissen.
ran: Gab es einen Moment nach dem Wechsel zum VfB, an dem Sie gemerkt haben: Jetzt bin ich auf einem höheren Niveau angekommen, jetzt kann ich es auch in die Nationalmannschaft schaffen?
Mittelstädt: Die letzten Jahre in Berlin waren nicht einfach. Es war sehr turbulent und wild, mit vielen Trainerwechseln und Unruhe. Da ist es für keinen Spieler der Welt einfach, seine beste Leistung auf den Platz zu bringen. Fußball ist zu einem großen Teil Kopfsache und wenn man in einer Mannschaft spielt, in der nicht einhundertprozentig auf dich gebaut wird, ist es eben schwierig. In Stuttgart bekomme ich volles Vertrauen und Rückendeckung. Ich hatte gleich in den ersten Spielen, die ich von Beginn an machen konnte, ein gutes Gefühl. Im Laufe der Saison hat sich das immer weiter intensiviert. Ich habe mit Chris Führich beim VfB einen Spieler vor mir, mit dem ich sehr gut harmoniere. Hoffentlich können wir das auch hier bei der Nationalmannschaft zeigen.
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ran: Welchen Anteil hat Ihr Vereinstrainer Sebastian Hoeneß an Ihrer Entwicklung?
Mittelstädt: Einen sehr großen. Jeder Trainer ist immer ein bedeutender Bestandteil der Entwicklung eines Spielers. Sebastian Hoeneß hat es geschafft, mein Selbstvertrauen zurückzubringen. Er gibt mir das starke Gefühl, dass ich mich auf dem Platz frei entfalten kann. Natürlich hat die gesamte Mannschaft aktuell viel Sicherheit, was es für jeden einzelnen einfacher macht. Es ist kein Zufall, dass wir nun schon über einen großen Zeitraum so erfolgreichen und schönen Fußball spielen, in dem sich jeder Spieler weiterentwickeln kann. Das ist in erster Linie Sebastian Hoeneß zu verdanken. Er hat dieses Konstrukt geformt. Ich bin sehr froh, dass er verlängert hat. Für mich ist er ein super Trainer, mit dem ich hoffentlich noch lange zusammenarbeiten kann.
ran: Wie schneidet Hoeneß im Vergleich mit Bundestrainer Julian Nagelsmann ab?
Mittelstädt: Beide sind ähnliche Trainertypen, mit gutem Gespür für und Kontakt zur Mannschaft. Das ist sehr wichtig. Und beide haben eine klare Spielidee.
ran: Der Bundestrainer hat Sie bei der Kadernominierung auf ein Podest gehoben und gesagt, Sie wären "statistisch gesehen" der mit Abstand beste Linksverteidiger der Bundesliga und Top-4 weltweit. Hat er Ihnen eigentlich mal gezeigt, welche Zahlen er da genau meint?
Mittelstädt: Da haben wir noch nicht im Detail drüber gesprochen. Aber es ist natürlich eine große Ehre, wenn der Bundestrainer so über mich spricht, vor allem wenn es zum Start in der Nationalmannschaft ist. Das gibt mir ein gutes Gefühl und ich möchte mich mit Leistung revanchieren.
ran: Was halten Sie persönlich von diesem Ansatz? Beurteilen Sie Ihre Leistung auch nach Zahlen, oder eher aus einem Spielgefühl heraus?
Mittelstädt: An allererster Stelle steht mein Bauchgefühl. Ohne nach einem Spiel sofort genaue Zahlen zu kennen, kann ich gut einschätzen, ob ich gut oder schlecht war. Danach schaue ich mir auch Daten an, weil sie natürlich eine große Aussagekraft haben. Wichtig ist aber auch das Feedback des Trainerteams.
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ran: Wo haben Sie im Moment gegenüber so vielen anderen Linksverteidigern in der Bundesliga und weltweit einen Vorteil?
Mittelstädt: Ich glaube, dass ich ein gutes Gefühl dafür habe, wann es Sinn macht, sich offensiv einzuschalten und wann eben nicht. Ich kann im Spiel nach vorne gefährlich werden, habe aber auch in meiner Defensivarbeit zugelegt. Da bin ich in dieser Saison sehr stabil geworden. Als Außenverteidiger muss man beide Komponenten bedienen. Das gelingt mir momentan sehr gut.
ran: Hat Ihnen der Bundestrainer schon seinen Plan offengelegt? Sieht er Sie – auch auf lange Sicht - in der Startelf oder eher als Ergänzung?
