EM 2024
DFB-Team - Arne Friedrich im Interview über die EM: "Für ganz Europa ein wichtiges Turnier"
- Veröffentlicht: 19.06.2024
- 11:22 Uhr
- Tobias Hlusiak
Im Interview mit ran spricht Arne Friedrich über die tolle Stimmung in den ersten Tagen der Europameisterschaft 2024 und vergleicht sie mit dem Gefühl der Sommermärchen-WM 2006. Damals war er noch als Spieler mit von der Partie.
Vom DFB-Team berichtet Tobias Hlusiak
Arne Friedrich machte insgesamt 82 Länderspiele.
Auch bei der WM 2006 in Deutschland - dem Sommermärchen - stand er im DFB-Kader und bis zum Habfinal-Aus gegen Italien in allen Partien über die volle Spielzeit auf dem Platz.
Nur gegen Polen wurde er ausgewechselt und sorgte damit unfreiwillig für einen der legendärsten Momente des Turniers.
Im Gespräch mit ran vergleicht der 45-Jährige die Stimmung im Land bei der diesjährigen EM mit dem Heim-Turnier vor 18 Jahren und spricht auch über die deutsche Mannschaft und deren Aussichten.
Das Wichtigste in Kürze
Friedrich: "Wir-Gefühl ist extrem wichtig"
ran: Herr Friedrich, sind Sie überrascht, dass die Euphorie im Land schon nach so kurzer Zeit so groß ist? Oder haben Sie damit gerechnet?
Arne Friedrich: Überrascht hat es mich nicht. Es ist klar, dass wir gerade in nicht einfachen Zeiten leben und die Freude und die Leichtigkeit bei den Menschen abhandengekommen ist. Fußball ist ein Großereignis, das Menschen zusammenführt. Man hat in der Vergangenheit bei so vielen Turnieren erlebt, was für eine Strahlkraft der Fußball hat. Fußball ist ein Mosaikstein, der verbindet, der Brücken baut, der Menschen zusammen feiern lässt. Das haben wir schon 2006 gesehen. Dementsprechend habe ich mich nicht gewundert, mich aber umso mehr gefreut, weil wir in einer Zeit leben, in der Zusammenhalt und ein Wir-Gefühl extrem wichtig sind. Gerade in den vergangenen Monaten ist dieses Gefühl ein bisschen verloren gegangen.
ran: Mit Blick auf Deutschland – kommt das Turnier gerade zu einem sehr guten Zeitpunkt? Die Menschen können sich annähern und sich wieder mehr begegnen.
Friedrich: Das Turnier kommt nicht nur in Deutschland zur richtigen Zeit. Wenn man das Spiel zwischen Rumänien und der Ukraine betrachtet - das Ergebnis außen vor gelassen - dass die rumänischen Fans Ukraine-Sprechchöre während des Spiels anstimmen, zeigt Zusammenhalt und Einigkeit. Ein unglaublich wichtiges Zeichen. Auch wenn ich durch die Straßen gehe, als Bürger oder als jemand, der bei dem ein oder anderen Spiel involviert ist, sehe ich friedliche Menschen zusammen feiern. Natürlich gibt es immer wieder die ein oder andere Ausnahme, aber ich bin mir sicher, dass es für ganz Europa ein wichtiges Turnier zur richtigen Zeit ist.
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Friedrich: "Gruppenphase muss nicht perfekt laufen"
ran: Wenn Sie die EM 2024 mit der WM 2006 vergleichen, bei der Sie ja noch als Spieler dabei waren, ist das schon wieder das Sommermärchen-Gefühl? Oder ist das Gefühl von damals so einmalig, dass man es nicht wieder herholen kann?
