Nationalmannschaft
DFB-Team - Überangebot im Mittelfeld: Für Bayern-Shootingstar Pavlovic ist trotzdem Platz
- Aktualisiert: 12.03.2024
- 11:39 Uhr
- Carolin Blüchel
Mit dem Comeback von Toni Kroos hat Bundestrainer Julian Nagelsmann sein Luxusproblem im defensiven Mittelfeld noch vergrößert. Trotz Überangebot könnte mit Bayern-Juwel Aleksandar Pavlovic ausgerechnet ein Neuling von der Rückholaktion profitieren.
Von Carolin Blüchel
Julian Nagelsmann heizte die Spekulationen über die Kader-Nominierung für die bevorstehenden Länderspiele (23.3. in Frankreich/ 26.3. gegen Niederlande) selbst an. "Es wird bestimmt der eine oder andere nicht nominiert werden, von dem viele denken, der sei sicher dabei", prophezeite der Bundestrainer jüngst im Interview mit dem "Spiegel".
Damit bleibt der 36-Jährige einer Tradition treu. Schon Jürgen Klinsmann, Joachim Löw oder Hansi Flick zogen pünktlich zu Welt- und Europameisterschaften mindestens einen Überraschungskandidaten aus dem Hut. Mit mehr und weniger Erfolg.
Seit Nagelsmanns geheimnisvoller Ankündigung rätselt Fußball-Deutschland täglich über vermeintliche Neulinge. Aleksandar Pavlovic ist so ein Kandidat. Der 19-Jährige hat sich in der aktuellen Saison von der Notlösung im defensiven Mittelfeld zum Stammspieler gemausert und ist DIE Entdeckung beim FC Bayern.
Der Deutsch-Serbe gibt den Abräumer vor der Abwehr, die von Bayern-Trainer Thomas Tuchel viel beschriebene Holding Six. Zuletzt kam Pavlovic vor allem an der Seite von Leon Goretzka zum Einsatz. Zwar hin und wieder, wie beim 0:3 bei Bayer Leverkusen, auch mit schwächeren Auftritten. In den meisten seiner 14 Pflichtspielen aber überzeugend.
Pavlovic wirkt nicht wie ein Rookie, eher wie einer, der seit Jahren bei den Bayern nicht mehr wegzudenken ist. Dass Joshua Kimmich wieder als rechter Verteidiger aufläuft, ist zum Teil auch Pavlovics Entwicklung geschuldet. Für Bayern-Sportdirektor Christoph Freund führt mit Blick auf die Nationalmannschaft "kein Weg an ihm vorbei".
Das Wichtigste in Kürze
Kroos-Comeback vergrößert Nagelsmanns Luxusproblem
Doch stimmt das auch, wenn man die Bayern-Brille absetzt? Fakt ist: Im defensiven Mittelfeld gibt es mit Toni Kroos, Kapitän Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Robert Andrich und Pascal Groß auch ohne Pavlovic bereits ein Überangebot.
Mit der Rückholaktion von Kroos machte sich Nagelsmann selbst das Leben noch ein bisschen schwerer. "Wo soll der denn spielen?", hatte TV-Experte Lothar Matthäus im ersten Affekt verwundert gefragt - wie vermutlich auch viele Fans. Eines ist wohl unstrittig: Ein hochdekorierter Profi wie Kroos wird sicher nicht als Joker reaktiviert. Und so ist diese Personalie richtungsweisend im Hinblick auf die Zusammenstellung des Länderspiel- und EM-Kaders.
Nagelsmann ist Verfechter des 4-2-3-1-Systems. So ließ er es in Hoffenheim, Leipzig, München spielen und auch bei zwei von bisher vier Länderspielen als Bundestrainer. Neben Kroos, der den offensiveren Part auf der Doppel-Sechs übernimmt, braucht es demnach einen Staubsauger. Gündogan und Goretzka sind das nicht.
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Goretzka kein Streichkandidat mehr
Der Kapitän fungierte bei Manchester City und aktuell beim FC Barcelona als Bindeglied zur Offensive. Goretzka gilt als hervorragender Box-to-Box-Spieler.
Zuletzt schlüpfte der 29-Jährige bei Bayern allerdings in eine für ihn untypische Hybridrolle. So ließ er sich bei Ballbesitz auf Höhe der Abwehrreihe fallen, um von dort aus das Spiel zu eröffnen. Die neu entwickelte Rolle des "Quarterbacks" wäre womöglich auch an Kroos‘ Seite denkbar. Ausflüge nach vorne, wie beim Kantersieg der Bayern gegen Mainz, dürfte sich Goretzka dann aber nicht erlauben.
Vor seinem Wiedererstarken galt der Allrounder sogar als Streichkandidat. Zählt bei der Kader-Nominierung für die Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande das Leistungsprinzip, muss diese Überlegung vom Tisch sein, befand auch TV-Experte Stefan Effenberg im "Doppelpass".
DFB darf Pavlovic nicht verlieren
Zurück zu den Konsequenzen des Kroos-Comebacks: Grundsätzlich profitieren vor allem die Holdings Sixes, namentlich: Robert Andrich, Pascal Groß oder eben Aleksandar Pavlovic. Letzterer stand bislang noch nie im Kader der Nationalmannschaft, weshalb sich Experten streiten, ob eine Nominierung wenige Monate nach seinem Durchbruch zu früh kommt.
Effenberg vertritt diesbezüglich eine deutliche Meinung und weist auf einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt hin. "Wir müssen Pavlovic nominieren, dass wir ihn safe haben für die kommenden Jahre", forderte der frühere Bayern-Star.
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Denn Pavlovic besitzt auch die serbische Staatsbürgerschaft. Die Lockrufe des serbischen Verbands werden immer lauter. Und der DFB tut gut daran, sich nicht das nächste Top-Talent mit Migrationshintergrund vor der Nase wegschnappen zu lassen. Erst in der vergangenen Woche hatte das Nürnberger Sturm-Juwel Can Uzun dem DFB zugunsten der türkischen Nationalmannschaft einen Korb gegeben.
Pavlovic-Nominierung ein Invest in die Zukunft
Effenberg betont, dass eine Pavlovic-Nominierung nicht nur ein strategischer Kniff sei. "Stammspieler bei Bayern München ist ein Brett und anders als bei allen anderen Vereinen." Als Stammspieler bei Bayern sei man automatisch ein Kandidat für die Nationalmannschaft. Zumal Pavlovic anders als Andrich und Groß durchgängig auf eben jener gesuchten defensiven Sechser-Position aufläuft.
Während an Andrich, der mit Leverkusen die Saison seines Lebens spielt, kein Zweifel besteht, könnte Groß eventuell für Pavlovic Platz machen müssen. Auch wenn Nagelsmann aufgrund dessen Mentalität als Fan des 32-Jährigen gilt.
Mit einer Entscheidung pro Pavlovic würden der Bundestrainer und der DFB allerdings auch in die Zukunft investieren.