Mittelstädt: Ich weiß, wie der Bundestrainer mich sieht. Ich werde jetzt meine Chance bekommen, muss mich aber im Bundesliga-Endspurt immer weiter beweisen. Die aktuelle Nominierung ist kein sicheres Ticket für die EM.
ran: Wie groß ist dennoch Ihre Überzeugung, dann auch bei der EM dabei zu sein?
Mittelstädt: Ich habe ein gutes Gefühl, weil ich auch in den Trainingseinheiten merke, dass ich auf hohem Niveau mithalten kann. Das gibt mir Selbstvertrauen und die Zuversicht, dass ich es zur EM schaffen kann.
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ran: Was passiert mit ihrem Debüt-Trikot, gibt es da schon einen Plan?
Mittelstädt: Das allererste Trikot bekommt immer meine Mama. Das war schon immer so. Sie hat das erste von der Hertha, das erste vom VfB und auch das erste, in dem ich ein Tor geschossen habe. Sie sammelt diese besonderen Trikots. Deswegen gehört das erste ihr. Das zweite behalte ich für mich und hänge es zuhause an die Wand. Für alle weiteren habe ich schon viele Anfragen aus der Familie und von Freunden. Mal sehen, ob ich das dann alles bedienen kann…
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ran: Im ersten Spiel wartet nun direkt eine französische Weltklasse-Mannschaft. Hat man da Respekt davor, dass so ein persönliches Debüt auch schiefgehen könnte?
Mittelstädt: Im Fußball kann immer viel schief gehen. Auch gegen vermeintlich schwächere Gegner. Aber ich glaube, dass man aus Spielen gegen solche Top-Mannschaften immer eine Menge mitnehmen kann. Frankreich gehört aktuell zu den stärksten Nationen in der Welt und hat eine unfassbare Qualität. Ich sehe es eher positiv: Man kann sich gegen solche Gegner noch mehr zeigen als gegen etwas schwächere. Das ist eine Chance. Für uns als Mannschaft ist die Partie einfach ein sehr wichtiger Härtetest, um zu sehen, wo wir stehen. Wir wollen uns von der besten Seite zeigen.
ran: Das erste Spiel ist noch nicht gespielt, da mussten schon zwei Kollegen abreisen, einer sagte schon vor dem ersten Zusammentreffen hier in Frankfurt ab. Bringt das Unruhe?
Mittelstädt: Es wird straight weitergearbeitet. Das sieht man auch daran, dass bislang noch kein Spieler nachnominiert wurde. Wir haben einen Plan und wollen davon nicht abkommen. Für die Jungs ist es natürlich schade.
Wir wollen die Fans mitnehmen, am besten schon mit guten Leistungen gegen Frankreich und die Niederlande.
Maximilian Mittelstädt
ran: Sie haben vorhin schon von der kleinen VfB-Gruppe in der Mannschaft gesprochen. Was können Sie aus dem Verein – in dem es super läuft – auf die Nationalmannschaft übertragen?
Mittelstädt: Auf jeden Fall eine gewisse Unbekümmertheit. Chris (Führich) war schon einmal dabei, aber für Waldi (Anton), Deniz (Undav) und mich ist es eine Premiere. Einen frischen Wind und viel Selbstvertrauen bringen wir auf jeden Fall mit. Wir haben Energie und einen positiven Fluss in unseren Aktionen. All das legen wir gern mit auf den Tisch.
ran: Die fehlende Euphorie rund um die Nationalmannschaft war lange ein dominierendes Thema. Wie nehmen Sie die Stimmung rund ums Team drei Monate vor Turnierstart wahr?
Mittelstädt: Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung gut ist. Hoffentlich werden wir die kommenden beiden Spiele gewinnen und die Vorfreude auf die EM bei den Fans dadurch noch weiter steigern.
ran: Was würden Sie sich persönlich von Fans und Zuschauern im Sommer wünschen - welche Stimmung wäre ideal?
Mittelstädt: Ich würde mir natürlich die maximale Unterstützung und eine tolle Stimmung wünschen. Wir wollen die Fans mitnehmen, am besten schon mit guten Leistungen gegen Frankreich und die Niederlande.