Friedrich: Das Wetter spielt noch nicht so richtig mit, das war 2006 anders. Ich muss aber dazu sagen, dass ich 2006 vieles auch selbst gar nicht richtig mitbekommen habe. Wir waren größtenteils im Hotel zusammen und der Fokus lag auf der WM. Jetzt bekomme ich alles aus einer anderen Sicht mit. Ich kann aber schon sagen, dass der Eindruck entsteht – gerade nach dem super Spiel gegen Schottland – dass sich vieles zu wiederholen scheint. Trotzdem: Es war erst ein Spiel. Das war zwar hervorragend und hat auch die spielerische Qualität unserer Mannschaft gezeigt, aber ein Turnier ist lang. Wenn wir aber so weitermachen, können wir wirklich Großes erreichen. Dass die Menschen ein Fest feiern können, ist für mich das Allerwichtigste. Menschen können wieder zusammenkommen, wieder zusammenfinden. Wenn dann auch noch der sportliche Erfolg gelingen würde, dann wäre der Auftrag der Mannschaft mehr als erfüllt.
ran: Es gab 2006 den einen Moment im Spiel gegen Polen, der vieles ins Rollen gebracht hat. Jetzt ist das schon im ersten Spiel passiert. Die Fans sind komplett da, auch die Mannschaft ist euphorisiert. Wie sehr steht und fällt alles mit der weiteren sportlichen Leistung der Mannschaft?
Friedrich: Extrem. Eine Gruppenphase muss ja gar nicht so perfekt laufen. Bei uns war es damals so, dass wir gegen Polen nicht 5:1 gewonnen haben. Wir haben erst 4:2 gegen Costa Rica gespielt, dann kam dieser knappe Sieg, der natürlich auch ein gemeinsames Zittern mit sich gebracht hat. Das kann jetzt in diesem Turnier auch passieren. Die Ungarn werden ein unangenehmer Gegner sein. Am Ende ist der sportliche Erfolg sehr wichtig – und vor allem ein langer Verbleib im Turnier. Wenn wir die Gruppenphase perfekt überstehen und im Achtelfinale ausscheiden, dann wäre die Party relativ schnell zu Ende. Wenn wir es aber bis in das Halbfinale oder Finale schaffen, dann ist das ein komplett anderes Szenario. Wir sind damals im Halbfinale ausgeschieden und hatten trotzdem ein unfassbar tolles Turnier. Neben dem Sportlichen ist aber auch das gemeinschaftliche Auftreten wichtig. Die Mannschaft und das Team drumherum machen aktuell auch dort einen sehr guten Eindruck.
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Friedrich lobt deutsches Defensiv-Duo
ran: Erkennen Sie - sportlich gesehen - Parallelen zwischen der Mannschaft von heute und der Mannschaft von 2006? Ist das aktuell eine Mannschaft, die weit kommen kann?
Friedrich: Auf alle Fälle. Es ist aber eine komplett andere Mannschaft als damals. Wenn wir mal zwei Namen herausnehmen: Jamal Musiala und Florian Wirtz. Die haben eine unfassbare Kreativität, darum beneidet uns die ganze Welt. Ich glaube schon, dass sie fußballerisch, gerade nach vorne, besser sind als wir damals – aber wir hatten auch keine schlechte Mannschaft. Wir hatten Weltklassespieler in unseren Reihen, einen Miro Klose oder Michael Ballack. Das Team ist dieses Jahr extrem stark, die Mischung passt. Toni Kroos zurückzuholen war ein sehr wichtiger Schritt. In Sachen Erfahrung ist der Kader sehr ausgewogen. Wir haben einige junge Raketen und auch einige Spieler, die man so vorher nicht auf dem Schirm hatte. Das war 2006 ähnlich. Odonkor hatte auch niemand auf der Rechnung. Dann hat er gegen Polen, nach meiner Auswechslung, das entscheidende Tor vorbereitet. Wir haben eine tolle Mannschaft, gute Jungs und ich bin überzeugt, dass wir dieses Jahr wirklich sehr weit kommen.
ran: Sie waren selbst Defensivspieler. Wie sehen Sie das Innenverteidiger-Duo Jonathan Tah und Antonio Rüdiger – auch im Vergleich mit anderen Verteidigungsreihen bei der EM?
Friedrich: Stark. Jonathan Tah hat eine unfassbare Entwicklung durchgemacht, Antonio Rüdiger hat im Verein große Erfolge gefeiert. Sie haben wirklich gut zusammengefunden. Ich bin positiv gestimmt, was unser Innenverteidiger-Duo angeht.